Hören bedeutet nicht nur Geräusche und Töne aufzunehmen und zu verstehen. Es ermöglicht uns, unsere Umwelt vollständiger zu erfassen, uns zu orientieren, uns mit unseren Mitmenschen zu verständigen. Es gibt uns Sicherheit, es warnt oder beruhigt uns, es beeinflusst unser Denken und Fühlen entscheidend.

Wer schlecht hört, fühlt sich oft gehemmt oder ausgeschlossen. Er nimmt akustische Signale nur mehr abgeschwächt, verändert oder teilweise gar nicht mehr wahr. Häufig kommt zu einer Schwerhörigkeit (medizinisch Hypakusis) auch eine Fehlhörigkeit (Dysakusis). Die Betroffenen verstehen nicht mehr richtig, was ihr Gesprächspartner sagt. Wörter und Sätze kommen verzerrt an.

Schätzungen zufolge leiden zwischen 17 und 20 Millionen Deutsche an einer verminderten Hörfähigkeit, und die Zahl nimmt weiter zu, vor allem bei jungen Menschen. Die meisten der chronisch Schwerhörigen weisen eine Innenohrstörung auf. Diese kann auch gemeinsam mit einer Mittelohrschwerhörigkeit (Schallleitungsschwerhörigkeit) einhergehen. Über den Unterschied siehe nachfolgend.

Schwerhörigkeit: Was ist das?

Der sensible Ablauf des Hörens im Ohr und in den Nervenbahnen des Gehirns kann auf vielfältige Weise gestört werden. Oft genügt schon ein dicker Ohrschmalzpfropf, um die Weiterleitung der Schallsignale zu behindern und eine vorübergehende Schwerhörigkeit auszulösen (mehr dazu im Kapitel "So hören wir").

Je nachdem, von welchem Ohranteil die Hörstörung ausgeht, unterscheiden Ärzte zwei Hauptformen der Schwerhörigkeit:

  • Schallleitungsschwerhörigkeit: Störungen oder Erkrankungen im Außen- oder Mittelohr behindern oder verzerren die Weiterleitung der Schallwellen.
    Typisch ist, dass die Betroffenen hohe wie tiefe Töne erst ab einer bestimmten Lautstärke hören, aber noch gut verstehen, was gesprochen wird.
  • Schallempfindungsschwerhörigkeit: Hier sind das Hörorgan mit den Sinneszellen im Innenohr oder der Hörnerv häufig bleibend geschädigt, so dass die Schallsignale nicht mehr einwandfrei in das Hörsystem des Gehirns gelangen. Die Störung kann auch im Gehirn selbst liegen. Zu den typischen Innenohrschwerhörigkeiten gehören die Altersschwerhörigkeit und die Lärmschwerhörigkeit.

    Kennzeichnenderweise hören Menschen mit einer Innenohrschwerhörigkeit leise Töne, hier vor allem zunächst die hohen Töne, nicht mehr. Die Lautstärkeempfindlichkeit ist erhöht. Normal laute Töne empfinden die Betroffenen als leise, laute Töne jedoch als unangenehm laut. Sie haben zudem Probleme, Gesprochenes richtig zu verstehen. Hintergrundgeräusche erleben sie als störend. Das erschwert es besonders, Gesprächen unter mehreren Menschen zu folgen.

Erste Hinweise auf mögliche Ursachen von Schwerhörigkeit

Eine Hörstörung kann angeboren sein oder sich durch äußere wie innere Einflüsse entwickeln. Je nach Ursache tritt sie plötzlich auf und geht wieder vorüber oder sie setzt schleichend ein, wird mit der Zeit stärker und zu einem dauerhaften Hörproblem. Betroffen sind ein Ohr oder beide Ohren.

Die Art und die Form, wie Schwerhörigkeit sich äußert, geben zusammen mit anderen Begleitsymptomen schon Hinweise auf mögliche Auslöser. Bei einem Hörsturz zum Beispiel setzt die Hörminderung akut auf einem Ohr ein. Ein Druckgefühl im Ohr, Tinnitus und Schwindel kommen dazu.

Lästiger Tinnitus?

Unser Erklärvideo gibt erste Informationen und Tipps:

Was tun bei einem Tinnitus?

Für Hörprobleme, die von Ohrenschmerzen, Fieber, Abgeschlagenheit begleitet werden, kann eine Mittelohr- oder Gehörgangsentzündung verantwortlich sein. Der erkrankte Teil des Ohres ist dann häufig auch gerötet, geschwollen und überwärmt. Manchmal sieht allerdings nur der Arzt bei der Untersuchung solche Entzündungszeichen. Zudem kann (eitriger) Ausfluss aus dem Ohr kommen.

Ohrenschmerzen

Ohrenschmerzen – Ursachen, Diagnose, Therapie

Schmerzen im oder am Ohr weisen oft auf eine Ohrerkrankung hin, etwa eine Mittelohrentzündung. Es gibt aber noch mehr Ursachen für Ohrenschmerzen. Wie der Arzt vorgeht und was Sie selbst tun können

Ein überlauter Knall oder eine Explosion können das Hörorgan unmittelbar schädigen. Ein Knall- oder Explosionstrauma ruft einen stechenden Ohrschmerz mit plötzlicher Hörminderung bis hin zur Taubheit hervor.

Menschen, die über längere Zeitspannen Lärm ausgesetzt sind, und das ohne ausreichenden Schutz und notwendige Pausen, entwickeln oft eine Lärmschwerhörigkeit. Sie setzt meist schleichend ein und kann mit Tinnitus verbunden sein. Lärmschwerhörigkeit führt die Liste der anerkannten Berufskrankheiten in Deutschland an.

Eine Alterschwerhörigkeit stellt sich in der Regel ebenfalls langsam ein. Im Laufe mehrerer Jahre lässt das Hörvermögen stetig nach. Oft fällt es Angehörigen und Freunden zuerst auf, dass der Betroffene anfängt, schlechter zu hören.

Bei einigen Krankheiten, wie typischerweise bei der Menière-Krankheit, ist neben dem Hörorgan im Innenohr  auch das benachbarte Gleichgewichtsorgan mit angegriffen. Die Erkrankten leiden dann nicht nur unter Schwerhörigkeit, sondern auch unter Schwindel und Ohrgeräuschen.

Hörprobleme: Wann zum Arzt?

Wenn Sie plötzlich auf einem Ohr schlechter oder gar nichts mehr hören, sich wie betäubt fühlen, dazu Ohrgeräusche, ein Druckgefühl im Ohr und eventuell auch Schwindel verspüren, können das Symptome für einen Hörsturz sein. Gehen Sie bei plötzlichen Hörstörungen gleich zu einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder in eine Klinik. Das gilt auch für stechende Schmerzen, Hörprobleme und Tinnitus, die nach einem lauten Knall (Silvesterknaller, Feuerwerk) oder einer Explosion (Sprengarbeiten und ähnliches) im Ohr auftreten. Eine akute Lärmschwerhörigkeit benötigt sofortige Therapie.

Wenden Sie sich immer an Ihren Hausarzt beziehungsweise an einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt, wenn Sie den Eindruck haben, schlechter zu hören oder zu verstehen, auch wenn keine anderen Beschwerden dazukommen. Mit gezielten Hörtests und Untersuchungen kann der Arzt Ursache und Form der Hörstörung feststellen und die notwendige Therapie einleiten (siehe Kapitel "Diagnose").

Überblick: Mögliche Ursachen von Schwerhörigkeit

Schallleitungsschwerhörigkeit (Außen- und Mittelohr)

Außenohr

(Mehr dazu im Kapitel "Außenohrschäden")

Mittelohr

(Mehr dazu im Kapitel "Mittelohrschäden")

Schallempfindungsschwerhörigkeit (Innenohr, Hörnerv, Nervenbahnen im Gehirn)

Innenohr

  • Hörsturz
  • Lärmschwerhörigkeit
  • Akute Lärmschäden (Knall- und Explosionstrauma)
  • Altersschwerhörigkeit
  • Erbliche Fehlbildungen
  • Infektionen wie Masern, Mumps, Gehirnhautentzündungen
  • Übergreifen chronischer Mittelohrentzündungen
  • Innenohrentzündung (Labyrinthitis)
  • Menière-Krankheit

(Mehr dazu im Kapitel "Innenohrschäden")

Medikamente, Giftstoffe, Alkohol

(Mehr dazu im Kapitel "Medikamente & Co")

Kreislauf, Herz, Stoffwechsel, Halswirbelsäule

  • Durchblutungsstörungen im Innenohr (Vertebralis-Basilaris-Insuffizienz, basiliäre Migräne)
  • Weitere Durchblutungsprobleme (Arteriosklerose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Blutarmut)
  • Stoffwechselerkrankungen (Diabetes, erhöhte Blutfettwerte, Mineralstoffmangel)
  • Autoimmunerkrankungen wie die Wegener Granulomatose (Granulomatose mit Polyangiitis)
  • Schäden an der Halswirbelsäule

(Mehr dazu im Kapitel "Kreislauf, Herz, Stoffwechsel")

Hörnerv und Nervenbahnen im Gehirn

(Mehr dazu im Kapitel "Nervenschäden")

Zu den Ursachen beider Formen von Schwerhörigkeit gehören häufig auch Verletzungen im Kopfbereich, durch die Anteile des Ohres oder zuständige Nerven- und Gehirnabschnitte mit geschädigt werden. Darauf wird jedoch in diesem Beitrag nicht weiter eingegangen, ebenfalls nicht auf Schwerhörigkeit bei Kindern.

Schwerhörigkeit: Wie behandeln?

Die Therapie richtet sich nach der Ursache und der Art der Schwerhörigkeit. Bestehende Grunderkrankungen erfordern eine angepasste Therapie. Häufig erholt sich das Ohr dann auch wieder. Mitunter sind Operationen angezeigt.

Bei chronischen Hörproblemen gleichen unterschiedliche Hörgeräte die Beeinträchtigung oft gut aus. Manchmal können Implantate die Hörfunktion teilweise ersetzen (siehe dazu Kapitel "Therapie und Selbsthilfe").

Schwerhörigkeit ist nicht immer ein unvermeidbares Schicksal. Auch im Alter hören viele Menschen noch sehr gut, während zunehmend mehr junge Menschen Probleme mit dem Hören haben. Übermäßiger Lärm spielt hier eine entscheidende Rolle. Deshalb ist es wichtig, Gehörschäden vorzubeugen und sorgsam mit diesem empfindsamen Sinnesorgan umzugehen (siehe ebenfalls Kapitel "Therapie und Selbsthilfe").

Die folgenden Kapitel geben Ihnen einen Überblick darüber, wie unser Gehör funktioniert und wie der Arzt Ohren und Hörfähigkeit untersucht. Es folgen Informationen zu den wichtigsten Ursachen im Außen- und Mittelohr, im Innenohr sowie im Gehirn. Im letzten Kapitel finden Sie hilfreiche Tipps, wie Sie Ihr Gehör schützen oder wie Sie mit Ihrer Schwerhörigkeit im Alltag umgehen können.

Fachliteratur für diesen Ratgeber

Behrbohm H, Kaschke O, Nawka T: Kurzlehrbuch Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. 2. Auflage, Stuttgart, Georg Thieme Verlag 2012
Probst R, Grevers G, Iro H: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. 3. Auflage, Stuttgart Georg Thieme Verlag 2008
Herold G et al.: Innere Medizin, Köln, Gerd Herold 2014
Mattle H, Mumenthaler M: Neurologie. 13. Auflage, Stuttgart,Georg Thieme Verlag 2013
Klinke R, Pape H-Ch, Kurtz A et al.: Physiologie. 6. Auflage, Stuttgart, Georg Thieme Verlag 2010
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie: Hörsturz (Akuter idiopathischer sensorineuraler Hörverlust). Leitlinie 01/2014, awmf-Register-Nr. 017/010. Online: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/017-010.html (Abgerufen am 18.03.2014)

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Weltgesundheitsorganisation, Regionalbüro Europa, 2018: Leitlinien für Umgebungslärm für die europäische Region; Zusammenfassung. Online:
http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0011/383924/noise-guidelines-exec-sum-ger.pdf?ua=1 (Abgerufen am 15.10.2018)

Fachredaktion: Dr. med. Claudia Osthoff

Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.

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