Schlaganfall (Apoplex)
Definition: Was ist ein Schlaganfall?
Ein Schlaganfall ist eine mehr als 24 Stunden gestörte Funktion des Gehirns durch eine verminderte Durchblutung eines Hirnbereichs oder einer Hirnblutung.
Für beide Formen des Schlaganfalls gilt: Die grauen Zellen in einem bestimmten Gehirnbereich erhalten nicht mehr ausreichend Sauerstoff und Nährstoffe. Sie drohen daher abzusterben. Je nachdem wie stark und wie lange die Durchblutung beeinträchtigt ist, kann das betroffene Gehirnareal seine Aufgabe entweder vorläufig oder dauerhaft nicht mehr erfüllen. Die sicht- oder spürbaren Folgen der beeinträchtigten Gehirnfunktion können zum Beispiel Probleme beim Sprechen, Lähmungen oder Gefühlsstörungen von Gliedmaßen, ein hängender Mundwinkel oder Sehstörungen sein.
Verschwinden diese Ausfälle sehr rasch oder zumindest innerhalb von 24 Stunden wieder, sprechen Mediziner und Medizinerinnen von einer vorübergehenden (transitorischen) ischämischen Attacke (TIA). Umgangssprachlich sagen manche dazu auch „Mini-Schlaganfall“, obwohl das ja nicht zutreffend ist. Man sollte auf jeden Fall beim Auftreten von Schlaganfallsymptomen nicht abwarten, sondern umgehend die 112 anrufen: Denn das Risiko für einen Schlaganfall ist nach einer TIA deutlich erhöht. Eine TIA kann also ein Vorzeichen für einen drohenden Schlaganfall sein beziehungsweise ihn ankündigen. Um Schlimmeres möglichst zu vermeiden, sollten sich die betroffenen Personen daher rasch in ärztliche Behandlung begeben.
Erste Hilfe bei einem Schlaganfall
Ein Schlaganfall kann tödlich sein und jede Minute zählt.
Nach dem Eintreffen wird sich der Rettungsdienst um den Patienten oder die Patientin kümmern und ihn oder sie - falls sich der Verdacht auf einen Schlaganfall bestätigt - in die Klinik transportieren. Mehr über die weitere Behandlung lesen Sie unter "Therapie".
Risikofaktoren
Alter oder genetische Anlagen können wir nicht beeinflussen. Doch auch verschiedene andere Faktoren begünstigen die Entstehung eines Schlaganfalls. Hier kann man aktiv gegensteuern und durch einen gesunden Lebensstil sowie Behandlung anderer Erkrankungen das Risiko senken. Wer mehrere Risikofaktoren aufweist (zum Beispiel Rauchen, hoher Blutdruck und Bewegungsmangel), ist besonders gefährdet.
Einige Risikofaktoren für einen Schlaganfall:
- Alter: Mehr als 80 Prozent der Schlaganfallopfer sind älter als 60 Jahre.
- Genetische Veranlagung
- Diabetes mellitus, Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte und Rauchen begünstigen eine Arteriosklerose
- Herzkrankheiten, insbesondere Vorhofflimmern und Herzklappenerkrankungen: Hier kann es passieren, dass das Blut nicht in idealer Weise durch das Herz strömt, dadurch können sich Blutgerinnsel bilden. Diese können in die Gehirngefäße geschwemmt werden und dort zum Gefäßverschluss (Embolie) und damit zum Schlaganfall führen.
- Übergewicht und mangelnde Bewegung
- zu hoher Alkoholkonsum
Ursachen
Unser Gehirn muss konstant mit Blut versorgt werden, denn nur so erhält es Sauerstoff und Nährstoffe. Fehlt die Durchblutung, stört das bereits nach kürzester Zeit die Funktion der Nervenzellen im betroffenen Hirnbereich und kann zu ihrem Absterben führen. Wie dramatisch ein Schlaganfall verläuft, hängt somit von der Dauer der Unterversorgung sowie von Umfang und Lage des betroffenen Gehirnbereichs ab.
Zwei Mechanismen kommen bei einem Schlaganfall als Ursache in Frage:
1) Mangelnde Durchblutung (ischämischer oder weißer Schlaganfall, Hirninfarkt)
2) Eine Blutung im Gehirn (blutiger, hämorrhagischer oder roter Schlaganfall)
1) Mangelnde Durchblutung: Ischämischer Schlaganfall
In etwa 80 Prozent der Fälle ist die Ursache für den Schlaganfall ein verstopftes Gefäß. Die Ursache des verstopften Gefäßes wiederum ist häufig eine Arteriosklerose (Verkalkung der Gefäße).
Denn gefäßschädigende Prozesse können alle Bereiche des Körpers betreffen – auch die Schlagadern, die zum Gehirn führen oder im Gehirn liegen. Wenn eines dieser Gefäße zu eng wird, kann es passieren, dass die dahinter liegenden Gehirngebiete nicht mehr richtig durchblutet werden. Besonders oft betrifft das die sogenannten "Endstromgebiete", die sehr weit vom Herzen entfernt liegen und wo es keine doppelte Gefäßversorgung durch verschiedene Arterien gibt.
Aber auch die Einschwemmung eines Blutgerinnsels kommt als Ursache für einen Schlaganfall in Betracht (Embolie). Sie kann zu einer plötzlichen Verstopfung von Blutgefäßen führen. Eine Embolie entsteht, wenn ein Blutpfropfen (Embolus) aus anderen Teilen des Körpers vom Blutstrom mitgerissen wird und in den kleineren Gefäßverästelungen stecken bleibt. Eine sehr häufige Quelle für diese Blutgerinnsel ist das Herz. Vor allem bei Vorhofflimmern, einer Herzrhythmusstörung mit sehr rasch schlagendem linken Herzvorhof, bilden sich Blutgerinnsel, die ins Gehirn gespült werden können.
2) Blutung im Gehirn: Hämorrhagischer Schlaganfall
Beim hämorrhagischen Schlaganfall blutet es aus einem gerissenen Gefäß in das Hirngewebe ein. Die Blutung fordert Raum, aber um das Gehirn herum befindet sich der knöcherne Schädel. So können nicht nur die Zellen in der Umgebung sondern unter Umständen auch lebenswichtige Zentren des Gehirns, zum Beispiel die für die Regulation von Atmung und Herzschlag zuständigen Bereiche, "gequetscht" und beeinträchtigt werden. Außerdem erhalten die Gehirnzellen, die von dem gerissenem Gefäß mit Blut versorgt werden sollten, nicht mehr ausreichend Sauerstoff und Nährstoffe.
Ein Teil der Schlaganfälle wird durch eine spezielle Form der Blutung, die Subarachnoidalblutung (SAB) verursacht. Unser Gehirn wird von einer dünnen Haut, der sogenannten Spinnwebhaut (Arachnoidea) umhüllt. Im Raum zwischen Spinnwebhaut und Gehirn, dem Subarachnoidalraum, befindet sich eine Flüssigkeit, das Hirnwasser. Es polstert das Gehirn vor Stößen ab. Auch die das Hirn versorgenden Blutgefäße liegen hier. Manche Menschen haben sackartige Ausbuchtungen dieser Gefäße (Aneurysmen), die manchmal bereits angeboren sein können. Häufiger entstehen sie im Laufe der Jahre durch den schädigenden Einfluss des Rauchens und durch erhöhten Blutdrucks. Wenn Aneurysmen platzen, gelangt Blut in den Subarachnoidalraum und drückt von außen auf das Gehirn. Solch eine Subarachnoidalblutung führt zu plötzlich einsetzenden, heftigsten Kopfschmerzen (Vernichtungskopfschmerz) und ist eine schwere Erkrankung, die in einem spezialisierten Zentrum behandelt werden muss.
Symptome eines Schlaganfalls
Anzeichen eines Schlaganfalls können zum Beispiel sein:
- plötzliche einseitige Lähmung (Hemiparese) oder Kraftminderung ohne andere Ursache, insbesondere im Arm und/oder Bein
- einseitiges Taubheitsgefühl in Arm, Bein, im Gesichtsbereich (taubes, pelziges oder kribbeliges Gefühl),
- einseitig herabhängender Mundwinkel, Lähmung einer Gesichtshälfte
- Sehstörungen (verschwommenes, doppeltes oder eingeschränktes Sehen) bis hin zur vorübergehenden Erblindung
- Sprechstörungen (undeutliches Sprechen, Wiederholungen von Wörtern oder Silben, lange Pausen) bis hin zum Verlust des Sprachvermögens
- Verminderte Ausdrucksfähigkeit (der Betroffene kann nicht mehr benennen, was er möchte oder äußert sich sinnlos)
- Verständnisstörungen (Anweisungen werden nicht oder falsch umgesetzt)
- Plötzlich auftretende Gleichgewichtsstörungen und Schwindel
- Bewusstlosigkeit
- Starke Kopfschmerzen (setzen schlagartig ein und sind kaum zu ertragen: typisch bei einer Gehirnblutung)
Diagnose
Der Rettungsdienst mit Notarzt oder Notärztin kümmert sich nach seinem Eintreffen um die erste Versorgung des Patienten oder der Patientin. Dazu gehören die Sicherstellung von Puls und Atmung. Unter anderem werden Blutdruck, Häufigkeit des Herzschlages und der Blutzucker gemessen. Die betroffene Person und die Angehörigen beziehungsweise andere Anwesende werden zur Krankengeschichte des Schlaganfallpatienten oder der -patientin, zu Symptomen und Risikofaktoren befragt.
Es ist hilfreich, wenn das Auftreten der ersten Krankheitszeichen mit einer möglichst genauen Uhrzeit angegeben werden kann. Eine orientierende körperliche Untersuchung ermittelt Lähmungen, Bewusstseinsstörungen, Sprachvermögen sowie Sprachverständnis und Gefühlsstörungen.
Der Patient oder die Patientin erhält gegebenenfalls Sauerstoff, wenn er oder sie bewusstlos sein sollte auch über einen Schlauch in die Luftröhre (Intubation) der von einem Notarzt oder einer Notärztin legt wird. Üblicherweise bekommt er oder sie zudem einen Zugang in die Vene gelegt, über den Flüssigkeit und Medikamente gegeben werden können. Der Rettungsdienst transportiert den Patienten oder die Patientin dann rasch in ein Krankenhaus, das - wenn möglich - eine auf Schlaganfälle spezialisierte Abteilung (Stroke Unit) haben sollte. In der Regel sollte auch eine etwas längere Anfahrtszeit in Kauf genommen werden, um eine spezialisierte Versorgung auf einer Stroke Unit zu ermöglichen.
Im Krankenhaus liefern die Ergebnisse der Tests der Nervenfunktionen Anhaltspunkte dafür, welche Teile des Gehirns vom Schlaganfall betroffen sind und wie stark die Schädigung ist. Eine Blutabnahme und -untersuchung informiert unter anderem über Blutbild, Blutgerinnung, Entzündungswerte sowie Risikofaktoren wie erhöhte Cholesterin- oder Blutzuckerwerte.
Computertomografie, Magnetresonanz-Tomografie
Mittels bildgebender Verfahren wie der Computertomografie (CT) oder Magnetresonanz-Tomografie (MRT) wird das Gehirn des Patienten oder der Patientin genau untersucht. Vor allem wird geklärt, ob ein ischämischer oder hämorrhagischer Schlaganfall vorliegt – also eine Durchblutungsstörung oder eine Hirnblutung (siehe Ursachen). Außerdem können die Hirngefäße mittels einer sogenannten CT-Angiografie dargestellt werden, um Verstopfungen zu erkennen. Da eine Durchblutungsstörung im normalen CT erst nach Stunden nachweisbar sein kann, erfolgt gegebenenfalls auch eine spezielle Untersuchung der Hirndurchblutung mittels Kontrastmittel (CT-Perfusion). Zur genaueren Abklärung oder bei Verwendung bestimmter Techniken – auch als Ersatz für ein CT – kann eine Magnetresonanztomografie (MRT, auch: Kernspintomografie) erfolgen. Hier sind Schäden durch eine Minderdurchblutung bereits früher als im CT zu erkennen.
Ultraschall der Halsgefäße und weitere Diagnostik
Eine spezielle Art des Ultraschalls, die Duplex-Sonografie, zeigt auch, ob und wie stark die hirnversorgenden Blutgefäße von Arteriosklerose ("Gefäßverkalkung"), Verengung und Thrombose betroffen sind. Dies hilft bei der Ermittlung der Ursachen des Schlaganfalls. Zum Beispiel werden die Halsschlagadern so auf ihre Durchlässigkeit überprüft. Alternativ ist auch eine Darstellung der Gefäße mit Kontrastmittel im CT oder MRT möglich (siehe oben).
Um Herzrhythmusstörungen festzustellen, wird ein Elektrokardiogramm (EKG) geschrieben. Mittels einer Ultraschalluntersuchung über die Brustkorboberfläche oder über die Speiseröhre (Schluckecho) können beim Verdacht auf eine Herzerkrankung nähere Details ermittelt werden. So lassen sich zum Beispiel Blutgerinnsel in den Vorhöfen nachweisen.
Behandlung eines Schlaganfalls
In der Notfalltherapie geht es darum, das Leben des Patienten oder der Patientin zu erhalten und sein Gehirn zu schützen. Danach zielt die Behandlung auf ein weitestmögliches Wiederherstellen der durch den Schlaganfall beeinträchtigten Funktionen ab, wofür zudem meist eine Rehabilitation angeschlossen wird.
Behandlung eines ischämischen Schlaganfalls
Bei einem ischämischen Schlaganfall geht es darum, die Durchblutung des betroffenen Gehirnbereichs – falls möglich – so rasch wie es geht, wiederherzustellen. Das Mittel der Wahl ist dabei oft die sogenannte systemische Thrombolyse - auch kurz Lyse genannt.
Dabei bekommt der Patient oder die Patientin ein blutgerinnselauflösendes Mittel über die Vene verabreicht. Das Zeitfenster dafür ist eng: die Therapie mithilfe der blutgerinnselauflösenden sogenannten systemischen Thrombolyse mit rtPA sollte möglichst innerhalb von viereinhalb Stunden nach Auftreten der ersten Schlaganfallsymptome beginnen. Neuere Studien zeigen, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Thrombolyse möglich ist. Dies festzustellen, ist Aufgabe der Stroke Unit.
Eine möglichst rasche Wiedereröffnung des verstopften Gefäßes trägt dazu bei, Todesfälle zu reduzieren und die Behinderungen durch den Schlaganfall möglichst gering zu halten. Allerdings geht sie mit einem gewissen Risiko für Hirnblutungen einher und ist zum Beispiel aufgrund bestimmter Vorerkrankungen oder der Einnahme gerinnungshemmender Medikamente nicht für jede Person geeignet.
Bei bestimmten Formen des ischämischen Schlaganfalls – wenn ein sehr großes Hirngefäß verstopft ist – kommt auch eine weitere, neue Behandlungsmethode, die mechanische Thrombektomie, infrage. Dabei verwenden die Ärzte oder Ärztinnen einen sehr dünnen Katheter, der an die Stelle des Gefäßverschlusses geführt wird. Mit dem Katheter wird das Blutgerinnsel dann mechanisch entfernt und abgesaugt. Die Thrombektomie kommt üblicherweise ergänzend zur Lyse-Therapie zum Einsatz – sofern nichts gegen diese spricht. Sie sollte innerhalb von sechs Stunden nach Beginn der Symptome erfolgen; in manchen Fällen ist auch ein späterer Beginn noch sinnvoll.
Die Thrombektomie ist eine komplizierte und aufwändige Methode, die nur von erfahrenen Spezialisten und Spezialistinnen durchgeführt werden kann und daher nur in größeren Zentren angeboten wird. Patienten und Patientinnen, die für das Verfahren infrage kommen, können nach Beginn der Lysetherapie in ein entsprechendes Zentrum verlegt werden. Eine Thrombektomie kommt bei etwa zehn Prozent der Schlaganfallpatienten in Frage.
Behandlung eines hämorrhagischen Schlaganfalls
Bei einer Blutung stehen zwei Dinge im Vordergrund: Die Gefahr einer fortdauernden Blutung zu reduzieren und negative Auswirkungen durch die Blutung zu vermeiden.
Denn tritt Blut aus den Gefäßen in das Hirngewebe aus, so verdrängt das entstehende Blutgerinnsel das umliegende Gewebe und durch den daraus entstehenden Druck können noch gesunde Gehirnteile geschädigt werden. Dies kann zu einer lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Patienten oder der Patientin führen.
Selten kann es bei größeren Blutungen nötig sein, das Blut mittels einer Operation zu beseitigen. Gegebenenfalls muss ein dünner Schlauch in das Hirnkammersystem gelegt werden, um das Blut abzuleiten und den Druck auf das Gehirn zu reduzieren sowie dem Hirngewebe Platz zu schaffen.
Handelt es sich um eine Blutung aus einem Aneurysma, so muss das Aneurysma entweder durch einen Clip oder durch mittels eines Katheters eingebrachte Platinspiralen (sogenannte Coils) verschlossen werden. Ist eine Blutung durch zur hohen Blutdruck bedingt, gilt es, diesen zu senken.
Rehabilitation
Mit der akuten Behandlung eines Schlaganfalls ist es nicht getan. Um weiteren Schlaganfällen vorzubeugen, werden die bestehenden Risikofaktoren des Patienten oder der Patientin analysiert und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen festgelegt. Dazu kann zum Beispiel eine Behandlung mit Gerinnungshemmern, eine Therapie eines bestehenden Bluthochdrucks mit Medikamenten, eine medikamentöse Senkung der Blutfettwerte, aber auch eine Änderung des Lebensstils gehören. Die jeweils notwendigen Maßnahmen werden im Einzelfall festgelegt.
Darüberhinaus gilt es, den Patienten oder die Patientin wieder für den Alltag fit zu machen. Dabei kann in vielen Fällen eine Rehabilitation helfen. Entscheidend für den Erfolg ist der frühzeitige Beginn entsprechender Maßnahmen. Bereits auf der Stroke Unit wird mit einer Frührehabilitation, bestehend aus Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie, begonnen. Dann wird geprüft, ob eine und welche Art der Rehabilitation benötigt wird, um nach der Akutbehandlung die Rückbildung der Schlaganfallsymptome zu gewährleisten.
Häufig besteht das Rehabilitationsprogramm aus einer Kombination verschiedener Verfahren. Alte Fähigkeiten können wieder erlernt werden, indem gesunde Gehirnanteile die Funktion der kranken übernehmen. Im besten Fall gelingt sogar eine völlige Wiederherstellung. Die vom Schlaganfall betroffene Seite sollte so weit wie möglich trainiert werden, um die dort verbliebenen Fähigkeiten nicht verkümmern zu lassen. Muskeln und Gelenke brauchen Bewegung, um in Form zu bleiben und vielleicht ihre alte Funktion wiederzuerlangen.
Physiotherapie: Mobiler und beweglicher werden
Physiotherapeuten und -therapeutinnen sind im weitesten Sinne für den Bewegungsapparat zuständig. Muskelaufbau, Körperhaltung, Bewegungsabläufe, Koordination, Körperwahrnehmung und Gleichgewichtssinn können durch eine Vielzahl von Übungen und Behandlungen intensiv angeregt und trainiert werden. Dadurch können Lähmungen und Fehlhaltungen verbessert und beseitigt werden. Dies trägt dazu bei, die Gefahr von Folgekrankheiten (zum Beispiel Muskelverkrampfungen, Gelenkschmerzen, Haltungsschäden) zur verringern. Physiotherapie kann auch helfen, Patienten und Patientinnen wieder mobiler und selbständiger zu machen.
Logopädie: Training für die Sprache
Bei vielen Patienten und Patientinnen verursacht der Schlaganfall eine Störung der Sprache. Mit ersten Sprechübungen beginnen Logopädinnen und Logopäden bereits, sobald der Patient oder die Patientin ansprechbar ist. Besonders wichtig ist das Erkennen von Schluckstörungen und deren konsequente Behandlung durch Logopädinnen und Logopäden. Dies hilft, Lugenentzündungen vorzubeugen, die dadurch entstehen, dass Speichel und Nahrungsreste beim Verschlucken in die Luftröhre gelangen. Um Schluckstörungen genau zu untersuchen, wird der Schluckakt gelegentlich mit einem speziellen Untersuchungsinstrument in Form eines flexiblen Schlauches mit einer Optik (Endoskop) betrachtet (sogenannte fiberendoskopische Schluckuntersuchung – FEES).
Ergotherapie: Den Alltag meistern
Ergotherapeutinnen und -therapeuten unterstützen den Patienten oder die Patientin dabei, sich im Alltag wieder zurechtzufinden. Der oder die Betroffene lernt, trotz seiner oder ihrer Einschränkungen ein möglichst selbständiges Leben zu führen. Unter Berücksichtigung von Wohnsituation und Umfeld des Patienten oder der Patientin kann mit einem Ergotherapeuten zum Beispiel die Handhabung bestimmter Hilfsmittel trainiert werden. Ziel ist, dass der Patient oder die Patientin am Ende möglichst viele seiner oder ihrer Alltagsverrichtungen wieder so weit wie möglich selbständig vornehmen kann.
Neuropsychologisches Training: Bei komplexen Störungen wichtig
Viele Patienten und Patientinnen erleiden komplexe Störungen, die die Neurologen während der Akut- und Rehabilitationsphase genau analysieren. Hierzu gehören neben den verschiedenen Formen der Sprach- und Sprechstörung zum Beispiel eine Störung des Gesichtsfeldes (der Patient oder die Patientin sieht nicht, was sich im linken oder rechten Gesichtsfeld abspielt), ein sogenannter Neglekt (Vernachlässigung einer Körperhälfte, oft mit einem fehlenden Krankheitsbewusstsein einhergehend) oder Störungen von Handlungsabläufen (Apraxie). Diese Störungen müssen oftmals auch nach einer stationären Rehabilitation noch ambulant weiterbehandelt werden.
Weitere Therapieformen
Es gibt eine Fülle von weiteren Therapien, die manchmal nur zum Teil anerkannt sind. Sprechen Sie mit Ihren Ärzten und Ärztinnen, Therapeutinnen und Therapeuten, welche zusätzliche Unterstützung für Sie sinnvoll sein kann. Klären Sie gegebenenfalls auch mit der Krankenkasse, ob sie die Kosten übernimmt oder sich zumindest daran beteiligt. Folgende Behandlungsformen können bei manchen Patienten und Patientinnen nach einem Schlaganfall eingesetzt werden:
- Forced Use Therapie (“Therapie des erzwungenen Gebrauchs“), bei der die gesunde Gliedmaße fixiert wird und der Patient oder die Patientin damit genötigt ist, die beeinträchtigte Seite intensiv einzusetzen und zu beüben
- Spiegeltherapie: Dabei verdeckt ein Spiegel die beeinträchtigte Körperhälfte. Der Patient oder die Patientin führt nun Übungen aus und betrachtet sich dabei im Spiegel. Dies erzeugt für sein Gehirn den Eindruck, die beeinträchtigte Seite bewege sich wie die gesunde.
- Biofeedback-Training
- Künstlerische Therapien wie Musiktherapie
- Gesprächs- oder Verhaltenstherapie können helfen, mit den Anforderungen und Ängsten, die durch den Schlaganfall entstanden sind, zurechtzukommen.
Tipps für Betroffene
Machen Sie so viel wie möglich selbst. Lassen Sie sich nicht durch Rückschläge entmutigen. Suchen Sie sich zudem Unterstützung in den Bereichen, die sie selbst nicht mehr oder noch nicht wieder leisten können.
Hier einige Tipps für den Alltag:
- Trainieren Sie Ihre Gesichtsmuskeln vor dem Spiegel: Blasen Sie die Backen auf, schieben Sie die Luft von einer Wange in die andere, strecken Sie die Zunge heraus, zeigen Sie die Zähne, lächeln Sie, lachen Sie, ziehen Sie einen Schmollmund, runzeln Sie die Stirn.
- Helfen Sie sich beim Essen gegebenenfalls mit Tricks: Verzichten sie auf Tischtücher und bringen sie Gumminoppen an der Unterseite von widerspenstigen Gegenständen an. Beim Trinken helfen manchmal Schnabeltassen. Griffverdickungen vereinfachen das Essen.
- Einfachere Körperpflege: Mit einem Badehocker in der Duschkabine können Sie sich beim Duschen setzen. Zum Abtrocknen des Körpers kann auch ein saugfähiger Frotteebademantel angezogen werden.
- Ziehen Sie immer zuerst die kranke Seite an. Beim Ausziehen ist es umgekehrt: hier kommt zuerst die gesunde Seite dran. Ihre Schuhe sollten weit zu öffnen sein. Ein Klettverschluss ist am praktischsten. Vorsicht: In Schuhen mit Gummisohlen stolpert man leicht.
- Auch Teppiche sind eine Stolpergefahr. In der Wohnung sollte möglichst nichts im Weg stehen.
- Mobil trotz Schlaganfall? Ob und wann Sie nach einem Schlaganfall wieder Auto fahren dürfen, sollten Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin abklären. Lassen Sie Ihren Wagen gegebenenfalls entsprechend umrüsten.
Betreuung zu Hause
Die Rückkehr nach Hause will gut geplant sein, wenn Einschränkungen durch den Schlaganfall zurückgeblieben sind. Hilfe bei der Planung und Organisation bietet zum Beispiel der Sozialdienst im Krankenhaus beziehungsweise der Rehabilitationsklinik. Bitten Sie gegebenenfalls auch Angehörige und Freunde sowie Freundinnen um Mithilfe. Viele Ergotherapeuten und -therapeutinnen oder auch die Krankenkassen bieten Unterstützung bei der behindertengerechten Gestaltung der Wohnung an. Oft ist es hilfreich, die Aufgaben eindeutig auf verschiedenen Personen zu verteilen. So wird keine überlastet und jeder weiß genau, worum er sich kümmern soll.
Tipps für Angehörige
Auch für Angehörige von Schlaganfallpatienten und -patientinnen bedeutet die Krankheit oft eine drastische Veränderung. Die vertraute Person ist vielleicht plötzlich körperlich stark eingeschränkt, kann sich nicht mehr so gut ausdrücken oder hat sich eventuell auch charakterlich verändert. Schlagartig ist alles anders.
- Helfen Sie dem Patienten oder der Patientin durch Geduld, Unterstützung und Ermutigung.
- Sprechen Sie viel mit ihm oder ihr – und zwar wie mit einem Erwachsenen. Der Verlust der Sprache bedeutet nicht, dass der Verstand ebenfalls gelitten hat!
- Nehmen Sie dem Patienten oder der Patientin nicht jeden Handgriff ab – nur durch unermüdliches Üben können die verlorenen Fähigkeiten wieder hergestellt werden. Überbehütung und übertriebenes Umsorgen können hinderlich sein. Viel wichtiger ist, dass der Patient oder die Patientin spürt, dass er probieren und auch scheitern darf.
- Denken Sie auch an sich! Ihr vom Schlaganfall betroffener Angehöriger oder die Angehörige braucht einen gesunden und belastbaren Partner oder eine Partnerin - nehmen Sie beispielsweise Kontakt zu einer Schlaganfall-Selbsthilfegruppe auf!
Die Anforderungen an die pflegenden Personen sind hoch. Seien Sie auch mit sich selbst nachsichtig und versuchen Sie, sich immer wieder Zeit für sich selbst zu nehmen. Binden Sie andere Angehörige, Freundinnen oder Freunde ein, die Sie entlasten. Mehrere Schultern können körperliche und seelische Belastungen besser tragen. Scheuen Sie sich nicht, selbst Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sie welche benötigen – ob im Haushalt oder therapeutische Unterstützung. Eine wichtige Funktion haben hier Schlaganfall-Selbsthilfegruppen, die in allen größeren Städten und Gemeinden Hilfe anbieten und eine Anlaufstelle darstellen. Weitere Informationen stellt die Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe zur Verfügung (www.schlaganfall-hilfe.de – www.apotheken-umschau.de ist nicht verantwortlich und übernimmt keine Haftung für Inhalte externer Internetseiten).
Krankenhäuser, kirchliche Verbände, Kranken- oder Pflegekassen bieten übrigens teilweise Kurse für pflegende Laien an. Denn: Je mehr Pflegende über Pflegepraxis wissen, desto leichter fallen ihnen die verschiedenen Aufgaben und desto besser wird der Patient oder die Patientin versorgt.
Einem Schlaganfall vorbeugen
Sie gehören zur Risikogruppe oder hatten bereits einen Schlaganfall? Dann ist es höchste Zeit, Risikofaktoren anzugehen!
- Gegen Bluthochdruck, Übergewicht und erhöhte Blutfettwerte sollten Sie Maßnahmen treffen. Dazu ist meist eine Lebensumstellung mit gesunder Ernährung und regelmäßiger Bewegung nötig. Ihr Arzt oder Ihre Ärtzin berät Sie zu den für Sie individuell notwendigen Schritten und verordnet - falls notwendig - geeignete Medikamente.
- Geben Sie das Rauchen auf. Fünf Jahre nach der letzten Zigarette reduziert sich das Schlaganfall-Risiko auf das eines Nichtrauchers.
- Krankheiten, die das Schlaganfallrisiko erhöhen, sollten vom Arzt oder einer Ärztin behandelt und kontinuierlich überwacht werden. Medikamente werden zum Beispiel bei der Behandlung von Diabetes, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, zu hohem Cholesterin und Thromboseneigung eingesetzt. Wägen Sie mit Ihrem Arzt oder der Ärztin Nutzen und Risiko Ihrer Medikation ab und befolgen Sie konsequent dessen Ratschläge. Nehmen Sie die Medikamente regelmäßig wie verordnet ein - sie können Sie vor dem nächsten Schlaganfall schützen!
- Bewegen Sie sich regelmäßig! Wenn Sie unter chronischen Erkrankungen leiden, bereits einen Schlaganfall hatten oder längere Zeit keinen Sport getrieben haben, lassen Sie sich von Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin dazu beraten, wie viel Sie sich zumuten können.
- Wenn Ihnen Ihr Arzt oder Ihre Ärztin nach dem Schlaganfall Medikamente wie zum Beispiel Gerinnungshemmer oder Blutfettsenker verordnet hat, nehmen Sie diese gewissenhaft nach seinen Vorgaben ein.
- Vermeiden Sie hohen Alkoholkonsum.
Beratender Experte
Professor Dr. Joachim Röther ist Mitglied des erweiterten Vorstands der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft und Chefarzt der Neurologischen Abteilung der Asklepios Klinik Altona in Hamburg. Er studierte Humanmedizin an der Philipps-Universität Marburg und promovierte im Jahr 1989.
Auf eine Zeit als Assistenzarzt an verschiedenen Kliniken folgte von 1994 bis 1996 ein Auslandsaufenthalt als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Stanford University School of Medicine in Kalifornien. Von 1996 bis 2005 war Joachim Röther leitender Oberarzt und Vertreter des Direktors an der Neurologischen Universitätsklinik der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Universitätsklinik Hamburg Eppendorf. 1998 habilitierte er im Fach Neurologie.
Von 2005 bis 2010 war Joachim Röther Chefarzt der Neurologischen und der Geriatrischen Klinik in Minden und seit 2010 ist er Chefarzt der Neurologischen Abteilung der Asklepios Klinik Altona in Hamburg.