Tauchunfall (Dekompressionskrankheit)
Was versteht man unter einem Tauchunfall?
Tauchgänge allgemein können in drei Phasen eingeteilt werden: In die Phase des zunehmenden Druckes (Kompressionsphase, beim Abtauchen), in die Phase des gleichbleibenden Druckes (Isopressionsphase) und in die Phase des abnehmenden Druckes (Dekompressionsphase). Die Dekompressionsphase ist also die Phase, in welcher der Taucher zurück zur Wasseroberfläche aufsteigt.
In der Kompressionsphase treten vor allem die Barotraumen auf, bekannt sind hier das Mittelohr-Barotrauma und das Barotrauma der Nasennebenhöhlen, wenn dem Taucher kein angemessener Druckausgleich gelingt.
In der Dekompressionsphase können sowohl Barotraumen als auch die Dekompressionserkrankung auftreten. Bei den gefährlichen Barotraumen steht hier die akute Lungenüberdehnung im Vordergrund, diese kann auftreten, wenn mit eingeatmeter Pressluft aufgestiegen wird und nicht zeitgleich ausgeatmet wird. Dann dehnt sich die unter Überdruck befindliche Luft in der Lunge aus und kann diese gefährlich verletzen, hierbei kann auch Atemgas direkt in Blutgefäße eindringen und eine arterielle Gasembolie auslösen.
Die meisten dekompressionsbedingten Schäden hängen mit der Freisetzung der vormals unter Überdruck nach dem Henry´schen Gesetz in Blut und Gewebe gelösten sogenannten inerten Gase zusammen, bei Presslufttauchen ist dies der Stickstoff, bei größeren Tauchtiefen zählt auch Helium dazu. Übersteigt die Aufstiegsgeschwindigkeit des Tauchers die Fähigkeit des Körpers die nun wieder freigesetzten Mengen an Inertgas, meist Stickstoff, rechtzeitig aus dem Körper zu eliminieren, dann kann es vornehmlich im venösen Blut, in seltenen Fällen auch direkt im Gewebe zur Entstehung von Gasblasen kommen, die zunächst Herz und Lunge erreichen.
Leider gibt es in bestimmten Fällen für venöse Gasblasen auch die Möglichkeit, in das arterielle System überzuwechseln, was dann ebenfalls zu einer arteriellen Gasembolie führt, sehr häufig mit neurologischen Symptomen verbunden. So lassen sich dann im Einzelfall die schweren Folgen einer Dekompressionserkrankung nicht immer leicht von einem Barotrauma der Lunge unterscheiden, weil in beiden Fällen Gasblasen im arteriellen System für Schaden sorgen.
Die Häufigkeit eines Tauchunfalls wird mit circa ein bis zwei pro 10.000 Tauchgängen bei Sporttauchern und mit circa 9,5 pro 10.000 Tauchgängen bei Berufstauchern angegeben. Somit treten Tauchunfälle eher selten auf, können aber ernste Folgen haben. Daher sollte jeder Taucher mit typischen Beschwerden der sogenannten Dekompressionskrankheit (auch Caissonkrankheit oder umgangssprachlich Taucherkrankheit genannt) und der notwendigen Erstbehandlung vertraut sein. Taucher sollten außerdem über eine passende Notfallausrüstung und sichere Kommunikationsmittel (Handy, geeignete Telefonnummern) verfügen. Tiefenkontrolle und geschwindigkeitskontrolliertes Auftauchen sind zentrale Themen in der Tauchausbildung.
Eine Unterteilung beider Formen ist nicht immer möglich, da es vor allem bei schweren Tauchunfällen auch zu Mischformen kommen kann. Bei massiver Blasenbildung im venösen System ist ein Übertritt über sogenannte Shunts in der Lunge (siehe oben) ins arterielle System möglich. Ein offenes Foramen ovale, eine Öffnung an der Herzscheidewand zwischen dem rechten und dem linken Vorhof, kann den direkten Übertritt von venösem Blut in den arteriellen Blutkreislauf ermöglichen. Das Foramen ovale ist in der Embryonalphase von entscheidender Bedeutung, da beim Ungeborenen im Mutterleib die Lunge noch nicht enfaltet ist. Der Lungenkreislauf wird unter anderem über das Foramen ovale umgangen. Nach der Geburt verschließt sich normalerweise das Loch in der Vorhofscheidewand. Bei circa 30 Prozent der Bevölkerung unterbleibt dieser physiologische Verschluss aber.
Stickstoffblasen können aber auch direkt im Körpergewebe entstehen, beispielsweise im Rückenmark – und dort zu Problemen führen.
Dekompressionskrankheit (DCS): Was passiert im Körper?
Beim Tauchen mit Pressluft löst sich abhängig vom Tauchtiefe und Dauer des Tauchganges Stickstoff aus der Atemluft im Körpergewebe. Dies hängt von verschiedenen physikalischen Gesetzen ab, was dazu führt, dass es aufgrund des erhöhten Umgebungsdruckes zu einer erhöhten Löslichkeit der Gase kommt und sich somit mehr Gas im Blut und im Gewebe befindet. Wenn der Umgebungsdruck beim Auftauchen wieder abfällt, gibt das Gewebe den Stickstoff wieder ins Blut (Vene) ab. Bei einem regulären Tauchgang findet dieser Prozess ohne wesentliche relevante Gasblasenbildung statt, sodass der Taucher den Tauchgang ohne Probleme beenden kann. Das Blut wird von der Körperperipherie zur Lunge geleitet und der überschüssige Anteil des Gases wird wieder abgeatmet.
Gelangt nun zu schnell zu viel Stickstoff ins venöse Blutsystem, dann entstehen hieraus Gasbläschen, diese können einen Teil der peripheren Lungengefäße verstopfen und somit zu einer Lungenembolie führen. Aufgrund des Blutrückstaus von der Lunge zum Herzen kann es in seltenen Fällen zu einer Überlastung des Herzens und Herzrhythmusstörungen kommen.
Wenn nun durch Shuntverbindungen venöse Gasblasen in das arterielle Blutsystem übertreten können, dann droht die neurologische Dekompressionserkrankung.
Arterielle Gasembolie (AGE): Was passiert im Körper?
Zu einer arteriellen Gasembolie, also einer Ansammlung der Gasblasen im arteriellen Gefäßsystem, kommt es meist infolge eines sogenannten Barotraumas (siehe separater Kasten unten). Durch dieses Barotrauma kommt es zum Platzen von Lungenbläschen und dadurch zu einer Luftansammlung in der Pleurahöhle (zwischen den beiden Lungenblättern (Pleura), welche einerseits die Lunge, andererseits den Brustraum auskleiden). Dies nennt man einen Pneumothorax. Aufgrund der geplatzten Lungenbläschen kann es aber nicht nur zu einem Pneumothorax kommen, sondern auch zu einem Übertritt der Bläschen in das arterielle Blutsystem. Über die Arterien werden die Bläschen weitertransportiert - und je nach Stromgebiet - in die verschiedensten Gebiete im Körper verteilt. Hieraus ergibt sich die entsprechende Symptomatik. Werden die Gasblasen zum Beispiel ins Gehirn transportiert und führen hier zu einer arteriellen Gasembolie (Embolus = Gefäßpfropf), ähnelt die Symptomatik einem Schlaganfall mit Lähmungserscheinungen, Muskelschwäche oder Kreislaufproblemen bis hin zum Kreislaufstillstand. Auch Krampfanfälle können bei einer arteriellen Gasembolie im Gehirn auftreten.
Symptome: Welche Beschwerden können bei einem Tauchunfall auftreten?
Eine Dekompressionskrankheit kann mit unterschiedlichsten Symptomen einhergehen. Jegliche Beschwerden nach einem Tauchgang sollten daher auch an einen Tauchunfall mit Dekompressionskrankheit denken lassen. Die Symptome eines Tauchunfalls hängen wesentlich von der Verteilung der Gasblasen in den entsprechenden Regionen ab.
- Milde Symptome sind eine auffallende Müdigkeit oder Hautjucken (sogenannte Taucherflöhe).
- Schwere Symptome sind unter anderem Hautveränderungen (Marmorierung), Schmerzen, verschiedene Formen neurologischer Ausfälle (wie Gefühlsstörungen, Lähmungen, bis hin zu Störungen des Bewusstseins oder Bewusstlosigkeit) oder Atembeschwerden.
Manche Symptome treten auch erst mit einiger Verzögerung nach einem Tauchgang auf.
Therapie: Wie sieht die Behandlung nach einem Tauchunfall aus?
Bei milden Symptomen ist unter Umständen die Gabe von Sauerstoff ausreichend. In diesem Fall verschwinden die Beschwerden unter der Therapie innerhalb von 30 Minuten vollständig. Dennoch ist es ratsam, sich von einem Taucharzt beraten und gegebenenfalls behandeln zu lassen.
Bei schweren Symptomen oder wenn milde Symptome unter Sauerstoffatmung bestehen bleiben, ist in der Regel eine Behandlung in einer Überdruckkammer nötig. Vor einer Überdruckbehandlung steht immer eine eingehende Untersuchung des Tauchers. Sie dient dazu eventuelle Verletzungen aufzudecken, die vor einer Überdruckbehandlung versorgt werden müssen.
Je nach Beschwerden der Betroffenen ist zusätzlich zu der Druckkammerbehandlung noch eine symptomatische Behandlung in den entsprechenden Fachabteilungen nötig (zum Beispiel Neurologie, Physiotherapie).
Prognose: Wie sehen die Heilungschancen aus? Darf man wieder tauchen?
Nach einer Dekompressionskrankheit ist grundsätzlich wieder eine erneute Tauchtauglichkeit möglich. Voraussetzung ist aber, dass die Behandlung abgeschlossen ist und ein stabiles Behandlungsergebnis besteht. Empfehlenswert für Sporttaucher ist eine Untersuchung durch einen erfahrenen Taucherarzt, der auch über Erfahrung in der Behandlung der Dekompressionskrankheit verfügt. Sinnvoll kann eine weiterführende Diagnostik wie eine Ultraschalluntersuchung des Herzens sein, um beispielsweise ein dauerhaft bestehendes Loch in der Herzscheidewand (ein persistierendes Foramen ovale) auszuschließen. Für gewerbliche Taucher gelten spezielle gesetzliche Vorschriften.
Vorbeugen: Wie kann man das Risiko für einen Tauchunfall senken?
Die wichtigsten vorbeugenden Maßnahmen sind eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit vor dem Tauchgang sowie langsames und kontrolliertes Auftauchen. Tabellen oder Tauchcomputer geben entsprechende Hilfestellungen. Sinnvoll sind Sicherheitsstops am Ende des Tauchgangs. Auch Atemgasgemische mit erhöhtem Sauerstoffgehalt (Nitrox) können das Risiko eines Dekompressionsunfalls senken. Wiederholungs-Tauchgänge innerhalb von 24 Stunden, große Temperaturunterschiede und körperliche Anstrengung erhöhen dagegen das Risiko.

Prof. Andreas Koch
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Unser beratender Experte:
Prof. Dr. Andreas Koch leitet die Sektion Maritime Medizin des Institutes für Experimentelle Medizin der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und ist Abteilungsleiter am Schifffahrtmedizinischen Institut der Marine.
Quellen:
- Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (GTÜM e.V.). Online: https://www.gtuem.org (abgerufen am 11. Juni 2019)
- AWMF, Leitlinie Tauchunfall. Gültig bis 01.10.19. Online: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/072-001.html (abgerufen am 11. Juni 2019)
- Verband deutscher Druckkammerzentren e.V., Wirkmechanismen der Hyperbaren Sauerstofftherapie. Online: https://www.vdd-hbo.de/fuer-patienten/ (abgerufen am 11. Juni 2019)
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.