Die Kalorie: Eine heimliche Heldin

Gestatten: Eine Kalorie! (Illustrationen von Michelle Günther)
© W&B/Michelle Günther
Keiner mag sie. Alle versuchen sie zu meiden, zählen und reduzieren sie, so gut es geht. Die Kalorie ist der ungeliebte Begleiter jeder Nahrung. Stattdessen laufen alle Vitaminen und Ballaststoffen hinterher, ungesättigten Fettsäuren, essenziellen Aminosäuren und Spurenelementen.
Wenn sich überhaupt jemand für die Kalorien interessiert, dann meist, um möglichst wenige von ihnen aufzunehmen. Dabei sind sie in Wahrheit der Hauptgewinn. Ohne sie ist alles nichts. Ohne Spurenelemente zum Beispiel lebt der Mensch recht lange vergleichsweise beschwerdefrei.

Eine Kalorie kann ungefähr vier Sekunden lang das Herz schlagen lassen
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Ohne Kalorien aber ist es für Normalgewichtige nach ungefähr zwei Monaten aus. Da ist nicht die Rede von Mangelerscheinungen, fleckigen Fingernägeln oder wackeligen Zähnen, sondern vom Tod.
Eigentlich ist die Kalorie kein Extrabestandteil im Essen, sondern nur eine Einheit für dessen Nährwert beziehungsweise Energieinhalt. Genauer gesagt beschreibt sie den Energiewert, den man braucht, um ein Gramm Wasser um ein Grad zu erwärmen.

Eine Kalorie ist die Wärmemenge, die ein Gramm Wasser um ein Grad erwärmt
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Auf Lebensmittelpackungen stehen nicht einzelne Kalorien, sondern Kilokalorien. Wie viele davon ein Mensch täglich braucht, hängt von zig Faktoren ab; welche Darmflora man hat, ob man ein guter oder schlechter Essensverwerter ist, von der Muskelmasse, der Bewegung, dem Sexualverhalten.

Beim Sex verbrauchen wir im Mittel 80 bis 150 Kilokalorien
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Physikern ist die Kalorie ein Dorn im Essen, weil sie nicht hundertprozentig genau ist. Wasser benötigt nämlichunterschiedlich viel Energie zur Erwärmung, je nach Temperatur, die es gerade schon hat.
Die EU wollte die Kalorie deshalb bereits von den Etiketten verbannen und durch die Wärmeeinheit Joule ersetzen. Dabei stieß sie allerdings auf Widerstand, trotz mehrerer Anläufe gibt es die Kalorienangabe auf Lebensmitteln immer noch.

Eine 100-Gramm-Tafel Milchschokolade liefert ungefähr 535 Kilokalorien. Aber keine Angst, mehr als 100 Gramm kann man von 100 Gramm Schokolade nicht zunehmen, selbst wenn man sie zusätzlich zum eigenen Energiebedarf aufnimmt
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Verbieten lassen wollen sich die EU-Bürger ihre Kalorien dann doch nicht. Vielleicht nur, weil eine Kalorie etwa vier Joule entspricht – und in Joule deshalb alles noch gehaltvoller wirkt.
Vielleicht ist es aber auch ein Zeichen dafür, dass die Leute im Grunde schon ein bisschen an der Kalorie hängen, dass die Beziehung Mensch – Kalorie also noch zu retten ist. Zeit wäre es auf jeden Fall, uns mit ihr zu versöhnen.

Eine 100-Watt- Glühbirne verbraucht pro Sekunde etwa 24 Kalorien
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Bei wirklich angestrengtem Denken kann der Mensch pro Minute sogar 1,5 Kilokalorien verbrennen. Würde der Kopf nun einen ganzen Tag lang vor sich hin qualmen, dann hätte man allein durchs Denken ganze 2.160 Kilokalorien verbraucht. Nur absolvieren die wenigsten Gehirne einen solchen Denkmarathon.