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Sie setzen sich ein für besseres Essen in den Krankenhäusern: Die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), die Physicians Association for Nutrition (PAN) und Health for Future (H4F) haben gemeinsam ein neues „Bündnis für nachhaltige, gesunde Krankenhausverpflegung“ ins Leben gerufen. Was steckt dahinter? Ein Gespräch mit Sören Kube, Projektkoordinator bei PAN.

Herr Kube, was ist das Problem mit der Krankenhausverpflegung hierzulande?

Sören Kube: Diplomatisch gesagt ist die Qualität des Krankenhausessens in vielen Kliniken ausbaufähig: Es schmeckt häufig nicht wirklich, es ist einfallslos und auch nicht gerade gesund. Darüber hinaus verursacht es viele Emissionen, ist nicht nachhaltig und somit angesichts der zahlreichen Auswirkungen der Klimakrise auf unsere Gesundheit doppelt problematisch.

Warum messen die Kliniken der Verpflegung so wenig Bedeutung zu?

Kube: Die Kliniken haben zwei große Finanzierungsposten in der Patientenversorgung: Die medizinischen Leistungen und die pflegerischen Leistungen. Alles andere läuft daneben und soll – das ist hier leider das wichtigste – so wenig Kosten wie möglich verursachen, dazu gehört auch die Verpflegung. Für die Verpflegung der Patientinnen und Patienten werden im Durchschnitt gerade einmal 5,14 Euro pro Tag ausgegeben. Da ist alles drin: die Lebensmittel, die Köche, die Logistik und vieles andere.

Für die Verpflegung der Patientinnen und Patienten werden im Durchschnitt gerade einmal 5,14 Euro pro Tag ausgegeben.

Die Liegezeit in deutschen Kliniken beträgt etwa eine Woche. Nun könnte man argumentieren, vor allem die medizinische und pflegerische Qualität müssen stimmen, das erscheint am Wichtigsten. Wenn das Essen mal ein paar Tage nicht so schmackhaft ist, kein Problem, man ist ja bald wieder zu Hause und kann dort essen.

Kube: Welchen Wert eine Klinik der Verpflegung beimisst, das sendet ja auch eine Botschaft an die Patientinnen und Patienten. Und die ist zurzeit gefährlich, denn die Qualität des Krankenhausessens vermittelt das Bild: Die Ernährung sei unwichtig, da brauche man sich keine Mühe zu geben. Mit diesem Eindruck gehen die Leute dann wieder nach Hause. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas und Typ-2-Diabetes sind verbreitet wie nie – und sie lassen sich vor allem mit einer gesunden Ernährung unter Kontrolle bringen und behandeln.

Die Qualität des Krankenhausessens vermittelt das Bild: Die Ernährung sei unwichtig, da brauche man sich keine Mühe zu geben.

Die Kliniken vergeben die Chance, hier positive Impulse zu setzen: Die Patientinnen und Patienten könnten inspiriert nach Hause gehen mit der Erfahrung, dass gesunde und nachhaltige Ernährung von Bedeutung ist und auch lecker sein kann – dieser Punkt ist uns ganz wichtig. Aber es geht nicht nur um die Vorbildfunktion in Sachen Ernährung. Eine gute Verpflegung gehört auch zur medizinischen Versorgung dazu: Gerade ältere Menschen kommen nicht selten unterernährt ins Krankenhaus, und nach einer Operation heilen Wunden bei einer gesunden Ernährung besser.

Das ist einleuchtend. Aber was hat eine gesunde Ernährung mit Klimaschutz zu tun?

Kube: Beides geht Hand in Hand und ist sehr eng miteinander verknüpft. Nehmen wir nur das Beispiel Fleisch: Alle aktuellen ernährungsmedizinischen Empfehlungen legen nahe, insbesondere den Konsum von rotem Fleisch zu reduzieren, um etwa Erkrankungen wie Darmkrebs vorzubeugen. Zugleich ist Fleisch für einen großen Teil der Emissionen, aber auch für einen enorm hohen Wasserverbrauch und die Übernutzung von Anbauflächen verantwortlich. So wie hier passen Klima- und Umweltschutz und Gesundheit häufig zusammen, deshalb hat sich in der Ernährungsmedizin auch das Konzept der Planetary Health Diet etabliert, das heißt auf Deutsch so viel wie planetare Gesundheitsernährung. Der Fokus liegt hier auf einer vorwiegend pflanzlichen Ernährung, die reich an Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten wie Bohnen und Linsen sowie Nüssen und Salaten ist.

Die Ernährungsform beantwortet zudem die Frage, wie wir eine wachsende Weltbevölkerung mit den vorhandenen Ressourcen unserer Erde gesund ernähren können. Gerade beim Thema tierische Produkte möchte ich aber auch betonen: Die Planetary Health Diet ist nicht rein vegetarisch oder vegan und es geht nicht darum, jeden Tag nur Salat und Gemüse zu essen. Häufig geht es um eine Feinjustierung – in diesem Fall zum Beispiel die Menge an Fleisch etwas zurückfahren.

Wie wollen Sie Ihr Ziel erreichen, die Krankenverpflegung nachhaltiger und gesundheitlich zu gestalten?

Kube: Insbesondere während des Ernährungsmonats vom 7. März bis 7. April 2024 wollen wir unter dem Motto: „Gesund von A bis Z auf dem Krankenhaus-Tablett“ dem Thema mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Wir glauben, dass die Zeit für schmackhafte, gesunde und nachhaltige Klinikverpflegung, für eine planetare Ernährungsweise, gekommen ist. Denn wir fangen nicht bei null an, manche Kliniken haben das Potenzial bereits erkannt und als Vorreiter Good-Practice-Beispiele geschaffen.

Welche Rolle spielt die Politik?

Kube: Wir versuchen auch die Politik zu erreichen, denn uns ist klar, dass es neben der individuellen Verhaltensänderung vor allem auf eine Änderung der Verhältnisse ankommt. Zuständig ist neben dem Ministerium für Gesundheit auch das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Und dann ist da noch der Gemeinsame Bundesausschuss, der letztlich die Verteilung der Gelder regelt. Am besten wäre es natürlich, wenn die Krankenhausverpflegung als medizinische Leistung anerkannt werden würde, dann müsste hier schlagartig mehr Geld bereitgestellt werden – dorthin wollen wir kommen.

Wie versuchen Sie die Kliniken zu erreichen?

Kube: Wenn die Kliniken und die Küchen in den Kliniken Interesse haben an einer Orientierung hin zu einer gesünderen und schmackhafteren Ernährung, dann unterstützen wir sie dabei. Wir sind enorm gut vernetzt, wir können den Kliniken Expertinnen und Experten aus den Good-Practice-Beispielen zur Seite stellen und sie in Detailfragen beraten, etwa wie die Küchensysteme am besten anzupassen sind.

Aber was ist mit den Kosten? Überall in den Kliniken wird gespart, der Kostendruck ist enorm: Solange kein zusätzliches Geld fließt, warum sollten die Kliniken hier plötzlich investieren können?

Kube: Natürlich erfordert die Umstellung eine Investition – aber wenn die Umstellung erfolgt ist, dann sind die Kosten meist niedriger. Denn eine Planetary Health Diet bietet viele Einsparmöglichkeiten: Fleisch etwa ist teurer als pflanzliche Lebensmittel, es muss gekühlt werden, und wenn es einmal erhitzt wurde, muss es gegessen oder weggeworfen werden. Bei vielen pflanzlichen Lebensmitteln ist man hier flexibler – das birgt Einsparpotenzial, auch weil man weniger Lebensmittel entsorgen muss.

Wenn die Kliniken so etwas erfahren, wird das Interesse an der Umstellung häufig größer. Denn eine Klinik, die schmackhaftes und gesundes Essen anbietet, verbessert auch ihren Ruf. Auch deshalb bin ich optimistisch, dass wir – mit einigen Anstrengungen – die Krankenhausverpflegung hierzulande auf absehbare Zeit nachhaltiger, gesünder und schmackhafter gestalten können. Und im Hinblick auf Klima- und Umweltschutz ist ohnehin klar: Das teuerste, was wir jetzt tun können, ist nichts.


Quellen: