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Wer seine Nahrungsaufnahme auf wenige Stunden am Tag beschränkt, könnte ein höheres Risiko haben, an Herz-Kreislauf-Leiden zu sterben, heißt es in einer neuen Studie mit Langzeitdaten aus den USA. Doch Experten warnen vor übereilten Schlüssen.

Was hat die neue Studie zum Intervallfasten ergeben?

Die Forschenden der Shanghai Jiao Tong University School of Medicine haben die Gewohnheiten des Fastens von etwa 20.000 US-Amerikanerinnen und -Amerikanern untersucht[1]. In der Auswertung der Daten zeigte sich, dass Personen, die täglich lediglich innerhalb eines Zeitraums von acht Stunden oder weniger Nahrung aufnahmen, ein um 91 Prozent gesteigertes Risiko hatten, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben.

Wie aussagekräftig ist das Studienergebnis zum Intervallfasten?

Die Studie lässt nur begrenzt Aussagen zum Effekt des Intervallfastens zu. Denn: Ursache und Wirkung lassen sich aus der Studie nur begrenzt ablesen. So vermutet Prof. Dr. Andreas Michalsen, Fastenexperte von der Charité Berlin, dass etwa Stress ein hoher, unberücksichtigter Einflussfaktor in der Studie sein könnte: „Hoher Stress oder andere Erkrankungen können dazu führen, dass Menschen Mahlzeiten weglassen. Möglicherweise wurde das Frühstück aufgrund von Zeitmangel, Schlafstörungen oder anderen Stressoren weggelassen. Auch Erkrankungen können Essensmodalitäten einschränken und verändern. Grundsätzlich wäre es wichtig zu wissen, ob das Frühstück oder Abendessen weggelassen wurde. Das Auslassen des Frühstücks kann bei kardiometabolischen Erkrankungen zu ,Völlerei‘ am Abend führen, was ungünstig ist.“

Die Intervallfasten-Gruppe in der Studie hatte außerdem das größte Übergewicht und den höchsten Raucheranteil – das alles sind Faktoren, die ebenfalls für eine erhöhte Sterblichkeit verantwortlich sein können. Das nennen Wissenschaftler eine umgekehrte Kausalität. Die Studie wurde in den USA durchgeführt, wo soziale Ungleichheit und schlechte Ernährung durch Armut präsent ist. Auch das kann die Studienergebnisse verfälschen.

Wurde in der Studie wirklich echtes Intervallfasten untersucht?

Das ist fraglich. Prof. Tilman Kühn, Experte für Public Health Ernährung an der Universität Wien, sieht die Aussagekraft der Untersuchung kritisch: „Die Ergebnisse dieser Studie beweisen nicht, dass Intervallfasten das Mortalitätsrisiko erhöht. Sie zeigen nur, dass Personen, die an zwei zufällig ausgewählten Tagen ihre Mahlzeiten innerhalb von weniger als acht Stunden verzehrten und in der Folge ein höheres Risiko dafür hatten, an einer kardiovaskulären Ursache zu versterben. Absichtliches Intervallfasten wurde in der Studie jedoch nicht untersucht“, so Kühn.

Bewusstes Fasten ist etwas anderes, als beispielsweise im Stress das Frühstück wegzulassen und abends zu viel zu essen – genau das könnte in der untersuchten Gruppe passiert sein. Es macht auch einen Unterschied für den Stoffwechsel, ob man das Frühstück oder das Abendessen überspringt.

Ist Intervallfasten grundsätzlich sicher?

Es gibt schon einige Studie zum Intervallfasten. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen deuten darauf hin, dass Intervallfasten bei der Gewichtsabnahme helfen kann und auch andere positive Gesundheitsfolgen mit sich zieht[2]. Ob und wie gesund Intervallfasten langfristig für bestimmte Risikogruppen ist und wie diese Gruppen am besten fasten, das müssen Forschende noch untersuchen.

Ich habe eine Herz-Kreislauf-Erkrankung. Sollte ich vorsichtshalber nicht mehr Intervallfasten?

Bei Mehrgewicht und einer Herz-Kreislauf-Erkrankung ist es grundsätzlich eine gute Idee, abzunehmen, darin sind sich Forschende einig[3]. Es ist immer wichtig, wie die Ernährung insgesamt aussieht. Von einer Studie können Forschende keine generelle Empfehlung ableiten. Aus aktuellen Grundlagenstudien sind negative Effekte des Intervallfastens für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen allerdings nicht bekannt. Jede Phase des intensiven Fastens kann aber prinzipiell dazu führen, dass dem Körper Nährstoffe fehlen. Wenn Sie wegen Ihres Intervallfastens zum Abnehmen unsicher sind, fragen Sie bitte die Ärztin oder den Arzt, ob und in welcher Form Intervallfasten eine gute Idee für Sie persönlich ist.

Ich lebe mit einer Krebserkrankung. Wie ist es da mit dem Intervallfasten?

Egal ob Fasten oder Diät – der Körper braucht wichtige Reserven. Ganz besonders gilt das für Menschen, die gerade eine Krebserkrankung durchmachen. Fasten zum Abnehmen ist nur sinnvoll, wenn Sie sicher Gewicht verlieren können, ohne dass das System aus der Bahn gerät. So erklärt Dr. Stefan Kabisch, Hormon- und Stoffwechselmediziner von der Berliner Charité: „Viele Menschen mit schweren Herzerkrankungen oder Krebs nehmen bereits aufgrund ihrer Erkrankung ab. Dieser Gewichtsverlust betrifft die Muskelmasse, aber auch gesundheitlich wichtige Anteile der Fettmasse, die in diesen Krankheitsfällen als essenzieller Energiespeicher und Hormonproduzent fungieren.“

Nimmt man dem Körper diese wichtigen Reserven, ist er weniger vorbereitet auf eine Krankheit. Deshalb empfiehlt Kabisch für diese Personen keine Diäten. Beobachten Sie Ihr eigenes Gewicht. Sprechen Sie auch über ihren Gewichtsverlust, Ihre Fastenpläne und Ihre Essgewohnheiten mit Ihrem Arzt oder der Ärztin.


Quellen:

  • [1] Chen M, Zhong VW: Association Between Time-restricted Eating and All-Cause and Cause-Specific Mortality. EPI Lifestyle Scientific Sessions 2024 News Release Abstract Poster #192: https://www.abstractsonline.com/... (Abgerufen am 18.03.2024)
  • [2] Longo VD, Panda S: Fasting, Circadian Rhythms, and Time-Restricted Feeding in Healthy Lifespan. Cell Metabolism: https://doi.org/... (Abgerufen am 18.03.2024)
  • [3] Ma C, Avenell A, Bolland M et al.: Effects of weight loss interventions for adults who are obese on mortality, cardiovascular disease, and cancer: systematic review and meta-analysis . BMJ: https://www.bmj.com/... (Abgerufen am 18.03.2024)