Die richtige Ernährung bei Reizdarm

Welches Obst enthält viele FODMAPs? Dafür ist Gespür erforderlich
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Das neue Zauberwort für Darmpatienten heißt Fodmap. Hinter der geschmeidigen Abkürzung stecken die sperrigen Namen bestimmter Nährstoffe, die Mediziner für so manche Verdauungsbeschwerden verantwortlich machen: fermentierende Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole. Solche Kohlenhydrate und Zuckeralkohole sind in vielen Nahrungsmitteln enthalten und stellen grundsätzlich überhaupt kein Problem dar. Bei gesunden Menschen werden diese Bestandteile fast komplett im Dünndarm abgebaut und resorbiert.
Anders bei Personen, die unter einer Darmerkrankung leiden. Bei ihnen kann es passieren, dass manche Fodmaps nicht vollständig aufgespalten werden und in den Dickdarm gelangen. Dort ziehen sie entweder aufgrund ihrer wasserbindenden Fähigkeit Wasser in den Darm, oder sie werden von Bakterien unter Bildung von Gasen abgebaut. Die Folge können unangenehme Blähungen, Durchfall oder unklare Bauchschmerzen sein. Mitunter berichten Patienten auch von Sodbrennen, wenn der Druck durch die Gase so stark wird, dass die Magensäure nach oben drückt und die Speiseröhre reizt.
Nicht dasselbe wie Milchzucker- oder Glutenunverträglichkeit
Probleme sollen unter anderem laktosehaltige Milchprodukte und manche Getreidebestandteile bereiten. Zwar verursacht auch die schon lange bekannte Laktoseintoleranz ähnliche Beschwerden. "Diese beruht aber auf einem Mangel an dem Enzym Laktase und kann vom Arzt durch einen einfachen Test diagnostiziert werden", erklärt der Gastroenterologe Professor Martin Storr vom Internistenzentrum in Gauting bei München.
Auch die Glutenunverträglichkeit, eine Reaktion des Immunsystems auf geringste Mengen an Klebereiweiß (Gluten) vieler Getreidesorten, habe andere Ursachen als eine Empfindlichkeit auf Fodmaps, die meist erst beim Konsum größerer Mengen zu unangenehmen Symptomen führen. Weil zahlreiche Obstsorten wie Apfel, Birne oder Mango viel Fruchtzucker enthalten, sind auch sie häufig für Beschwerden verantwortlich.
Dass Äpfel Bestandteil einer gesunden und ausgewogenen Ernährung sind, bleibt jedoch unbestritten. Aber wie so oft kommt es auch hier auf die Menge an: "Während ein gesunder Mensch erst nach dem Verzehr von vier, fünf oder sechs Äpfeln mit Blähungen oder Durchfall rechnen muss, könnte ein Reizdarmpatient schon bei ein oder zwei Äpfeln Beschwerden bekommen", meint Storr. Jeder Mensch habe seine eigenen, individuellen Toleranzgrenzen gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln.
Besonders kritisch: Fruchtzucker
Die Tatsache, dass die Lebensmittelindustrie ihren Erzeugnissen immer häufiger Fruktose zusetzt oder modifizierten Zuckerrübensirup zum Süßen verwendet, verstärkt die Problematik. Fruktose an sich sei in diesem Fall nicht das Problem, so Storr, sondern der schwache Darm der Patienten. Rund 10 bis 15 Prozent der westlichen Bevölkerung leiden an einem Reizdarmsyndrom. Es ist durch unspezifische Darmbeschwerden gekennzeichnet und wird nur durch Ausschluss anderer Erkrankungen diagnostiziert. Mehrere Studien zeigten in den vergangenen Jahren, dass sich eine Ernährungsumstellung zugunsten von Nahrungsmitteln mit niedrigen Fodmap-Gehalten positiv auf die Beschwerden auswirken kann. Auch bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn könnte eine entsprechende Diät die Symptomatik positiv beeinflussen.
Ernährungsumstellung vorher mit dem Arzt besprechen
Die Diät basiert auf zahllosen Ernährungsprotokollen, die von australischen Medizinern auf problematische Nahrungsbestandteile hin ausgewertet wurden. Es handelt sich um ein neues Konzept, das noch nicht endgültig belegt ist. Man könne mit der Befolgung aber nicht viel falsch machen, meint Storr. Er weist jedoch darauf hin, dass sie nicht die schwere Darmentzündung verschwinden lasse. "Daher sind die Patienten immer zusätzlich auf ihre entzündungshemmenden Medikamente angewiesen."
Auch Professor Wolfgang Holtmeier, Gastroenterologe und Ernährungsmediziner am Krankenhaus Köln-Porz, hält das Konzept für sinnvoll. Wichtig sei aber, dass der Patient vor einer entsprechenden Ernährungsumstellung den Arzt aufsucht, um mögliche andere Ursachen für die Beschwerden auszuschließen und gegebenenfalls eine medikamentöse Basistherapie zu erhalten.
Lebensmittel mit hohem FODMAP-Gehalt weglassen
Während eine Laktose- oder Fruktoseintoleranz sowie eine Glutenunverträglichkeit vom Arzt eindeutig diagnostiziert werden können, ist das bei einer Empfindlichkeit gegenüber fermentierbaren Sacchariden und Polyolen nicht so einfach: Sie lässt sich eigentlich nur durch Ausprobieren feststellen. Dazu ist es erforderlich, alle Nahrungsmittel mit hohem Fodmap-Gehalt für etwa vier bis sechs Wochen vom Speiseplan zu nehmen. Lassen die Beschwerden nach, ist eine entsprechende Empfindlichkeit sehr wahrscheinlich. Schritt für Schritt kann der Patient dann mit einem bestimmten zeitlichen Abstand diejenigen Nahrungsmittel einzeln wieder zum Speiseplan hinzufügen, die ihm wichtig sind. Treten dabei keine neuen Beschwerden auf, kann er die Portion erhöhen oder ein weiteres Nahrungsmittel ausprobieren.
Testweise weizenfrei ernähren
Gastroenterologe Holtmeier hält sogar eine erste Testphase von zwei Wochen für ausreichend: "Oft genügt es auch, sich erst einmal weizenfrei zu ernähren, weil man dann automatisch auch weniger problematische Oligosaccharide verzehrt." Zudem sei es für Laien einfacher, eine weizenfreie Diät durchzuführen. Ob bei einer Ernährungsumstellung eine Unterversorgung mit wichtigen Nährstoffen droht, darüber sind sich die Mediziner nicht ganz einig. "Prinzipiell sehe ich da keine Gefahr, dafür ist das Angebot an unproblematischen Lebensmitteln zu groß", meint Experte Storr. Immerhin seien inzwischen überall laktosefreie Milch- und glutenfreie Getreideprodukte zu haben.
Auch bei Obst und Gemüse finden sich viele fodmaparme Alternativen. Eine Unterstützung bieten verschiedene Ratgeber. Sie enthalten ausführliche Tabellen, die dabei helfen, geeignete Nahrungsmittel zu finden. Die Tabellen sollten aber nur als grober Anhaltspunkt dienen, denn die Angaben unterscheiden sich manchmal. Je nach Reifegrad enthalten manche Obstsorten mehr oder weniger fermentierende Kohlenhydrate. Umso wichtiger sei, so Holtmeier, die Unterstützung durch einen erfahrenen Ernährungsberater.
Lebensmittel mit niedrigem FODMAP-Gehalt
Bananen, Grapefruits, Himbeeren, Honigmelonen, Kiwis, Weintrauben, Zitrusfrüchte, Chinakohl, Karotten, Kopfsalat, Kürbisse, Mais, Paprika, Salatgurken, Sellerie, Tomaten, Zucchini, gereifter Käse, laktosefreie Milchprodukte, Briekäse, Feta, Dinkelbrot, glutenfreie Getreideprodukte, Glukose (Traubenzucker), Saccharose (Haushaltszucker)
Lebensmittel mit hohem FODMAP-Gehalt
Äpfel, Birnen, Kirschen, Mangos, Aprikosen, Pfirsiche, Pflaumen, Wassermelonen, Artischocken, Blumenkohl, Brokkoli, Erbsen, Hülsenfrüchte (Kichererbsen, Linsen, rote Bohnen), Knoblauch, Pilze, Schwarzwurzeln, Zuckerschoten, Zwiebeln, Buttermilch, Frischkäse, Milch, Ricotta, Kekse, Kuchen, Nudeln, Weizen- und Roggenbrot, Honig, Sorbit, Mannit, Xylit, Maltit, Isomalt
Hilfe aus der Apotheke
Mittel gegen Reizdarmbeschwerden: Gegen Blähungen helfen Entschäumer wie Dimeticon und Simeticon. Schmerzhafte Krämpfe lassen sich durch Medikamente mit Butylscopolamin lindern. Bei Verstopfung sind Ballaststoffe wie Flohsamen-Präparate sinnvoll, da sie die Verdauung auf sanfte Weise regulieren. Auch Patienten mit Colitis ulcerosa können von solchen Medikamenten profitieren. Wichtig: Genug dazu trinken!
Gegen Durchfall können Medikamente mit Uzara-Wurzel oder synthetischen Wirkstoffen helfen. Sie sollten nur kurzfristig – und nach Rücksprache mit dem Arzt – angewendet werden. Pflanzliche Extrakte aus Schleifenblume, Kümmel oder Artischocke, die teilweise einzeln oder in unterschiedlichen Kombinationen erhältlich sind, unterstützen die Verdauung. Pfefferminzöl in Kapseln ist eine weitere milde Alternative, um Reizdarmbeschwerden zu lindern.