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Das gebratene Fleisch oder die Wurst? Eines von beiden muss vom Speiseplan verschwinden. Die Entscheidung darüber ist oft die erste, die Gichtpatienten bei Daniela Homoth treffen. „Viele wollen auf ihr Fleisch in warmen Mahlzeiten nicht verzichten“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin aus Reutlingen. Dann sollen sie sich überlegen, was künftig aufs Brot kommt. Anstelle von Wurst beispielsweise Käse, Paprika oder Gurke.

Homoth unterstützt Menschen dabei, ihre Ernährung umzustellen. Für die meisten Gichtpatienten heißt das vor allem, weniger Fleisch und Wurst zu essen. Denn die tierischen Lebensmittel enthalten verhältnismäßig hohe Mengen an sogenannten Purinen. Der Körper baut diese zu Harnsäure ab, die vor allem über den Urin ausgeschieden wird.

Doch verläuft dieser Prozess zu langsam, konzentriert sich die Harnsäure im Blut. Ab einem Wert von etwa 6,5 Milligramm pro Deziliter besteht ein erhöhtes Risiko, dass sich Kristalle in den Gelenken bilden. „Es trifft vor allem Menschen, deren Nieren die Harnsäure infolge einer erblichen Veranlagung nicht ausreichend ausscheiden“, sagt Dr. Bettina Engel, Allgemeinmedizinerin an der Universität Oldenburg und Autorin der hausärztlichen Leitlinie zur Gicht.

Typischerweise bekommen die Betroffenen von den krankhaften Prozessen in ihrem Körper jahrelang nichts mit. Bis sie irgendwann scheinbar aus heiterem Himmel einen Gicht­anfall erleiden ­– einen Entzündungsschub mit kaum erträglichen Gelenkschmerzen.

Oft ereignet sich der erste Anfall im Grundgelenk eines großen Zehs. „Diese Stelle ist schlecht durchblutet und kälter als viele andere Körperpartien, deshalb bilden sich dort als Erstes Kristalle“, sagt Homoth. Oft folgen weitere Gichtanfälle in kürzeren Abständen und anderen Gelenken, etwa in Knie, Ellenbogen oder Hand.

Schmerzende Nadelstiche. Ein Überschuss an Harnsäure im Blut begünstigt das Entstehen von Kristallen in den Gelenken. Zum Beispiel am großen Zeh

Schmerzende Nadelstiche. Ein Überschuss an Harnsäure im Blut begünstigt das Entstehen von Kristallen in den Gelenken. Zum Beispiel am großen Zeh

Den akuten Gichtanfall lindert der Arzt mit schmerz- und entzündungshemmenden Medikamenten. Oft folgt danach eine Therapie mit Mitteln, die den Harnsäurespiegel im Blut senken. Das gilt vor allem, wenn sich die Werte durch eine Ernährungsumstellung nicht ausreichend bessern. „Die nicht-medikamentöse Behandlung ist ein fester Bestandteil der Therapie. Dazu gehört vor allem eine ausgewogene Ernährung“, sagt Engel. „Es gibt keine Verbote. Niemand muss zum Vegetarier werden.“

Kein Komplettverzicht

Die Ernährungsberaterin Homoth stimmt zu: „Es kommt vor allem darauf an, sich nicht mit zu vielen Purinen auf einmal zu belasten.“ Fettreiche Mahlzeiten mit reichlich Fleisch und alkoholischen Getränken beispielsweise sind ein häufiger Auslöser für Gichtanfälle. „Alkohol verzögert unter anderem das Ausschwemmen von Harnsäure“, erklärt Homoth.

Generell gelten die allgemeinen Regeln für einen risikoarmen Alkoholkonsum auch für Menschen mit Gicht: Für Männer heißt das maximal einen Viertelliter Wein pro Tag, für Frauen die Hälfte, zwei alkoholfreie Tage pro Woche. Als Gichtpatient sollte man allerdings purinreiche Kost nicht mit Alkohol kombinieren, sondern sich für eines von beiden entscheiden.

Auch für den Fleischkonsum gibt es Obergrenzen, an denen Gichtpatienten sich orientieren können. „Männern fehlt der Blick für eine angemessene Portion“, sagt Expertin Homoth. Mehr als 150 Gramm sollte die Fleischportion nicht wiegen. Das entspricht einem ziemlich kleinen Stück Schweinebraten oder Hähnchenbrust. In beiden steckt jeweils etwa die Hälfte der Tagesration an Purinen von 210 Milligramm, die als gut tolerierbar gilt.

Homoths Trick, um Fleischportionen unauffällig zu schrumpfen: Sie rät ihren Patienten, das Fleisch zu Geschnetzeltem zu verarbeiten und daraus ein schmackhaftes Gericht mit Gemüse und weiteren Beilagen zuzubereiten. Ein weiterer Tipp, um Purine einzusparen: In der Haut des Schweinebratens, der Hähnchenbrust und dem Fisch steckt besonders viel davon. Es lohnt sich also, die Haut zu entfernen – auch wenn damit etwas Geschmack verloren geht.

Vor allem das Gemüse soll satt machen. Die meisten Sorten sind purinarm. Hülsenfrüchte zählen zu den Ausnahmen. So enthalten Erbsen ebenso viele Purine wie die gleiche Menge Schweinebraten. In weißen Bohnen und in Linsen steckt ungefähr die Hälfte. Da kann schnell zu viel zusammenkommen. Ein Beispiel aus Homoths Region in Schwaben sind Linsen mit Spätzle und Saitenwürstchen: „Menschen mit Gicht essen am besten nur eine halbe Wurst und eine einzige Kelle mit Linsen.“

Mehr Gemüse

Ansonsten kommt es praktisch nicht vor, dass Menschen zu viel purinreiches Gemüse essen. Homoth ermuntert ihre Patienten vielmehr dazu, mehr Gerichte mit Grünzeug zu kochen, gibt ihnen Rezepte mit saisonalen Sorten wie Rot-, Weiß- und Spitzkohl jetzt im Februar.

Selber kochen, wenig Fleisch und viel Gemüse essen, Weißmehl- durch Vollkornprodukte ersetzen, Fertigprodukte minimieren, auf Zucker vor allem in Getränken verzichten. All das gehört zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung dazu. Und die hilft auch beim Abbau von überschüssigen Pfunden.

Studien belegen: Wenn übergewichtige Gichtpatienten abnehmen, senken sie ihren Harnsäurespiegel und das Risiko für weitere Attacken. Dabei ist vor allem Bauchfett erwiesenermaßen eine treibende Kraft für Entzündungen im Körper. „Und das dürfte auch für chronische Verläufe bei Gicht eine Rolle spielen“, mutmaßt Engel. Weiterer Punkt: Sehr viele Gichtpatienten mit Übergewicht haben zusätzlich Diabetes, Bluthochdruck und erhöhte Blutfettwerte. All das verbessert sich durch den langsamen und stetigen Abbau von Übergewicht. Ein Ernährungsberater kann bei der Umstellung helfen. Vorsicht vor Hungerkuren: Fasten kann das Risiko für Gichtanfälle erhöhen.

Kassenunterstützte Ernährungsberatungen

Verordnet ein Arzt einem Gichtpatienten eine Ernährungsberatung, übernehmen die gesetzlichen Krankenversicherungen in der Regel einen Teil der Kosten. „Wie viel sie erstatten, unterscheidet sich von Kasse zu Kasse“, sagt Homoth. Am besten klärt man vor der ersten Sitzung, welcher Eigenanteil auf einen zukommt. Grundsätzlich gilt: Nur zertifizierte Ernährungsberater können ihr Honorar mit den Kassen abrechnen. Sie verweisen in der Regel auf ihrer Webseite darauf.

Es lohnt sich, seine Ernährung umzustellen. Das senkt das Risiko für weitere Gichtanfälle und erhöht die Chancen, das harnsäuresenkende Mittel in Absprache mit dem Arzt nach einiger Zeit abzusetzen – oder die Dosis zu reduzieren. „Bei Gicht geht es im Wesentlichen darum, sich ausgewogen zu ernähren. Das ist kein Hexenwerk“, sagt die Medizinerin Engel.

Hilfreiche Medikamente

Bei einem akuten Gichtanfall verordnen Ärzte maximal für zwei Wochen Medikamente: ein Kortikoid (z. B. Prednisolon), ein Schmerzmittel (z. B. Naproxen, Diclofenac, Ibuprofen) oder den Wirkstoff Colchizin.

Bei mindestens zwei Gichtanfällen im Jahr oder Kristallablagerungen raten Ärzte zu einer Dauertherapie mit Harnsäuresenkern (z. B. Allopurinol). Ziel ist es, Symptome zu lindern und Folgeschäden zu verhindern.

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