Logo der Apotheken Umschau

Es sind vor allem Männer, oft mit erkennbar dickem Bauch und selten jünger als 50, die Anna-­Lena Neuner gespannt zuhören. Sie alle haben ein Ziel: mit besserem Essen den nächsten schmerzhaften Gichtanfall vermeiden.

Um das zu erreichen, rät die studierte Diätassistentin in ihrer Gruppenberatung für Gichtkranke zu viel Gemüse und reichlich Wasser oder Kräutertee. „Natürlich kann ich nicht alle begeistern, wenn ich Kartoffeln mit Kräuterquark statt Hackbraten empfehle und die Patienten dann noch darum bitte, häufiger aufs Bier zu verzichten“, sagt Neuner.

Aber Studien belegen: Die Krankheit lässt sich mit einer Ernährungsumstellung wirksam in Schach halten. Auch gar nicht so wenige von Neuners Klienten nennen die Korrekturen auf dem Speiseplan ihre „eigentliche Medizin“.

Statt Fleisch öfter Gemüse

Entscheidend ist, den Alltag anzuschauen. Das tut Anna-Lena Neuner in der Einzelberatung: „Wir erarbeiten zusammen eine Strategie, legen kleine Schritte fest. Keiner muss ganz auf Fleisch verzichten, doch jeder sollte die Menge im Blick behalten. Etwa indem das übliche Wurstbrot für die Pause öfter durch Käsebrot ersetzt wird. Auch einige Walnüsse oder Gemüsesticks mit Kräuterquark sind ein guter Snack.“

Früher mussten Gichtkranke die Purinmengen aller gegessenen Lebensmittel aufwendig mitzählen. Purine sind natürliche Bestandteile pflanzlicher wie tierischer Lebensmittel, aus denen der Körper Harnsäure bildet. Der Körper entsorgt diese vor allem über die Nieren. Gelingt das besonders im Alter immer weniger, droht ein schmerzhafter Gichtanfall. Purinreich sind etwa Fleisch und Fisch, aber auch Weizenkeime oder Hülsenfrüchte.

Heute weiß man: Linsen und Co. sowie Gemüse erhöhen trotz ihrer Purine den Harnsäurepegel nicht. Für Neuner erleichtert das die Beratung sehr: „Ich konzentriere mich heute auf die einfache Regel: statt Fleisch öfter Gemüse.“

So wappnen Sie sich für den Anfall

Trotzdem ist es ein langer Weg, eingefleischte Essgewohnheiten zu verlassen. Weil manche Gichtpatienten dauerhaft Medikamente brauchen, sieht die Apothekerin Ina Bartels aus Hannover ihre Aufgabe auch darin, ihre Kunden langfristig zu begleiten.

„Bei einem akuten Gichtanfall mit starken Schmerzen gibt es zum Glück gute Medikamente. Vorbeugend helfen harnsäuresenkende Arzneimittel, die der Arzt bei Bedarf verordnet. Dennoch ist mit weiteren Gichtanfällen zu rechnen.“ Sie rät, vorsorglich Kühlpads zur Schmerzlinderung bereitzuhalten. Jede Attacke sei als Warnschuss zu verstehen und als Anlass, seine Ernährung zu verbessern.

Harnsäure ausschwemmen

Anna-Lena Neuner spricht in ihrer Beratung nicht nur Warnungen aus. Sie kann viele leckere Lebensmittel empfehlen, die den Harnsäurewert günstig beeinflussen. Dazu zählen fettarme Molkereiprodukte von der Milch über den Joghurt bis hin zum Quark. Sie regen die Nieren an, mehr Harnsäure auszuscheiden.

Auch viel Wasser fördert das. „Zwei Liter pro Tag sollten es sein. Wer mag, aromatisiert das Wasser mit etwas Zitrone oder Minze oder trinkt Tees. Aber auch Kaffee ist erlaubt.“ Alkohol hingegen stört die Nieren beim Ausschwemmen der Harnsäure. Vor allem Bier ist ungünstig. So ist nach einer Feier mit viel Fleisch und reichlich Bier der Gichtanfall in der folgenden Nacht vorbestimmt.

Ebenso wenig sind Fruchtsäfte als Durstlöscher zu empfehlen. Deren Fruchtzucker behindert die Harnsäure-Ausscheidung. Weil auch Haushaltszucker zur Hälfte aus Fruchtzucker besteht, sollten zuckerreiche Desserts, Kuchen, Softdrinks und Süßigkeiten die Ausnahme bleiben. Beim Frühstück etwa rät Neuner daher statt zu Saft und Marmelade zu Müsli mit Milch und Obst.

Bewegung als Ansporn

Mit weniger Zucker, Fleisch, Wurst sowie mehr Wasser statt Bier sinkt neben dem Risiko für einen neuen Gichtanfall oft auch das Gewicht. Daher lohnt sich eine Ernährungsberatung, die der Hausarzt verordnen kann.

Weniger Kilos heißt auch: Der Körper wird beweglicher. „So können auch Ältere noch einen leichten Alltagssport wie Spazierengehen oder Radfahren entdecken“, sagt Ina Bartels. „Kunden mit Gelenkproblemen motiviere ich dazu, sich fit zu halten. Das tut den Gelenken gut. Und der Spaß an der Bewegung spornt an, schlechte alte Essgewohnheiten abzulegen.“

Nachgefragt: „Medikamente erst nach einem Anfall“

Prof. Dr. med. Monika Reuß-Borst, Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, Bad Bocklet.

Wie lässt sich ein akuter Gichtanfall optimal behandeln?

Im Anfall helfen schmerz- und entzündungslindernde Medikamente, außerdem das betroffene Gelenk ruhig stellen und kühlen.

Wie bekommt man zu viel Harnsäure im Blut in den Griff?

Patienten mit hohen Harnsäure­spiegeln sollten sich von ihrem Arzt beraten lassen, wie sie Gichtanfällen durch viel Flüssigkeit und eine gesunde, pflanzenbetonte Ernährung vorbeugen. Wer immer wieder Gichtanfälle hat oder an anderen harnsäure­bedingten Komplikationen leidet, bekommt in der Regel ein harnsäuresenkendes Medikament verordnet.

Müssen die Mittel lebenslang eingenommen werden?

Treten fünf Jahre lang keine Gichtanfälle und Gichtknoten auf, kann der Arzt das Mittel absetzen. Besonders wenn sich der Lebensstil geändert hat.

Lesen Sie auch:

Entzündetes Großzehengelenk bei Gicht (Schematische Darstellung)

Gicht: Ursachen, Symptome, Therapie

Bei Gicht sammelt sich zu viel Harnsäure im Körper an. Das kann zu einem Gichtanfall mit heftigen Gelenkschmerzen führen, oft in der großen Zehe. zum Artikel