Für viele Ärzte, wie etwa Professor Oliver Mann, stellvertretender Klinikdirektor des Zentrums für Operative Medizin der Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie am Universitätskrankenhaus Hamburg Eppendorf (UKE), war schnell klar, dass sich Menschen mit massivem Übergewicht und Corona-Infektion in einer besonders problematischen Situation befinden. "Ab einem BMI von 30 steigt das Risiko für Nebenerkrankungen dramatisch," so der Adipositas-Experte – in Zusammenhang mit COVID-19 ist das ein sehr wichtiger negativer Faktor.

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Übergewicht und Fettleibigkeit erhöhen das Risiko für zahlreiche Gesundheitsprobleme, etwa für Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislaufprobleme. Und eben auch das Risiko dafür, dass Infektionskrankheiten wie die Grippe - oder die Coronavirus-Erkrankung Covid-19 - einen schweren Verlauf nehmen.

Gibt es etwas, das Intensivmediziner bei der Behandlung von fettleibigen Patienten mit Covid19 besonders im Auge haben?

Unter anderem gilt es hier ganz besonders, die Bildung von Blutgerinnseln (Thrombosen) zu verhindern, die Adern verstopfen und so zu gefährlichen, nicht selten tödlichen Komplikationen führen können. Das Risiko für Gerinnselbildungen ist bei stark übergewichtigen Menschen ohnehin erhöht und steigt bei einer Covid19-Erkrankung vermutlich zusätzlich an. Entsprechend ist es wichtig, mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten wie Heparin dagegen vorzugehen.

Probleme bei der künstlichen Beatmung

Auch wenn eine künstliche Beatmung nötig wird, ist das bei fettleibigen Menschen oft eine besondere Herausforderung. Denn das Fettgewebe behindert auch die Ausdehnung der Lunge, sodass die Beatmungsmaschine die Luft mit höherem Druck in die Lungen pressen muss, damit der Sauerstoff ins Blut gelangt. Im Einzelfall bleiben dann nur noch Verfahren wie die sogenannte ECMO (extracorporale Membranoxygenierung) - eine Art Blutwäsche, bei der das Blut aus dem Körper geleitet, dort mit Sauerstoff angereichert und dann wieder zurückgeführt wird. Das erfordert natürlich viel Erfahrung von den behandelnden Intensivmedizinern und Narkoseärzten.

Übergewicht ist aber auch noch aus anderen Gründen problematisch - es soll ja auch Entzündungen fördern?

Tatsächlich ist das Fettgewebe, insbesondere das Fett im Bauchraum, keineswegs nur ein passiver Energiespeicher, wie man früher annahm. Vor allem das Bauchfett ist sehr aktives Gewebe. Es bildet Boten- und Entzündungsstoffe, die in den Stoffwechsel eingreifen und etwa das Risiko für Bluthochdruck und für Gefäßschäden, auch in den kleinen Gefäßen der Lunge, erhöhen. Da die Blutgefäße, wie wir inzwischen wissen, eine besondere Angriffsstelle für das neue Coronavirus darstellen, dürfte klar sein, dass stark übergewichtige Menschen auch hier eine besondere "Gefahrenstelle" haben.

Was können Menschen mit Adipositas in Zeiten von COVID-19 tun?

Natürlich sollten sie die aktuelle Situation zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, ob und wie sie ihr Gewichtsproblem angehen könnten, insbesondere indem sie ihr Ernährungsverhalten überprüfen. Sehr wichtig ist es auch, bereits bestehende Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck jetzt optimal zu behandeln, das heißt für bestmögliche Blutdruck- und Blutzuckerwerte zu sorgen. Dabei hilft der Hausarzt.

Regelmäßige Bewegung verbessert nicht nur den Blutdruck und den Blutzucker, sie unterstützt auch die Lungen. Tägliche körperliche Aktivität, etwa in Form von raschem Gehen, Schwimmen oder Radfahren, verbessert die Lungenfunktion und hilft dabei, die Lunge für eine möglicherweise bevorstehende Infektion zu wappnen. Allerdings ist es wichtig, dass stark übergewichtige Menschen zuerst mit ihrem Arzt sprechen, wieviel und welche Bewegung sie sich zumuten dürfen - und gegebenenfalls eine Sporttauglichkeitsuntersuchung machen lassen. Und natürlich sollte man, falls man raucht, unbedingt damit aufhören, denn Rauchen schädigt die Lungen bekanntlich ganz besonders.

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