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Wir befinden uns mitten in der vierten Welle und Omikron ist bereits auf dem Vormarsch. Ärzte schätzen, dass die Impfstoffe, die es bislang auf dem Markt gibt, gegen die neue Virusvariante weniger wirken. Das verunsichert und macht Angst. Besonders Menschen aus Risikogruppen wie Diabetikerinnen und Diabetiker machen sich Gedanken.

Gehören Menschen mit Diabetes zur Risikogruppe?

Die gute Nachricht: „Ein klassischer Typ-1-Diabetiker, der gut eingestellt ist, schlank ist, sich ausgewogen ernährt und für ausreichend Bewegung sorgt, gehört nicht zu den Risikopatienten.“, sagt Peter Schwarz, Leiter der Abteilung für Diabetesprävention am Universitätsklinikum Dresden. Er wagt sogar die These, dass solch ein Typ-1-Patient womöglich weniger gefährdet ist als ein Nichtdiabetiker, weil er meistens verantwortungsvoll mit seiner Gesundheit umgeht. Auch Professorin Dr. Monika Kellerer, Präsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) sagt: „Eine gute Diabetes-Therapie kann ausschlaggebend dafür sein, dass eine Covid-19-Erkrankung in Folge des Coronavirus milder verläuft.“ Dennoch: Es kann jeden treffen, jeder kann erkranken. Ob die Erkrankung mild oder schwer verläuft, weiß keiner vorher.

Wer ist gefährdet?

Einer israelischen Studie der Hebrew University von Jerusalem zufolge sind besonders Menschen mit Diabetes Typ 2 gefährdet, vor allem dann, wenn ihr Blutzucker nicht gut eingestellt ist und weitere Risikofaktoren hinzukommen.

Stefan R. Bornstein, Direktor der Medizinischen Klinik sowie des Zentrums für Innere Medizin am Universitätsklinikum Dresden erläutert, dass durch zu hohe Blutzuckerwerte und herabgesetzte Insulinempfindlichkeit das Virus schneller in die Zellen gelangt: „Mit jeder weiteren Komponente, die dazukommt - Übergewicht, sehr viel Fettgewebe und hoher Blutdruck - erhöht sich das Risiko für einen schweren Verlauf.“ Eine schlechtere Prognose haben also auch Diabetespatientinnen und -patienten, die unter häufigen Begleiterkrankungen wie Fettleibigkeit, Bluthochdruck oder Gefäßerkrankungen leiden. Auch Menschen, die zusätzlich zum Diabetes eine schwere Nierenerkrankung (Nephropathie) haben, auf Dialyse angewiesen sind, oder gar eine transplantierte Niere haben, sind besonders gefährdet. Der Grund dafür: Ihr schlechter funktionierendes oder gehemmtes Immunsystem.

Bornstein schätzt, dass die Hälfte der mehr als fünf Millionen Menschen, die an oder mit dem Coronavirus gestorben sind, Diabetiker waren oder an einer Vorstufe litten, manche auch, ohne es zu wissen: „Die Corona-Pandemie hat sich somit auf die globale Fettleibigkeits- und Diabetes-Pandemie draufgesetzt.“ Die Statistiken sprechen für sich: Vor allem Länder mit einer hohen Adipositas-Rate wie USA, Brasilien oder auch einige europäische Staaten hätten die meisten Sterbefälle, so der Experte. In Afrika, wo die Gesellschaft wesentlich jünger und auch schlanker ist, seien die Zahlen viel geringer, selbst wenn man von einer hohen Dunkelziffer ausgehe. „Dort spricht man mittlerweile von der Krankheit des weißen, alten Mannes.“, meint Bornstein. Natürlich gebe es auch junge Menschen, die schwer erkranken oder Kinder mit Post-Covid, das sei aber äußerst selten.

Vergleiche internationaler Datensätze etwa aus England, Schottland oder Schweden zeigten, dass das Risiko wegen einer Covid-Erkrankung auf die Intensivstation zu kommen oder an Corona zu versterben bei Typ-1-Diabetes rund zwei bis viermal und bei einem schlecht eingestellten Typ-2-Diabetes zwei bis fünfmal so hoch ist wie bei vergleichbaren Patienten ohne Diabetes. Während Typ-2-Diabetes vor allem das Risiko bei jüngeren Patienten erhöht, gewinnt Typ-1-Diabetes als Risikofaktor mit zunehmendem Alter und auftretenden Begleiterkrankungen an Bedeutung. So die Ergebnisse, die Professor Naveed Sattar von der Universität Glasgow bei der Jahrestagung der American Diabetes Association (ADA) 2021 präsentierte.

Welche Möglichkeiten gibt es sich zu schützen?

Die Impfung ist für alle Menschen die wichtigste aller Schutzmaßnahmen. Für Diabetes-Patienten, die etwa stark übergewichtig sind, an Bluthochdruck leiden oder eine andere chronische Begleiterkrankung zum Diabetes mitbringen, ist es besonders wichtig, sich erst gar nicht mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 oder einer seiner Varianten anzustecken. Daher sollten sie sich auch rechtzeitig die Booster-Impfung holen. Daten einer israelischen Studie aus dem Juli zeigen, dass es mehr Durchbrüche gibt, je länger die Immunisierung zurückliegt.

Und leider sei die Zahl der Doppeltgeimpften, die schwer erkranken, auf der Intensivstation behandelt werden müssen oder gar sterben, nicht unerheblich, erzählt Bornstein, der engen Kontakt zu den Kollegen in Israel hält. So wurden für die Studie zweifach geimpfte 152 Covid-19-Patienten beobachtet, die einen so schweren Verlauf hatten, dass sie ins Krankenhaus mussten. Die Patientengruppe zeichnete sich insgesamt durch eine hohe Rate an Vorerkrankungen aus, wie Bluthochdruck, chronische Nieren- und Lungenerkrankungen, Demenz oder Krebs. Interessant war, dass 73 Patientinnen und Patienten Diabetiker waren.

Dass auffällig viele doppelt geimpfte Diabetes-Patientinnen und -Patienten trotzdem einen schweren Verlauf erleiden können, ist für Bornstein so erklärbar: „Impfungen wirken bei Diabetikern schlechter, nicht nur die Impfung gegen SARS-CoV-2. Wir können das auch bei der Grippeschutzimpfung beobachten.“ Daher ist es gerade für Diabetikerinnen und Diabetiker wichtig, die jetzt angebotenen Auffrischungsimpfungen gegen Covid-19 wahrzunehmen.

Ein wichtiger Baustein, um sich zu schützen, ist auch eine gute Blutzuckereinstellung. Der Diabetologe Schwarz appelliert an die Risikogruppe, ihren Lebensstil zu ändern: „Ein übergewichtiger Typ-2-Diabetiker kann durch eine Ernährungsumstellung und regelmäßige Bewegung sein Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken oder daran zu versterben, senken. “ Nicht zuletzt deshalb, weil auch die Medikamente, die momentan bei schweren Verläufen eingesetzt werden, besser wirken, wenn sich der Zucker optimal eingestellt ist.

Betroffene sollten außerdem nach wie vor und besonders in Zeiten hoher Inzidenzen trotz Impfung Abstand zu anderen Menschen halten, an belebten Orten einen Mund-Nasen-Schutz tragen, Menschenansammlungen meiden und die allgemeinen Hygienemaßnahmen beachten.

Was tun bei welchen Symptomen?

Diabetes-Patienten, die sich mit dem Coronavirus angesteckt haben und an Covid-19 erkrankt sind oder den Verdacht haben, dass sie krank sein könnten empfiehlt die DDG, schnell mit einem Arzt Kontakt aufzunehmen. Das gilt insbesondere für Betroffene mit Begleiterkrankungen oder starkem Übergewicht, Frauen mit einem Schwangerschaftsdiabetes oder schwangere Diabetikerinnen. Tun Sie das bitte telefonisch – und erscheinen Sie nicht einfach in der Praxis! Bei milden Symptomen oder wenn Kontakt zu einem Infizierten bestand, nehmen Sie telefonisch Kontakt zum zuständigen Gesundheitsamt, der Hausarztpraxis oder dem ärztlichen Bereitschaftsdienst auf. Ein PCR-Test auf SARS-CoV-2 ist dann wichtig. Wer Grippesymptome hat, aber gut Luft bekommt, könne sich meist zu Hause auskurieren, sagt der Diabetologe Schwarz. Wenn sich allerdings der Allgemeinzustand verschlechtere oder hohes Fieber dazukomme, sollte man den Arzt verständigen. Laut Schwarz sei vor allem Luftnot, vor allem wenn sie schon in Ruhe besteht, ein Zeichen, bei dem man sich unverzüglich in die Klinik begeben sollte. Aber es gebe auch andere Konstellationen, die einen schweren Verlauf bedeuten können. „Gerade bei Jüngeren wäre das eine deutliche Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit.“, so Schwarz. Betroffene sollten sich, wenn sie sich sehr schlecht fühlen, an die Hausärztin oder den Hausarzt oder den Bereitschaftsdienst (116117) wenden. Bei akuter Luftnot beziehungsweise lebensbedrohlichen Zuständen, unverzüglich den Rettungsdienst unter 112 anrufen und auf die Covid-19-Erkrankung verweisen.

Behandlung von Diabetes-Patienten mit Covid-19

Wenn sich die Symptome so stark verschlimmern, dass man ins Krankenhaus muss, ist es wichtig, den Arzt und die Krankenpflegerinnen auf die Diabetes-Erkrankung hinzuweisen und Stationsärzte zu bitten, im Zweifel mit dem Hausarzt oder der Diabetologin Kontakt aufzunehmen. Meist kümmern sich Erkrankte, solange sie das können, selbst um ihren Blutzucker. Sollte sich der Zustand verschlechtern, übernimmt das Pflegepersonal die Messungen, und die Ärztin oder der Arzt steuert die Therapie. Bei einem schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung wird ohnehin auch das Blut der Patienten regelmäßig untersucht und auf den Blutzuckerwert geachtet. Teilweise kann es nötig sein, eine Tablettentherapie vorübergehend auf eine Insulintherapie umzustellen. Das senkt das Risiko für schwere Stoffwechselentgleisungen.

Die DDG hat bereits im vergangenen Jahr für Ärzte „Praktische Empfehlungen zum Diabetes-Management bei Patientinnen und Patienten mit einer Covid-19-Erkrankung“ herausgeben.

Mediziner weltweit forschen außerdem unermüdlich daran, welche Medikamente bei Covid-19 eingesetzt werden können. Auch das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) beteiligt sich an verschiedenen Forschungsinitiativen und Studien