Logo der Apotheken Umschau

Mit den Sars-CoV-2-Infektionszahlen wächst auch die Sorge vieler stillender Mütter: Könnten sie im Falle einer Ansteckung das Corona-Virus mit der Muttermilch an ihr Baby weitergeben? Unter anderem eine US-amerikanische Studie scheint hier Entwarnung zu geben: Es gebe keine Hinweise darauf, dass kürzlich infizierte Mütter durch das Stillen ansteckende Viren aufs Kind übertragen, berichten die Mediziner im Fachblatt Pediatric Research.

Die Studie ist zwar sehr klein, bestätigt aber Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der deutschen Nationalen Stillkommission. Infizierte Mütter sollten beim Stillen indes einige Vorsichtsmaßnahmen beachten. Konkret untersuchte ein Team um den Kindermediziner Paul Krogstad von der US-amerikanischen University of California Muttermilchproben von 110 stillenden Frauen, welche diese zwischen März und September 2020 an das Projekt "Mommy's Milk Human Milk Biorepository" der Universität gespendet hatten. Von diesen Frauen wiesen 65 einen positiven PCR-Test auf, neun zeigten trotz negativen Tests Symptome und 36 waren symptomatisch, wurden aber nicht getestet.

Neue Studie: Antivirale Stoffe in Muttermilch wirken auch gegen SARS-CoV-2

Nach Erkenntnissen einer chinesischen Studie vom März 2022 können verschiedene Biomoleküle in der Muttermilch das Immunsystem des Säuglings sogar dabei unterstützen, eine Infektion mit SARS-CoV-2 abzuwehren. Die antiviralen Substanzen, die auch gegen anderen Viren wie Cytomegalie-Viren wirken, greifen offenbar auch gegen das Coronavirus. Hierzu ist jedoch noch weitere Forschung nötig.

Corona-Viren in Studie nicht per Muttermilch übertragbar

Bei der Analyse der Proben fanden die Mediziner zwar in der Muttermilch von sieben Frauen (sechs Prozent), die entweder positiv getestet wurden oder angegeben hatten, symptomatisch zu sein, genetisches Material von Sars-CoV-2. Allerdings konnten sie keine vermehrungsfähiges, ansteckendes Virus oder Genmaterial, das darauf hinweist, sogenannte subgenomische RNA (SgRNA), feststellen. Ebenso gab es bei keinem der Säuglinge dieser sieben Mütter klinische Anzeichen einer Corona-Infektion. Darüber hinaus enthielt eine zweite Muttermilchprobe der Frauen, die zwischen einem und 97 Tagen später entnommen wurde, auch keine Sars-CoV-2-RNA mehr.

Auch wenn es nicht eindeutig bewiesen ist, scheint es daher eher unwahrscheinlich, dass Frauen, die mit Covid-19 infiziert sind und ihr Kind stillen, das Virus über die Muttermilch übertragen – eine Sorge, die mit Blick auf andere Erreger durchaus nachvollziehbar ist. So ist etwa von HI- oder Ebola-Viren bekannt, dass diese übers Stillen aufs Baby übertragen werden können. "Muttermilch ist eine unschätzbare Nahrungsquelle für Säuglinge", betont Hauptautor Krogstad und fasst zusammen: "In unserer Studie fanden wir keine Hinweise darauf, dass die Muttermilch von mit Corona infizierten Müttern infektiöses genetisches Material enthielt, und es gab auch keine klinischen Anzeichen dafür, dass sich die Säuglinge infiziert hatten, was darauf hindeutet, dass das Stillen wahrscheinlich keine Gefahr darstellt."

Allerdings weisen die Autoren selbst darauf hin, dass die Stichprobengröße in ihrer Studie gering sei und möglicherweise nicht alle potenziellen Faktoren erfasst worden seien, die das Vorhandensein von Sars-CoV-2-RNA in der Muttermilch vorhersagen würden. Dennoch passt ihr Ergebnis zu früheren Veröffentlichungen: So hatten beispielsweise italienische Mediziner 2021 im Fachblatt JAMA Network Open von 21 Neugeborenen berichtet, deren Mütter sich in der späten Schwangerschaft mit Covid-19 angesteckt hatten. Keines der Babys zeigte in den ersten beiden Monaten nach der Geburt Symptome. Zudem waren bei gestillten Kindern deutlich höhere Mengen spezifischer Antikörper gegen Sars-CoV-2 nachweisbar als bei solchen, die Säuglingsnahrung bekommen hatten.

Mundschutz auch während des Stillens

Für infizierte Frauen empfiehlt die deutsche "Nationalen Stillkommission" folgendes Vorgehen:

  • Vor und auch nach dem körperlichen Kontakt mit dem Kind sollte die Mutter gründlich die Hände waschen. Gründlich heißt: etwa zwanzig Sekunden lang. "Das ist länger als man denkt", sagt Professor Berthold Koletzko: "Etwa so lange dauert es, das Lied ‚Happy birthday‘ zweimal hintereinander zu singen".
  • Das Anlegen eines Mundschutzes vor dem Aufnehmen des Kindes und das Tragen auch während des Stillens, trägt dazu bei, die Übertragung über Tröpfchen zu verhindern.
  • Kann die Mutter ihr Kind nicht stillen, kann die Muttermilch auch abgepumpt und dem Baby durch den Vater oder eine andere Person gefüttert werden. Vor dem Abpumpen sollte die Mutter die Hände gründlich waschen, bevor sie Teile der Pumpe oder des Fläschchens berührt. Pumpe und Fläschchen sollten nach jedem Gebrauch sterilisiert werden.
  • Mütter, die sich noch in der Geburtsklinik befinden oder aus anderen Gründen stationär aufgenommen worden sind, sollten sich durch die Kinder- und Jugendärzte der Klinik beraten lassen.
  • Mit Tröpchen, Speichel und ähnlichem von infizierten Personen verunreinigte Flächen sollten gereinigt oder desinfiziert werden.
58552303_b3216ba1ff.IRWUBPROD_52ET.jpeg

„Corona kann zu Frühgeburten führen“

In einigen Ländern gab es im ersten Lockdown weniger Frühchen. Nicht so in Deutschland: Geburts­mediziner Dietmar Schlembach erklärt warum – und warnt vor der Corona-Infektion zum Artikel