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Die Mehrheit der Menschen mit Long Covid erholt sich nach Wochen bis Monaten wieder von den Folgen ihrer Sars-CoV-2-Infektion. Ein Teil der Patientinnen und Patienten hat jedoch länger als drei Monate und in einigen Fällen dauerhaft mit den Nachwirkungen der Erkrankung zu kämpfen – diese Menschen haben „Post-Covid“. Wie viele es sind, ist noch unklar, aber erste Studien weisen darauf hin, dass zwei von 100 Infizierten mit mildem Krankheitsverlauf chronisch unter dem Post-Covid-Syndrom leiden.

Fragwürdige Therapien

Die verfügbaren Behandlungen können bei diesen Patientinnen und Patienten zwar zeitweise Symptome lindern, aber die Krankheit bleibt. Damit wollen sich viele nicht abfinden. „Es gibt Menschen mit Post-Covid, die schon sehr lange krank, verzweifelt und deshalb bereit sind, alles zu probieren, was die geringste Aussicht auf Erfolg hat“, sagt Professor Andreas Stallmach vom Univer­sitätsklinikum in Jena, der in der Post-Covid--­Ambulanz der Klinik Betroffene behandelt.

Eine solch geringe Aussicht auf Erfolg scheint derzeit vieles zu haben. Von Nahrungsergänzungsmitteln über neue oder alte Arzneien bis hin zu appara­tiven Verfahren: In den Medien und auf Praxis-Websites im Internet tauchen immer wieder Berichte über Therapien auf, die einzelnen oder mehreren Erkrankten geholfen haben sollen. Für Menschen ohne medizinische Vorkenntnisse ist dabei oft nicht ersichtlich, ob sich hinter den Therapien in den Berichten ein seriöser wissenschaftlicher Ansatz verbirgt – oder ein Verfahren, das zwar angeblich wirksam sein soll, aber die Betroffenen in erster Linie um ihr Geld bringt.

Aussagekräftige Studien fehlen

Fest steht, dass ausnahmslos alle kurativen – also auf Heilung zielenden – Behandlungen derzeit experimentell sind. Das bedeutet, dass sie gar nicht, noch nicht oder erst seit Kurzem in klinischen Studien auf eine mögliche Wirkung bei Post-Covid untersucht werden. Dazu gehören mehrere Formen der Blutwäsche, die im Fachjargon Apherese genannt wird. Allen Apherese-Verfahren liegt die Annahme zugrunde, dass sich im Blut der Erkrankten schädliche Stoffe befinden, die durch die Infektion entstanden sind, aber vom Körper nicht entfernt werden können. Die Blutwäschen sollen den Genesungsprozess einleiten, indem sie diese Bestandteile aus dem Blut herausfiltern.

Bei der Lipid-Apherese werden an Eiweiße gebundene Blutfette entfernt. Zwar hat gerade diese Art der Blutwäsche, zum Beispiel als „H.E.L.P“-Apherese, viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, da damit weltweit bereits Tausende Menschen mit Post-Covid behandelt worden sein sollen. Angeblich mit großem Erfolg. Belegt ist ein Effekt nicht, die Behandlungen fanden im Rahmen individueller Heilversuche statt, nicht in Studien. Es waren also Einzelfälle. Nach Ansicht einiger medizinischer Fachgesellschaften gibt es keinen Mechanismus, der eine Wirkung erklären könnte. Von einer Lipid-Apherese bei Post-Covid wird auch wegen der Belastung des Körpers durch das Verfahren abgeraten.

Heilung durch Immunadsorption umstritten

Etwas anders sieht es mit der Immun­adsorption aus, einer Apherese-Methode, die Autoantikörper aus dem Blutplasma entfernt. Es handelt sich um vom Körper selbst produzierte Abwehrstoffe, die sich gegen das eigene Gewebe richten. Sie könnten, so zumindest eine Vermutung, an der Entstehung von Post-Covid beteiligt sein. Neben Einzelfallberichten, die diese Hypothese bestätigen sollen, gibt es inzwischen auch Daten, dass das Verfahren tatsächlich Autoantikörper entfernt.

Für den Post-­Covid-Experten Stallmach ist das aber noch kein Beleg für einen positiven Effekt. „Die Frage lautet doch: Was ist das Ziel?“, sagt der Internist. Wenn das Ziel sei, Autoantikörper zu entfernen, dann erreiche die Immunadsorption das vermutlich, erläutert Stallmach. „Ist das Ziel aber, dass es den Patienten besser geht, dass sich die Erschöpfung auflöst, dass sie wieder am so­zialen Leben teilnehmen und sich besser konzentrieren können, dann fehlt weiterhin der Beleg für eine Wirkung.“

Behandlung mit Herzmedikamenten?

Ob ein solcher Effekt statt mit Blutwäschen mit Medikamenten erzielt werden kann, ist ebenfalls noch unklar. An der Universität Erlangen soll eine Studie klären, ob das Herzmedikament BC 007 Menschen mit chronischer Erschöpfung beziehungsweise Post-Covid helfen kann. Die neuartige Arznei ist ebenfalls gegen Autoantikörper gerichtet, auch hier gibt es Einzelfallberichte über erfolgreiche Behandlungen. Offen ist jedoch, ob die Studie einen solchen Effekt bestätigen kann – oder ob die Hypothese der Autoantikörper sich schlussendlich gar nicht bestätigen lässt. Auch Entzündungsprozesse oder schlummernde Viren im Körper könnten als mögliche Ursachen an Post-Covid und chronischer Erschöpfung beteiligt sein.

Gut geplante Studien erforderlich

„Wir brauchen nicht unbedingt mehr Studien“, sagt Stallmach. „Was wir brauchen, sind gut geplante, gut durchgeführte Studien, die uns hinsichtlich einer wirksamen Post-Covid-Therapie weiterbringen.“ Auch für die Erkrankten sei wichtig, dass sie an solchen qualitativ hochwertigen Studien teilnehmen können, anstatt individuell und auf eigene Kosten nach Hilfe suchen zu müssen. „Diese Menschen verkaufen möglicherweise ihr Auto oder lösen ihre Lebensversicherung auf – nur um an eine Behandlung zu kommen“, sagt der Professor. „Das finde ich unethisch. Und da sehe ich die Medizin in der Pflicht, etwas anzubieten.“

Auch Monate nach der überstandenen Corona-Infektion noch immer nicht gesund: Long- und Post-Covid-Betroffene warten oft verzweifelt auf eine wirksame Therapie.

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Quellen: