Logo der Apotheken Umschau

Sehr wahrscheinlich nicht. Zwar steigt seit einigen Wochen die Zahl der gemeldeten Fälle von Covid-19 wieder an. Insgesamt ist die Inzidenz mit neun Fällen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner (Stand 14.09.23) aber weiterhin sehr niedrig. Weil kaum noch getestet wird, ist allerdings davon auszugehen, dass die Dunkelziffer um Einiges höher liegt.

Für Prof. Dr. Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum Frankfurt ist die Zunahme der Infektionen keine Überraschung: „Das war schon in den letzten Jahren nach den Sommerferien zu beobachten und erwartbar“, sagt die Virologin. Manche Expertinnen und Experten bringen den diesjährigen sommerlichen Anstieg auch mit dem Anlaufen der Blockbuster „Barbie“ und „Oppenheimer“ im Kino in Verbindung, weshalb mitunter von einer „Barbenheimer“-Welle gesprochen wird.

Klar ist: Wenn wir uns in geschlossenen Räumen aufhalten und viele enge Kontakte haben, steigt das Infektionsrisiko. Daher gehen Fachleute davon aus, dass es im kommenden Herbst und Winter erneut eine Zunahme an Infektionen geben wird. Durch Impfungen und zusätzliche Infektionen bestehe in der Bevölkerung aber mittlerweile „eine recht stabile Immunität, die uns vor einer schweren Erkrankung schützt“, sagt Ciesek. Daran werden vermutlich auch die neuen Virusvarianten, die aktuell zirkulieren, nichts ändern.

Derzeit dominieren verschiedene Varianten des Virus, die immer noch zur Omikron-Variante gehören, sich aber weiter verändert haben. „Im Frühjahr 2023 wurde die weltweit vorherrschende BA.5-Variante zunehmend durch Omikron-XBB verdrängt“, erklärt Prof. Dr. Frank Kirchhoff, Virologe am Universitätsklinikum Ulm. Im Vergleich zum Ursprungsvirus weist XBB etwa 42 Mutationen in einem Eiweiß auf der Virusoberfläche (Spike- oder Stachelprotein) auf. Dieses Eiweiß benötigt das Virus, um an menschliche Zellen anzudocken.

In den vom RKI untersuchten Proben fand sich zuletzt zunehmend die Omikron-Variante EG.5, auch „Eris“ genannt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Eris als "Variant of Interest" eingestuft. Die Variante ging aus XBB hervor und trägt eine zusätzliche Mutation im Spike-Protein. „Welchen Einfluss diese neue Mutation auf die Übertragbarkeit, die Schwere der Erkrankung und die Wirksamkeit von Impfstoffen hat, wird aktuell noch untersucht“, erklärt Dr. Fabian Zech, der die Entwicklung von SARS-CoV-2 in Ulm gemeinsam mit Kirchhoff aufmerksam beobachtet. Ähnliches gilt für „Pirola“ (wissenschaftlicher Name: BA.2.86), eine noch neuere Omikron-Variante, die schon in einigen Ländern, inzwischen auch in Deutschland, nachgewiesen wurde.

Zwar sei das Virus sehr dynamisch und anpassungsfähig. Dass es sich unserer Immunantwort durch weitere Mutationen irgendwann komplett entzieht, halten die Virologinnen und Virologen allerdings für „sehr unwahrscheinlich“. Zum einen, weil der Körper gegensteuere: „Unsere Antikörper passen sich an neue Virusvarianten an, und das Virus wiederum entwickelt Mutationen, um diese angepassten Antikörper zu umgehen“, sagt Kirchhoff.

Zum anderen sind Antikörper nur ein Teil der sehr anpassungsfähigen Abwehr eines Menschen. Der zweite Teil wird von sogenannten T-Zellen vermittelt. Diese T-Zell-Immunität und ihr Gedächtnis sind weit weniger anfällig für Veränderungen des Virus, als es die Immunität durch Antikörper ist.

„Seit wir die Impfungen haben und die Bevölkerung durch Impfungen – oder Impfungen und durchgemachte Infektionen – eine gute Immunität aufgebaut hat, gibt es deutlich weniger schwere Erkrankungen“, sagt Prof. Dr. Leif-Erik Sander von der Berliner Charité. „Von der Krankheitsschwere her sind wir jetzt eher auf dem Niveau der saisonalen Grippe.“ Das bedeutet: Wer sich infiziert, kann trotz bestehender Immunität durchaus krank werden und für einige Tage oder selten auch Wochen das Bett hüten müssen – mit Fieber, Kopf-, Hals- und Gliederschmerzen, Schnupfen, Riechstörungen und Husten.

Ganz ähnlich wie bei den meisten Grippeerkrankungen, die oftmals harmlos verlaufen, aber ebenfalls sehr unangenehm ausfallen und in einigen Fällen lebensbedrohlich werden können. Zu Beginn der Pandemie, als Vergleiche mit der Grippe als Argumente gegen die bevölkerungsweiten Corona-Maßnahmen vorgebracht wurden, sei das aber anders gewesen, ergänzt der Infektiologe. „Damals stimmte der Vergleich definitiv nicht“, sagt Sander. „Je nach Altersgruppe war die Sterblichkeit durch Covid-19 anfänglich zehn bis zwanzig Mal so hoch wie bei einer durchschnittlichen Influenzawelle“. Das neue Coronavirus sei auf eine komplett ungeschützte Bevölkerung getroffen. „Das ist jetzt anders“, sagt der Infektiologe.

Wie im Hochwasserschutz hätten die Impfungen und Infektionen eine Art Deich gegen Sars-CoV-2 errichtet, der die Menschen vor schweren Erkrankungen und hoher Sterblichkeit bewahrt. „Bildlich gesprochen kann dieser schützende Deich immer noch brechen, aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr viel geringer als noch vor drei Jahren.“

Die neuen Impfstoffe sind an XBB.1.5 angepasst, einer von Omikron abstammenden Linie des Erregers, zu der auch alle derzeit beobachteten Varianten gehören. Das Impfprinzip ist jeweils gleichgeblieben. Für die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna werden Baupläne für das Spike-Protein des Virus ins Gewebe des Impflings gebracht. Die körpereigenen Zellen bauen dieses Eiweiß zusammen und präsentieren es dem Immunsystem, welches dann eine Immunität aufbaut. Dieses Konzept hat bislang sehr gut funktioniert.

Zudem hat auch Novavax seinen Impfstoff auf Eiweißbasis aktualisiert. Experimentelle Daten zeigen nach Angaben der Hersteller, dass die Impfstoffe eine gute Immunantwort hervorrufen – auch gegen die aktuell dominanten Virusvarianten. Es ist also davon auszugehen, dass die Impfstoffe jeweils ähnlich wirksam sind wie ihre Vorgänger.

Die mittlerweile vierte Version des Corona-Impfstoffs von Biontech und Pfizer hat nach einem beschleunigten Verfahren am 31. August 2023 die Zulassung in Europa erhalten. Der angepasste Impfstoff wird nun ausgeliefert und soll ab der dritten Septemberwoche in Arztpraxen, Apotheken mit Impfangebot und auch bei Betriebsärztinnen und -ärzten verfügbar sein. Seit dem 15. September 2023 ist auch der an XBB.1.5 angepasste Covid-19-Impfstoff von Moderna zugelassen. Und auch der angepasste, alternative Impfstoff von Novavax soll noch im September ausgeliefert werden können. Für die Impfungen werden keine Impfzentren mehr verfügbar sein. Wer sich impfen lassen möchte, sollte einen Termin mit der Hausarztpraxis oder einer Apotheke mit Impfangebot machen. Auffrischungsimpfungen ab der vierten Dosis dürfen von Apotheken allerdings nur auf ärztliche Anordnung hin vorgenommen werden.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut beschränkt ihre Empfehlung für eine Auffrischung weiterhin auf sogenannte Risikogruppen. Dazu zählen Menschen ab 60 Jahren, deren Immunsystem aufgrund ihres höheren Alters möglicherweise nicht mehr so gut funktioniert. Auch jüngere Menschen – ab einem Alter von sechs Monaten – mit Grunderkrankungen wie Diabetes oder einem Lungenleiden sollten ihren Impfschutz alle zwölf Monate auffrischen. Und schließlich empfiehlt die STIKO eine regelmäßige Nachimpfung für Pflegekräfte, medizinisches Personal, so wie alle Mitarbeiterinnen und Bewohner von Betreuungseinrichtungen, da sie durch den engen Kontakt zu Patientinnen und Patienten oder anderen Personen potenziell selbst ein erhöhtes Risiko für eine Infektion haben.

Zugelassen ist der angepasste Impfstoff für Säuglinge ab sechs Monaten. Eine Impfung von Kindern und Jugendlichen wird derzeit aber nur empfohlen, wenn eine Grunderkrankung vorliegt. Erwachsene, die bereits geimpft, gesund und jünger als 60 Jahre sind, sind in der Regel gut geschützt und benötigen nicht zwingend eine Auffrischung. Wer sie dennoch will, kann sich aber impfen lassen. „Das muss und kann jeder außerhalb der von der STIKO definierten Risikogruppen selbst entscheiden“, sagt Sandra Ciesek. Oft gebe es persönliche Gründe, die dafür oder dagegen sprechen. Die solle man mit dem Hausarzt besprechen.

Seit dem 8. April 2023 gehören COVID-19-Schutzimpfungen zur Regelversorgung für gesetzlich Krankenversicherte. Auf welche Impfungen Sie Anspruch haben und die somit von den Kassen bezahlt werden, ist in der Schutzimpfungs-Richtlinie geregelt. Sie basiert auf Empfehlungen der STIKO. Hält ein Arzt oder eine Ärztin eine darüber hinausgehende Covid-19-Impfung für medizinisch erforderlich, haben Versicherte auch Anspruch darauf.

In Hessen kann es sein, dass Sie die Kosten zunächst auslegen müssen. Denn in diesem Bundesland verhandeln die Krankenkassen noch immer mit den Kassenärztlichen Vereinigungen darüber, wie die Impfungen künftig vergütet werden soll. Hat der Arzt oder die Ärztin die Impfung empfohlen, reichen Sie die Rechnung anschließend bei Ihrer Krankenkasse ein und bekommen den Betrag erstattet. Privatversicherte sind dieses Verfahren ohnehin gewohnt. Ob die Kosten übernommen werden, hängt hier aber vom Vertrag ab.

Ein knappes Viertel der deutschen Bevölkerung hat bis zum vergangenen April keine einzige Impfdosis der bislang verfügbaren Immunisierungen erhalten. Zwar ist davon auszugehen, dass ein großer Teil dieser Menschen eine Infektion durchgemacht und daher eine gewisse Immunität entwickelt hat. Die STIKO weist aber darauf hin, dass erst der dreimalige Kontakt mit dem Spike-Protein des Virus eine Basisimmunität erzeugt, die ausreichend vor schweren Erkrankungen schützt. Davon sollten mindestens zwei Kontakte durch Impfungen zustande kommen. Es gibt demnach gute Gründe für Ungeimpfte, die noch nicht krank waren oder einmalig infiziert waren, sich jetzt impfen zu lassen. Sonst bleibt das Risiko schwerer Erkrankungen bei ihnen erhöht.

Testpflichten am Arbeitsplatz oder in der Schule wird es wohl nicht mehr geben, auch die kostenlosen Bürgertests in den Testzentren sind abgeschafft. Das Bundesgesundheitsministerium empfiehlt dennoch, bei Symptomen einen Schnelltest zu Hause zu machen. Im Rahmen einer Krankenbehandlung kann von der Ärztin oder dem Arzt auch ein PCR-Test angeordnet werden, den dann die Krankenkasse bezahlt. Es bleibt aber jedem Menschen weitestgehend selbst überlassen, ob er sich testet oder testen lässt. Eine Testung könnte wichtig sein, wenn die betreffende Person ein Altersheim, ein Krankenhaus oder Menschen mit einem erhöhten Risiko für schwere Covid-Verläufe besucht. Die verfügbaren Schnelltests für zu Hause sprechen auch auf die neuen Varianten an.

Es gibt keine strikten Vorgaben mehr, wie sich Menschen mit einer Sars-CoV-2-Infektion zu verhalten haben. Gesundheitsfachleute empfehlen, bei Symptomen wie Schnupfen oder Halsschmerzen zum Schutz der Mitmenschen eine Maske zu tragen. Und möglichst nicht zur Arbeit, zur Schule oder in die Kita zu gehen, bis die Erkrankung abgeklungen ist. Dabei spielt es keine entscheidende Rolle, ob der Infekt von Sars-CoV-2, einem Grippevirus oder anderen Atemwegserregern herrührt. „Insgesamt ist es sinnvoll, in der Erkältungszeit wieder vermehrt auf Hygiene zu achten, um nicht jeden Infekt mitzunehmen“, rät Sandra Ciesek.