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„Ist doch nicht so schlimm, das heilt wieder“ denken sich wohl die meisten bei Druck- und Scheuerstellen oder Blasen an den Füßen. Stimmt – eigentlich. Doch auf viele Menschen mit Diabetes trifft das nicht zu. Infolge langjährig schlecht eingestellter Blutzuckerwerte kann es bei ihnen zu Durchblutungsstörungen und Nervenschäden kommen. Bei ihnen können sich aus kleinsten Verletzungen chronische Wunden entwickeln, die sich nur schwer behandeln lassen. Diabetisches Fußsyndrom nennt man das. Das kann bis zur Amputation führen. Damit es so weit nicht kommt, sind neben einer guten Einstellung des Blutzuckers und der regelmäßigen Kontrolle der Fußgesundheit auch die richtigen Schuhe und Einlagen wichtig, wie die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) betont. Dafür sei die Beratung und Anpassung im Fachgeschäft unerlässlich.

Oliver Giesow ist Orthopädie-Schuhmachermeister in Hamburg und berät in seinem Geschäft seit vielen Jahren auch Menschen mit Diabetes. Er sagt: „Wir freuen uns über jeden Diabetiker, der Schmerzen spürt.“ Das klingt etwas verrückt, ergibt aber durchaus Sinn: Denn beim diabetischen Fußsyndrom können infolge eines langjährigen, schlecht eingestellten Diabetes die Nerven geschädigt sein, sodass das Schmerz- und Berührungsempfinden vor allem in den Füßen abnimmt. Die Betroffenen verlieren das Gefühl in den Füßen und spüren dadurch kaum oder gar keine Schmerzen mehr. Keine Schmerzen mehr zu spüren ist also ein sehr schlechtes Zeichen und die Aussage von Oliver Giesow gar nicht so seltsam, wie man zunächst denkt. Liegen zusätzlich Durchblutungsstörungen vor, führt das außerdem noch zu einer schlechteren Wundheilung.

Worauf man bei Schuhen achten sollte

„Schuhe müssen genug Platz bieten, damit nichts scheuert oder drückt“, betont Giesow. Gerade vorne muss etwa eine Daumenbreite Platz sein. Er rät außerdem, sich nicht nur an seiner gewohnten Schuhgröße zu orientieren und nennt zwei Gründe: Schuhe fallen je nach Hersteller unterschiedlich aus. Und: „Im Laufe des Lebens werden die Füße breiter und länger“, erklärt er. Deshalb sollte man Schuhe unbedingt anprobieren und zwar nicht im Sitzen, sondern im Stehen. Außerdem sollten gerade Lederschuhe nicht so viele Nähte haben. Diese könnten scheuern und hindern durch ihre Festigkeit das Leder daran, sich dem Fuß anzupassen.

Das Problem ist, dass bei einer Neuropathie die gesamte Sensibilität in den Füßen leidet. Giesow erklärt das so: „Der Tastsinn lässt nach. Betroffene merken nicht, ob es rutschig ist, bergauf oder bergab geht. Sie treten sozusagen ins Leere.“ Was vielen Halt geben soll, ist der Schuh. Die Folge: „Fast alle haben zu kleine Schuhe. Die wirken wie eine Presse und geben etwas Körpergefühl beim Laufen.“ Statt zu kleine Schuhe sollte man sich besser welche zulegen, die eine durchgehende Sohle haben und eine sogenannte Abrollung: Dabei ist die Sohle vorne am Schuh etwas hochgezogen. Das gibt Stabilität und entlastet den Fuß.

Auch Einlagen vor Ort anpassen lassen

Wenn die Schuhe mit Einlagen getragen werden sollen, muss man besonders darauf achten, dass sie groß genug sind. „Einlagen für Diabetiker sind weich gepolstert und brauchen viel Platz“, erklärt Giesow. Am besten nimmt man die Einlage mit, wenn man neue Schuhe kauft. Auch diese speziellen Einlagen werden individuell an den Fuß angepasst, wie Giesow erklärt. Betroffene bekommen sie von der Ärztin oder dem Arzt verschrieben. Orthopädie-Schuhtechnikerinnen und -techniker passen und fertigen sie an und prüfen den Sitz.

Inzwischen gibt es auch Hersteller, bei denen Patientinnen und Patienten sich Einlagen im Internet bestellen können. Das läuft in etwa so ab: Sie lassen sich ein Set schicken, mit dem sie den Abdruck selbst erstellen können und füllen einen Fragebogen aus. Das Ganze geht an den Hersteller zurück, wird vom Fachmann angefertigt und an den Patienten oder die Patientin zurückgeschickt.

Davon halten weder Orthopädie-Schuhmachermeister Giesow noch die DDG und weitere medizinische Fachgesellschaften etwas. „In Anbetracht des enormen Gefahrenpotenzials, das von ungeeigneten Einlagen oder Schuhen ausgeht, ist eine Beratung nur per Telefon oder Video auf keinen Fall ausreichend“, sagt DDG-Präsident Professor Andreas Neu laut Mitteilung. Im Oktober 2021 hat die DDG deshalb gefordert, die Hilfsmittelversorgung für Patienten mit diabetisch-neuropathischem Fußsyndrom von der online-Versorgung auszunehmen. Krankenkassen, wie beispielsweise die Barmer, die den Online-Bestellservice bereits angeboten hatten, haben die Schuheinlagen per Mausklick derzeit ausgesetzt.

Menschen mit diabetischem Fußsyndrom können sich, wenn es medizinisch erforderlich ist, spezielle Diabetikerschutzschuhe anfertigen lassen. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen in der Regel bis auf einen Eigenanteil die Kosten für ein Paar. Es sollte in der Regel mindestens zwei Jahre getragen werden. Spezielle Einlagen werden als so genannte für Diabetes adaptierte Fußbettung bezeichnet. Bei ihnen ist aus hygienischen Gründen auch die Verordnung von zwei Paaren möglich. Erkundigen Sie sich bei Ihrer Diabetologin oder Ihrem Diabetologen.

Füsse

Diabetischer Fuß

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