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Ein, aus, ein, aus … So geht das Tag und Nacht, der Brustkorb hebt und senkt sich. Meist atmen wir ganz automatisch und denken nicht viel darüber nach. Erst wenn wir den Atem kontrollieren müssen, zum Beispiel beim Schwimmen unter Wasser, oder wenn uns das Luftholen schwerfällt, wird uns bewusst, wie wichtig unsere Lungen sind.

Menschen mit Diabetes klagen öfter über Luftnot und Kurzatmigkeit. Besonders bei Typ-2-Diabetikern treten bestimmte Lungenerkrankungen öfter auf als bei Gleichaltrigen ohne Diabetes. „Sie erkranken häufiger und schwerer, die Krankheit nimmt oft einen schnelleren Verlauf“, erklärt Dr. Stefan Kopf von der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie, Stoffwechselkrankheiten und Klinische Chemie am Universitätsklinikum Heidelberg. Viele Menschen mit Typ 2 haben außerdem Übergewicht. Das beeinträchtigt die natürliche Atemmechanik: Das Zwerchfell kann sich nicht ganz ausdehnen, was ebenfalls zu einer Lungenfunktionsstörung führt.

Lungenfibrose bei Diabetes häufiger

Unter Stefan Kopfs Leitung hat ein Forscherteam 255 Patienten auf Veränderungen der Lunge untersucht. Darunter waren Menschen mit langjährigem, aber auch mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes, mit Prädiabetes – einem Vorstadium mit erhöhten Blutzuckerwerten – und eine Vergleichsgruppe ohne Diabetes. Das Ergebnis: 27 Prozent der Studienteilnehmer mit langjährigem Diabetes, 20 Prozent der kürzlich diagnostizierten Typ-2-Diabetiker und neun Prozent derjenigen mit Prädiabetes hatten eine Lungenfibrose entwickelt.

Bei einer Lungenfibrose vernarbt das Gewebe. In der Medizin spricht man von einer restriktiven Lungenerkrankung: Die Lunge verliert ihre Flexibilität, die Dehnbarkeit des Lungengewebes nimmt ab. „Betroffene können weniger Luft einatmen, fühlen sich oft erschöpft und müde“, sagt Dr. Sebastian Hellmann. Der Münchner Lungenfacharzt bestätigt Kopfs Studienergebnisse aus seiner Praxiserfahrung. Patienten schildern ihm oft, dass sie nur wenige Treppenstufen steigen können, ohne stehen zu bleiben, dass sie beim Essen oder sogar beim Autofahren einschlafen, weil sie so erschöpft sind.

Einflussfaktor Lebensstil

Bei obstruktiven Atemwegskrankheiten wie Asthma oder chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) hingegen sind die Bronchien in der Lunge verengt. Das Ausatmen fällt schwerer, dadurch blähen sich die Lungen auf. Auch Asthma und COPD kommen bei Menschen mit Diabetes häufiger vor. Viele Menschen mit Typ-2-Diabetes sind nicht nur übergewichtig, sie bewegen sich häufiger auch nicht gern, und einige rauchen. All diese Faktoren können das Risiko für Lungenerkrankungen erhöhen. Die gute Nachricht: Es lässt sich vorbeugend etwas dagegen tun. Ein gesünderer Lebensstil schützt die Lunge.

Bei vielen Menschen mit Typ-2-Diabetes und restriktiver Lungenerkrankungen findet sich zudem Eiweiß im Urin. „Das weist darauf hin, dass die Lungen und auch die Nieren geschädigt sind. Es könnte ein Zusammenhang zwischen Nieren- und Lungenerkrankungen bei Menschen mit Diabetes bestehen“, erklärt Kopf.

Natürlicher Alterungsprozess

Noch ist nicht abschließend geklärt, warum die Lunge bei Diabetes angegriffen wird. Kopf und seine Kollegen vermuten, dass die Lunge früher und schneller altert. Und dass der veränderte Stoffwechsel die Fähigkeit der Zellen vermindert, Schäden an der Erbsubstanz zu reparieren. „Dadurch kommt es zu Vernarbungen. Sie treten nicht nur in der Lunge, sondern auch in Niere, Leber, Nerven und Gefäßen auf“, sagt Kopf.

Jeder Mensch entwickelt sie auch ganz natürlich mit zunehmendem Alter. Doch bei Menschen mit Diabetes starte der Prozess oft früher und laufe schneller ab, erklärt der Experte. Weitere mögliche Gründe für die Lungenveränderungen: Typ-2-Diabetes geht mit einer chronischen niedriggradigen Entzündung im Körper einher. Sie könnte sich auch auf die Lunge auswirken. Und ein langjähriger Diabetes schädigt die Gefäße – die Lungengefäße eingeschlossen.

Warnsignal: Atemnot

Fest steht aber auch: Es trifft nicht jeden. Viele Menschen mit Diabetes haben nach Jahren mit der Erkrankung noch eine voll funktionstüchtige Lunge. Wer Typ-2-Diabetes hat, sollte sich also nicht gleich Sorgen um seine Lunge machen. Doch wer merkt, dass er beim Treppensteigen häufiger Luftnot verspürt oder beim Radfahren schnell aus der Puste gerät, sollte aufmerksam werden und nicht ausschließlich an das Herz als Ursache denken. „Leider ist der Zusammenhang zwischen Diabetes und Lunge immer noch viel zu wenig bekannt“, sagt Experte Kopf. Bisher wird vor allem auf Nieren, Herz-Kreislauf-System, Augen und Nerven geachtet.

Betroffene sollten daher ihre Hausärztin oder ihren Diabetologen auf die Lunge ansprechen. Das gilt besonders bei bereits bestehendem Nierenschaden. Halten Luftnot und Kurzatmigkeit an, sollte ein Lungenfacharzt (Pneumologe) die Lunge untersuchen. Dazu gehört etwa das Überprüfen der Lungenfunktion, aber auch andere Tests. „Je nach Diagnose kann ich dann gezielt eine Therapie beginnen oder zu einer Lebensstiländerung raten“, sagt Sebastian Hellmann.

Medikamente gegen den Diabetes haben sich bisher nicht positiv auf die Lungenfunktion ausgewirkt oder einer Lungenerkrankung vorbeugen können. Gegen eine Lungenfibrose bei Diabetes gibt es noch keine zugelassenen Medikamente. Zwei Mittel, die bei idiopathischer Fibrose, also einer Vernarbung ohne erkennbare Ursache, helfen, werden auch bei Diabetikern eingesetzt. „Sie hemmen das Vernarben des Bindegewebes in der Lunge und verhindern so ein Fortschreiten der Fibrose. Rückgängig machen kann man die Erkrankung leider bisher nicht“, sagt Lungenexperte Sebastian Hellmann.

Gut für die Lungen: Walken

Menschen mit Diabetes können aber auch selbst einiges für ihre Lungengesundheit tun. „Wer sich viel bewegt, bei Übergewicht abnimmt, mit dem Rauchen aufhört und auf gute Blutzuckerwerte achtet, kann eine ernsthafte Verschlechterung der Lungenfunktion meist verhindern – und sie sogar wieder verbessern“, sagt Diabetologe Kopf. Besonders gut: Sport in Maßen, zum Beispiel Walken. „Ich erlebe immer wieder Patienten in der Diabetesambulanz, die dank einer gesünderen Lebensweise wieder tief durchatmen können!“

Bläschen im Netz

Rund 300 Millionen Lungenbläschen besitzt eine gesunde Lunge. In den Bläschen findet der Gas-Austausch statt: Feine Blutgefäße geben Sauerstoff an die Bläschen ab und nehmen Kohlendioxid aus ihnen auf.

So schützen Sie Ihre Lungen

• Mit dem Rauchen aufhören

• Auf gute Blutzuckerwerte achten

• Übergewicht abbauen; ob auch eine gesündere Ernährung der Lunge hilft, ist wissenschaftlich nicht abschließend geklärt

• Sich gegen Grippe, Pneumokokken und Covid-19 impfen lassen

• Aktiv werden, am besten an der frischen Luft – das regt die Abwehrkräfte an

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