Der weiße Kranich breitet seine Flügel aus", heißt eine Übung aus dem Tai-Chi. Im Qigong will man "den Affen abwehren" und im Yoga wird man zu einem "nach unten schauenden Hund". Für Außenstehende klingt es interessant bis befremdlich, wenn die Anhänger fernöstlicher Bewegungslehren über ihre Übungen sprechen.

Manche Figuren erfordern eine minimale Bewegung, für andere muss man sich maximal verrenken. Kann das überhaupt gesund sein? Was sollen die Bewegungstrends bringen? Und für wen ist was geeignet? Drei Experten beantworten die wichtigsten Fragen.

1. Yoga

Dr. Holger Cramer ist Forschungsleiter an der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte und erforscht Wirkungen von Yoga auf unsere Gesundheit. Wir haben ihn interviewt:

Wie würden Sie Yoga beschreiben?

Der Begriff Yoga kommt aus dem altindischen Sanskrit und bedeutet: "Anjochen eines Zugtieres an einen Wagen". Eine Interpretation ist, dass Yoga die Sinne und Gedanken vereinigen soll, um den Geist zu beherrschen. Im Westen denken wir oft zuerst an die statischen Haltungen, die in manchen Stilen fließend zu Abfolgen verbunden werden. Neben diesen körperlichen Übungen umfasst Yoga aber auch Meditationen, Atemtechniken sowie ethische und philosophische Aspekte.

Was sind der Nutzen?

Yoga wirkt entspannend auf den Körper und den Geist. Die Krankenkassen bezuschussen deshalb Kurse zur Stressreduktion. Eine Cochrane-Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2017 zeigt, dass regelmäßiges Üben chronische Rückenschmerzen lindert. Yoga kann den Blutdruck und erhöhte Fettwerte senken und schützt so das Herz-Kreislauf-System. Es eignet sich dazu, abzunehmen, Muskeln aufzubauen und Wechseljahresbeschwerden zu bessern. Bei psychischen Belastungen, mittelschweren Depressionen und nach einer Krebserkrankung trägt es dazu bei, Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu erhöhen.

Gibt es Risiken und Nebenwirkungen?

Beim Yoga ist es wichtig, seine Grenzen zu respektieren und auf seinen Körper zu hören. Studien zeigen, dass sich jeder fünfte Übende schon einmal, meist leicht, verletzt hat. Sehr selten kommen bei Vorerkrankten schwerwiegende Vorfälle wie Schlaganfälle vor. Umkehrhaltungen wie der Kopfstand erhöhen den Augeninnendruck. Sie sind daher nichts für Menschen mit Augenerkrankungen wie dem grünen Star.

Für wen ist Yoga geeignet?

Weil es so vielfältig ist, findet fast jeder einen Stil für sich – vom eher sportlichen Power- oder Ashtanga- bis hin zum spirituellen Sivananda Yoga. Ich würde Anfängern Kurse empfehlen, damit ein Experte sie korrigieren kann. Wer körperliche oder psychische Probleme hat, ist bei einem medizinisch vorgebildeten Yogalehrer gut aufgehoben

Wo finde ich Verbände/Lehrer?

  • Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland e.V. (BDY)
  • Berufsverband der freien Yogalehrer und Yogatherapeuten e.V. (BdfY)
  • Berufsverband unabhängiger Gesundheitswissenschaftlicher Yogalehrender (BUGY )
  • Deutsche Gesellschaft für Yogatherapie (DeGYT)
  • Deutscher Yoga Dachverband e.V. (DYV)
Frau beim Tai Chi

Frau beim Tai Chi

2. Tai-Chi-Chuan

Prof. Dr. Peter Kuhn vom Institut für Sportwissenschaft der Uni Bayreuth beschäftigt sich viel mit Kampfsportarten. Auch mit dem eher ruhigen - Tai-Chi und seiner Wirkung auf Übende. Wir haben ihn interviewt:

Wie würden Sie Tai-Chi-Chuan beschreiben?

Es ist eine alte chinesische Bewegungskunst. Das Schriftzeichen "Tai" bedeutet groß, "Chi" extrem und "Chuan" Faust – zusammen stehen sie für die ultimative Kampfkunst. Wer bei uns im Westen zum ersten Mal damit in Berührung kommt, sieht beim Tai-Chi meist langsame, fließende, fast tänzerische Bewegungen. Der Übende bezieht sich elegant auf imaginäre Angriffe und weicht ihnen geschickt aus. Viele Menschen begeistert zuerst die Ästhetik dieser Kunst. Üben sie regelmäßig, sind sie beeindruckt von der meditativen Bewegung und ihrer positiven Wirkung auf Körper und Psyche.

Was sind die Benefits?

Beim Tai-Chi sind Sie ganz im Moment. Die Konzentration auf den eigenen Körper und die tiefe Bauchatmung beruhigen den Geist und stärken die Selbstwirksamkeit. Weil Tai-Chi die Bein- und Rumpfmuskulatur kräftigt, den Gleichgewichtssinn schult und die Koordinationsfähigkeit fördert, beugt regelmäßiges Üben Stürzen vor – gerade im Alter. Wir haben im Fachblatt BMC Neurology eine Studie zu Tai-Chi bei Multipler Sklerose (MS) veröffentlicht. Menschen mit MS, die zuvor kaum stehen konnten, schafften es durch Tai-Chi,­­ ­sogar auf einem Bein zu balancieren. Auch gesunde Sportler profitieren vom Training, weil sie dabei lernen, Verletzungen vorzubeugen.

Gibt es Risiken und Nebenwirkungen?

Die Verletzungsgefahr ist gering. Wichtig ist, die Übungen funktionell auszuführen. Ein guter Lehrer achtet beispielsweise darauf, dass die Knie beim Beugen nicht nach innen kippen und dass die Wirbelsäule natürlich aufgerichtet ist.

Für wen ist Tai-Chi-Chuan geeignet?

Für jeden, der nicht unter besonderen orthopädischen Einschränkungen leidet. Die eleganten Bewegungen sprechen oft auch Menschen an, die sonst mit Sport wenig zu tun haben. Verbände oder Krankenkassen vermitteln zertifizierte Lehrer.

Wo finde ich Verbände/Lehrer?

  • Deutscher Dachverband für Qigong und Taijiquan (DDQT)
  • Bundesvereinigung für Taijiquan und Qigong (BVTQ)

3. Qigong

Dr. Yanqing Wellenhofer-Li ist Expertin für TCM und Qigong. Sie arbeitet im Kompetenzzentrum für Komplementärmedizin und Naturheilkunde (KoKoNat) am Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München. Wir haben sie interviewt:

Wie würden Sie Qigong beschreiben?

Das "Qi" wird in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) als Lebensenergie angesehen. "Gong" bedeutet ausdauernde Übung oder Arbeit. In der Vorstellung der TCM gibt es rohstoffliche Kraft wie das Qi aus der Nahrung oder feinstoffliche wie unsere Gedanken oder die Atemluft. Ein Qi-Mangel kann zu Müdigkeit, Schlafstörungen, Depressionen, Verdauungsproblemen und Migräne führen. Qigong ist die zweitausend Jahre alte Kunst, das Qi zu sammeln, zu stärken, zu regulieren und ins Fließen zu bringen. Durch sanfte Bewegungen, tiefe, ruhige Atmung und gesundheitsförderliche Vorstellungskraft hilft es, gesund zu bleiben und Krankheiten zu lindern.

Was sind die Benefits?

Studien  zeigen, dass Qigong vorbeugend und lindernd bei Rückenschmerzen, Bluthochdruck, Stress, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Rheuma wirkt. Bei Krebs und chronischen Erkrankungen kann es die Lebensqualität verbessern. Es reguliert die Atem-, Immun-, Verdauungs-, Kreislauf- und Bewegungssysteme und hilft bei dauernder Müdigkeit und Stress. Zudem macht das Ziehen, Drehen, Strecken und Beugen von Wirbelsäule, Gelenken, Muskeln und Sehnen den Körper beweglicher. Positive Vorstellungen während der Übungen heben die Stimmung, was Depressionen lindern kann.

Gibt es Risiken und Nebenwirkungen?

Bei falscher Ausführung können Kopfschmerzen oder Schwindel auftreten. Herz-Kreislauf-Patienten sollten zwischen 16 und 19 Uhr üben. Vormittags sind Blutdruck und Adrenalinspiegel höher als nachmittags. Bei akuten Erkrankungen, starken Erschöpfungszuständen, Kreislauf- oder Blutdruckproblemen, schweren Gelenkerkrankungen sowie während der Schwangerschaft rate ich, erst mit einem Arzt zu besprechen, ob Qigong ratsam ist.

Für wen ist Qigong geeignet?

Für Menschen, die Spaß an der harmonischen Bewegung haben, die ihre Gesundheit verbessern sowie Nervosität, Stress- und Angstsymptome lindern möchten. Beim Qigong gilt: Weniger ist mehr – und lieber langsam als schnell. So erzielen Anfänger mit halber Mühe doppelten Erfolg.

Wo finde ich Verbände/Lehrer?

  • Deutscher Dachverband für Qigong und Taijiquan (DDQT)
  • Deutsche Qigong Gesellschaft e.V.
  • Bundesvereinigung für Taijiquan und Qigong (BVTQ)