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Erinnern Sie sich? 1985 gewann Boris Becker das Finale von Wimbledon und löste zusammen mit Steffi Graf in Deutschland einen Tennis-Boom aus. In Zeiten der sozialen Medien sind vor allem Fitness-Influencer die neuen Sport-Ikonen, wie der Bodybuilder Chris Bumstead. Dem kanadischen Muskelprotz folgen auf Instagram fast 18 Millionen Menschen. Zum Vergleich: die Top 3 der Herren-Tennis-Weltrangliste kommen alle zusammen auf 16 Millionen. Die Folge: immer mehr Jugendliche interessieren sich für Kraftsport. Die Fitnessketten haben darauf reagiert und locken die Zielgruppe mit Mitgliedschaften schon für 20 Euro. Heute trainiert fast jeder fünfte Teenager zwischen 14 und 15 Jahren in einem Studio. Mädchen genauso wie Jungs. Aber ist das auch gut so?

Welche Vorteile hat Krafttraining in jungen Jahren?

„Krafttraining stimuliert den Stoffwechsel in unseren Knochen. Dadurch werden sie dichter und brechen nicht so leicht“, erklärt Dr. Stephan Geisler, Professor für Fitness und Gesundheit an der IST-Hochschule in Düsseldorf. „Gerade im Alter sind Muskelschwund und Osteoporose Probleme, die uns in die Pflegebedürftigkeit bringen. Wer also in der Jugend anfängt zu trainieren, investiert damit auch in seine Zukunft.“ Hinzu kommt: Studien weisen darauf hin, dass unsere Muskeln möglicherweise über eine Art „Memory Effect“ verfügen. Der führt dazu, dass wir nach längeren Trainingspausen unsere alte Form leichter wieder erreichen können. Krafttraining kann natürlich auch zu Hause oder im Sportverein stattfinden. Dafür braucht es kein Studio.

Ab welchem Alter dürfen Teenager trainieren?

In einigen Fitnessstudios können Jugendliche bereits mit 14 Jahren eine Mitgliedschaft abschließen. Aus medizinischer Sicht wäre das aber auch schon eher möglich. Der Mythos, das Krafttraining das Körperwachstum hemmen würde, ist jedenfalls Unsinn, so Experte Geisler. Im Gegenteil, unser Körper muss gefordert werden, damit er sich entwickelt. „Wenn ein Säugling auf dem Bauch liegt, hebt er irgendwann den Kopf, was bei ihm das schwerste Körperteil ist. Also machen wir eigentlich schon von Anfang an Krafttraining, in dem Fall für die Muskulatur rund um die Halswirbelsäule.“ Krafttraining mit dem eigenen Körpergewicht ist eigentlich immer möglich. Für das Training im Studio gelten daher andere Grundsätze: Wichtiger als das Alter ist die individuelle Reife des Kindes. Wie wird das Training durchgeführt? Kann es verantwortungsvoll trainieren? Worin liegt die Trainingsmotivation? Hat es die richtige Körpergröße, um die Geräte zu nutzen? Es ist auch nicht sinnvoll, einen Jahresvertrag mit dem Fitnessstudio abzuschließen, wenn die Gefahr besteht, dass der Spross nach zwei Wochen die Lust verliert.

Wie sollten Jugendliche trainieren?

Die Geräte in den Fitnessstudios eignen sich um erste Erfahrungen mit dem Muskeltraining zu sammeln –wenn man konkret und richtig angelernt wurde. „Hanteln sind aber auch okay“, sagt Geisler. „Vorausgesetzt die Teenager bekommen eine vernünftige Anleitung, wie man die Übungen ausführt. Sonst kann es zu Folgeschäden kommen.“ Das Problem: In Deutschland kann jeder ohne Lizenz als Fitnesstrainer arbeiten. Deshalb sollten sich Eltern das Studio genau anschauen und sich informieren, ob die Mitarbeitenden entsprechend qualifiziert sind, die Geräte richtig erklären und ein Auge auf die richtige Ausführung haben.

Trainiert mein Kind zu viel?

Ein pauschales Trainingslimit gibt es nicht. Entscheidend ist immer die Stimme des Körpers. Schmerzen in den Gelenken oder Ermüdungserscheinungen könnten ein Zeichen sein, dass es zu viel war, wie in vielen Sportarten. „Aber wenn das Kind nach einem abwechslungsreichen Trainingsplan trainiert, wo beispielsweise heute die Arme dran sind und morgen die Beine, dann spricht auch nichts dagegen, sieben mal die Woche ins Gym gehen“, sagt Stephan Geisler. Wie gesagt: wenn die Übungen gut zusammengestellt sind, nicht überlasten und richtig ausgeführt werden. Wichtig ist auch, dass andere soziale Kontakte und die Schule durch das Training nicht komplett vernachlässigt werden.

Was sind die Gefahren?

Bodybuilder mit aufgespritztem Bizeps, Fitness-Models mit bearbeiteten Fotos im Internet: Wer in der Fitness-Szene unterwegs ist, bekommt zwangsläufig auch Körper zu sehen, die auf natürlichem Weg nicht zu erreichen sind. „Von Jugendlichen kann man nicht erwarten das zu erkennen. Gleichzeitig suchen sie aber Vorbilder“, sagt die Sportpsychologin Professorin Dr. Jana Strahler von der Universität Freiburg. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern hier ihre Kinder aufklären. „Wir wissen mittlerweile, dass wir nicht nur von Substanzen, sondern auch von Verhalten wie eben Sport abhängig werden können. Damit so eine Verhaltenssucht nicht entsteht, sollte man bei Jugendlichen auf die Vielfältigkeit achten. Das Training darf nicht zum einzigen Lebensinhalt werden. Hier ist es wichtig im Austausch mit dem Kind zu bleiben“, so Strahler. Zusätzlich besteht die Gefahr sich zu verletzen, zum Beispiel durch falsch eingestellte Geräte oder bei der falschen Ausführung von Übungen. Außerdem kann es bei exzessivem Training zu Überlastungserscheinungen kommen.

Was hat es mit Nahrungsergänzungsmitteln auf sich?

„Jugendliche, die trainieren, sollten ihre Energie- und Flüssigkeitszufuhr dem höheren Bedarf anpassen“, rät die Ernährungswissenschaftlerin, Professorin. Dr. Anja Carlsohn von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Am besten in Form von vollwertigen Mahlzeiten. Daraus holt sich unser Körper dann die Bausteine, die er braucht, um Muskeln aufzubauen. Deshalb sind Nahrungsergänzungsmittel bei gesunden Teenagern nicht nur unnötig, sie bergen auch Gesundheitsrisiken. Wenn ein ärztlich festgellter Mangel vorliegt, das sich nicht durch Ernährung beheben lässt, können unter Umständen Präparate helfen. Dafür gilt: „Vorher sollten sich Jugendliche aber von Fachleuten wie zum Beispiel einem Ernährungsberater oder einer Ärztin beraten lassen, in Hinblick auf das Risiko einer Überdosierung und möglichen Wechselwirkungen mit Arzneimitteln“, sagt Anja Carlsohn.

Heute Proteinshakes und morgen Doping?

Eiweißshakes, Proteinriegel und Co. sind in vielen Supermärkten frei erhältlich. „Allerdings können sie die Hemmschwelle senken, irgendwann zu Dopingmitteln wie Anabolika zu greifen. Athleten, die Nahrungsergänzungsmittel nutzen, weisen eine 3,5fache Wahrscheinlichkeit für Doping auf, als andere Sportlerinnen und Sportler“, sagt Expertin Carlsohn. Auch sie sind bei entsprechender Kost in nahezu allen Fällen überflüssig. Ein Konsum kann sogar Risiken bergen.