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Stress, zu wenig Schlaf, Nikotin, Bewegungsmangel. Es gibt vieles, was unser Immunsystem beeinträchtigt. Noch weit schwerwiegender schwächen es manche Krankheiten oder deren Behandlung. "So kann eine Chemotherapie gegen Krebs die Abwehr vollständig blockieren", erläutert Professor Hendrik Schulze-Koops vom Rheumazentrum im Klinikum der Universität München.

Angriff auf den eigenen Körper

Autoimmunerkrankungen wie etwa Rheuma schädigen das Immunsystem sogar doppelt: Zum einen ist es abgelenkt, weil es sich gegen körpereigene Strukturen richtet. Zum anderen unterdrücken die Medikamente die fehlgeleitete Abwehr: "Schon fünf Milligramm Kortison als Dauertherapie bei Rheuma verdoppeln die Wahrscheinlichkeit, dass jemand an einem bakteriellen Infekt erkrankt und Antibiotika braucht", so Schulze-Koops.

Für Betroffene ist es wichtig, sich möglichst gut vor Infektionen zu schützen. "Ihr Risiko, durch Viren oder Bakterien zu erkranken, ist um das Zwei- bis Dreifache erhöht", sagt Dr. Sabine Vygen-Bonnet aus der Abteilung für Infektionsepidemiologie des Robert-Koch-Instituts in Berlin.

Zudem verlaufen Erkrankungen wie die Grippe bei Menschen mit geschwächter Abwehr häufig schwerer. Bei Rheumapatientinnen und -patienten kommt hinzu, dass Krankheitserreger einen erneuten Schub der Grunderkrankung bewirken können: "Ein Infekt löst bei unserer Abwehr Alarm aus. Bei Rheuma greift das Immunsystem dann nicht nur die Eindringlinge an, sondern auch den eigenen Körper", erläutert Experte Schulze-Koops.

Tot-, mRNA- oder Lebendimpfstoff?

Impfungen sind deshalb für immun­geschwächte Personen besonders wichtig. Rheumaarzt Schulze-Koops etwa achtet genau darauf, dass seine Patientinnen und Patienten einen möglichst kompletten Impfschutz haben, etwa gegen Corona, Windpocken und Masern.

Ist eine Erkrankung wie Rheuma bereits ausgebrochen, sollte mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt besprochen werden, was dann bei einer Impfung zu beachten ist: Denn mancher Pikser wirkt eventuell nicht zuverlässig, andere Impfstoffe lösen mitunter genau die Erkrankung aus, gegen die sie schützen sollen. Laut den Empfehlungen der Ständigen Impf­­kommission (STIKO) muss man bei Menschen mit Abwehrschwäche vor allem zwischen Tot- und Lebend­­impfstoffen unterscheiden.

Imitierte Infektionen

Erstere enthalten nur Bestandteile von abgetöteten Erregern oder anderen abgeschwächten Substanzen. "Sie können auch bei immungeschwächten Personen keine Infektion auslösen und gelten daher als sehr sicher", erklärt Vygen-Bonnet. Eine Impfung damit kann jederzeit erfolgen. Auch die relativ neuen mRNA-Impfstoffe, die gegen Sars-CoV-2 eingesetzt werden, enthalten keine vermehrungsfähigen Viren und können so gesehen mit Totimpfstoffen gleichgesetzt werden.

Allerdings kommt es vor, dass die Antwort der Abwehr auf die Impfstoffe nicht stark genug ausfällt. Bilden sich nicht genug Antikörper, entsteht unter Umständen kein vollständiger Schutz. Bei einigen Impfungen wie etwa gegen Hepatitis B lässt sich im Anschluss mittels einer Blutuntersuchung prüfen, ob das Immunsystem ausreichend auf die Immunisierung reagiert hat.

In Deutschland erhältliche Impfstoffe

Gegen manche Erkrankungen gibt es nur Lebendimpfstoffe, gegen ­andere nur Totimpfstoffe. Für einige gibt es beide Varianten, zum Beispiel gegen Grippe, Gürtelrose, Cholera und Typhus.

Lebendimpfstoffe dagegen bestehen aus abgeschwächten Viren oder Bakterien. "Diese imitieren die Infektion, führen aber bei einem intakten Immunsystem nicht zu einer Erkrankung", sagt Vygen-Bonnet. Bei Menschen mit schwacher Abwehr kann das aber in seltenen Fällen passieren. Deshalb sollten sie diese Impfstoffe nur unter Berücksichtigung der Empfehlungen der STIKO erhalten.

Therapie mit der Ärztin oder dem Arzt besprechen

Gegen einige Infektionen sind sowohl Lebend- als auch Totimpfstoffe erhältlich, wie etwa gegen Gürtelrose. Besteht die Gefahr, dass ein ungeimpfter Patient Kontakt mit einem Erreger hatte, werden manchmal auch direkt Antikörper gegen den Keim gespritzt. Zum Beispiel verabreicht man bei Kindern mit Immunschwäche Immunglobuline gegen Masern.

Ist eine Therapie geplant, die das Immunsystem hemmt, sollte vorher der Impfstatus des Betroffenen überprüft und fehlende Impfungen vor Beginn der Behandlung nachgeholt werden.

Wird die Therapie bereits durchgeführt, kann es sinnvoll sein, für einige Wochen zu pausieren und dann zu impfen. Rheumatologe Schulze-­Koops: "Dieses Vorgehen stimmt der behandelnde Arzt mit jedem Patienten individuell ab, da nicht immer eine Therapieunterbrechung möglich ist."

Umfeld mit Impfung schützen – und nicht gefährden

Kann jemand aufgrund einer Abwehrschwäche gar nicht geschützt werden, kommt es umso mehr darauf an, das Ansteckungsrisiko im Umfeld zu verringern. "Besonders enge Kontaktpersonen wie Familienangehörige oder Arbeitskollegen sollten dann unbedingt geimpft sein", sagt Infektionsexpertin Vygen-Bonnet.

Schulze-Koops achtet auch darauf, dass seine Rheumapatienten nicht durch die Impfung von Angehörigen mit einem Lebendimpfstoff in Gefahr geraten. "Als die Kinder eines bei mir behandelten Familienvaters eine Impfung mit lebenden, abgeschwächten Windpockenviren erhalten sollten, habe ich seine Medikamente kurzzeitig abgesetzt und ihn zunächst selbst geimpft." Damit sei der Mann gegen das Risiko geschützt gewesen, sich die Impfviren der Kinder einzufangen.

Abwehrschwache Patientinnen und Patienten sollten sich auf jeden Fall in der Herbst- und Wintersaison gegen die Grippe impfen lassen. Auch ein Schutz gegen Pneumokokken und Meningokokken wird dringend empfohlen. Menschen mit chronischen Krankheiten, die das Risiko für eine Gürtelrose erhöhen, empfiehlt das RKI zudem eine Immunisierung mit dem Totimpfstoff bereits ab dem Alter von 50 Jahren. Sofern jemand in der Vergangenheit eine Windpockenerkrankung erlitten hat oder eine Impfung dagegen durchgeführt wurde.

Weitere Empfehlungen der Ständigen Impfkommission finden Sie unter www.rki.de

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