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Ein wahres Wundermittel soll es sein. Es soll die Knochen und das Immunsystem stärken, vor Alzheimer und Krebs schützen. Und möglicherweise davor bewahren, heftiger an Covid-19 zu erkranken. Doch was ist dran am Hype um Vitamin D? Das eigentlich gar kein Vitamin ist, sondern ein Hormon. Halten die Versprechen der Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln einer wissenschaftlichen Überprüfung stand?

Sollte tatsächlich jeder Vitamin-D-Präparate einnehmen, um eine eventuelle Corona-Infektion besser zu überstehen? Um das herauszufinden, hat Hans Konrad Biesalski von der Universität Hohenheim bei Stuttgart 30 Studien analysiert, die der Frage nachgegangen sind: Wie beeinflusst Vitamin D das Risiko, an Covid-19 zu erkranken?

Zusammenhang zwischen Vitamin D und Corona wird diskutiert

Der emeritierte Professor für Ernährungsmedizin zieht aus seiner kritischen Prüfung folgendes Fazit: Die Arbeiten liefern durchaus Hinweise darauf, dass eine unzureichende Vitamin-D-Versorgung häufiger mit schweren Corona-Verläufen in Zusammenhang gebracht werden kann. "Das heißt aber nicht, dass ein Vitamin-D-Mangel die Ursache für einen schweren Verlauf ist", betont der Wissenschaftler.

Keine einzige aussagekräftige Studie konnte bislang einen ursächlichen Zusammenhang zweifelsfrei nachweisen. Vielmehr scheint es so zu sein, dass viele Covid-19-Patienten an Begleiterkrankungen leiden, die oft mit einem Vitamin-D-Mangel einhergehen. Darunter etwa Fettleibigkeit oder Typ-2-Diabetes. Kleinere Studien der Universitäten Angers (Frankreich) und Córdoba (Spanien) lassen zudem vermuten, dass Corona-Infizierte von einer Vitamin D-Gabe profitieren.

Wegen der geringen Zahl der Teilnehmer sind diese Untersuchungen jedoch nicht aussagekräftig genug. Ob Vitamin D tatsächlich vor einem schweren Covid-19-Verlauf schützt, kann man derzeit einfach nicht sagen. Auch beim Schutz vor anderen Erkrankungen bremst die Wissenschaft allzu überzogene Erwartungen.

Ein niedriger Vitamin-D-Status ist einer neuen US-Studie zufolge kein Risikofaktor für eine Infektion mit dem Coronavirus. Zwar scheine es eine solche Verbindung zu geben, wenn man die Daten allein betrachte, erläutern die Forscher im Fachmagazin Jama Open Network. Beziehe man aber Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Ethnizität, Body-Mass-Index, Blutdruck, Raucherstatus und Wohnort mit ein, gebe es keinerlei Zusammenhang. Menschen mit vergleichsweise niedrigem Vitamin-D-Spiegel haben demnach also kein höheres Risiko, sich mit Sars-CoV-2 anzustecken, als optimal mit dem Vitamin versorgte Menschen. Mehr zur Studie können Sie hier lesen

Als Mittel, um Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen, spielt Vitamin D zum Beispiel keine Rolle. Das lässt die sogenannte Vital-Studie mit knapp 26.000 Teilnehmern im Durchschnittsalter von 67 Jahren vermuten. Nach einem Zeitraum von etwas mehr als fünf Jahren zeigte sich: Die Teilnehmer, die Nahrungsergänzungsmittel erhielten, erkrankten nicht seltener an diesen Krankheiten als die Probanden der Vergleichsgruppe.

Im Winter sinkt der Vitamin-D-Spiegel

Vitamin D steuert wichtige Stoffwechselvorgänge im menschlichen Körper. Dieser kann die chemische Verbindung selbst herstellen. Dazu muss er nur über die Haut UVB-Strahlung aus dem Sonnenlicht aufnehmen, was in unseren Breitengraden zwischen März und Oktober gut möglich ist.

"Deshalb ist es wichtig, viel nach draußen zu gehen. Mindestens dreimal in der Woche 20 Minuten", rät Professor Helmut Schatz (emeritiert) von der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz genügt es völlig, Gesicht, Hände und Arme dabei unbedeckt zu lassen.

Nur zehn bis 15 Prozent seines Vitamin-D-Bedarfs holt sich der Körper aus bestimmten Nahrungsmitteln. Avocados gehören – anders als oft behauptet – nicht dazu. Stattdessen Eier, an der Sonne getrocknete Pilze und fetter Seefisch. Allerdings ist dieser oft mit Schadstoffen belastet.

Weil die Tage im Winterhalbjahr in Mitteleuropa kurz sind und die Intensität der UVB Strahlung sehr niedrig ist, bildet der Organismus in dieser Zeit kaum Vitamin D. Der Spiegel im Blut sinkt in der Regel ab.

Ab welchen Blutwerten liegt ein Vitamin-D-Mangel vor?

  • Mangelhafte Versorgung: Weniger als 30 Nanomol pro Liter (nmol/l). Mögliche Folgen: zum Beispiel Knochenerweichung (Rachitis) und Depressionen
  • Suboptimal: 30 bis 50 nmol/l. Mögliche Folgen: Störungen der Knochen-, Muskel- und Immunfunktion
  • Ausreichend: mehr als 50 nmol/l. Keine mangelbedingte Störung von Körper- und Immunfunktionen zu erwarten
  • Überversorgung: ab etwa 125 nmol/l. Mögliche Folgen: Herz-Kreislauf-Störungen und Nierenschäden

Quelle: Robert-Koch-Institut

Trotzdem benötigen deshalb nicht alle Mitteleuropäer Nahrungsergänzungsmittel. Wer auf eigene Faust entsprechende Präparate einnimmt und keinen nachgewiesenen Mangel hat, sollte eine tägliche Dosis zwischen 800 und 1000 Internationalen Einheiten (I.E.) nicht überschreiten. Ältere Menschen ab 65 Jahren können laut Experte Helmut Schatz vorbeugend täglich 1000 bis 2000 I.E. einnehmen. Bei ihnen wird nicht mehr so viel Vitamin D über die Haut hergestellt.

Auch junge Menschen können an Vitamin-D-Mangel leiden

Auch jüngere Menschen, die überwiegend im Büro sitzen und im Winter nur wenig Tageslicht abbekommen, können vorbeugend 800 bis 1000 I.E. einnehmen, ohne dass es ihnen schadet. Ernährungsmediziner Biesalski ergänzt: "Ich schlage trotzdem vor, den Vitamin-D-Spiegel bestimmen zu lassen. Es kann sein, dass er sehr niedrig ist. Dann reichen die 1000 zu Anfang nicht aus." Den Test zahlt die Krankenkasse nicht. Er kostet etwa 20 Euro.

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