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Was hat denn meine Vagina mit dem Blutzucker zu tun? Zugegeben, wenn Frauen mit weniger Lust zu kämpfen haben, fällt einem der eigene Blutzucker wahrscheinlich nicht als erster Grund ein. Genauso wenig, wenn es bei Männern häufiger vorkommt, dass der Penis schnell wieder erschlafft. Und das ist auch richtig so, denn viele Faktoren müssen für ein erfülltes Sexleben stimmen. Es braucht Sicherheit und Vertrauen in der Partnerschaft, eine gute psychische Verfassung, körperliche Entspannung — aber auch Sexualorgane, die im richtigen Moment das Richtige tun.

Professor Thomas Haak, Chef­arzt am Diabetes Zentrum Mergentheim, weiß um die Probleme: „Grundsätzlich sind Störungen der Sexualfunktion auch Alterungsprozesse, jeder Mensch kann sie bekommen. Aber besonders Menschen mit Diabetes kann es treffen. Grund sind Folgeschäden der Zuckerkrankheit, wie Durchblutungsstörungen und Nervenschädigungen.“

Erregung braucht gute Nerven

Damit Sex funktioniert, müssen sich die Blutgefäße zum richtigen Zeitpunkt weiten oder verengen — bei Männern und bei Frauen. Zudem müssen Nerven die Signale von Berührungen aufnehmen und die sexuelle Erregung, die im Hirn stattfindet, wieder zurück an die Organe funken. Fällt ein Glied in dieser Kette aus, wird es schwerer mit dem Liebesspiel. Dabei macht es auch quasi keinen Unterschied, ob man Diabetes Typ 1 oder 2 hat. Das Geschlecht hingegen spielt eine Rolle. Wir haben die häufigsten Probleme und ihre Lösungen zusammengefasst: für Frauen, für Männer und für Hemmnisse, die beide betreffen.

Erektionsstörungen bei Männern

Männer können unter Erektionsstörungen leiden. Diabetes kann ein Grund dafür sein, ist aber nicht der einzige. Es kommt darauf an, genau hinzusehen.

Erektionsprobleme treten bei Männern mit Diabetes 3,5-mal öfter auf im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen. Damit der Sex klappt, muss es aber erst mal zu einer Versteifung des Penis kommen — die idealerweise dann bis zum Orgasmus anhält. Beides kann Probleme machen.

Was tun gegen Erektionsstörungen?

Zuallererst: darüber reden. Lassen Sie sich ärztlich beraten. Grundsätzlich können Männer selbst einiges verändern: Ausgewogene Ernährung, regelmäßiger Sport und ein gut eingestellter Blutzucker können helfen, eine Erektion zu bekommen und zu halten.

Klappt es mit diesen Maßnahmen allein nicht, gibt es Medikamente, die verschrieben werden können: sogenannte PDE-5-Hemmer. Durch die Blockade eines Enzyms bleiben die Gefäße länger weit, die Erektion dauert länger an. Mediziner Haak erläutert: „Es gibt verschiedene Wirkspektren bei diesen Medikamenten, die beeinflussen, wie lange die Wirkung anhält.

Das ist zum Beispiel günstig in Bezug auf die Nebenwirkungen, die sind bei kurz wirksamen Stoffen nämlich auch kürzer.“ Man sollte sich vor der Einnahme der verschreibungspflichtigen Mittel immer gut beraten lassen, besonders wenn bereits eine Herz-Kreislauf-Erkrankung vorliegt. Wer Nitrate gegen Verengungen der Herzkranzgefäße nehmen muss, für den kommen PDE-5-Hemmer nicht infrage. Und sie helfen eher wenig, wenn die Erektion wegen schon bestehender Nervenschäden nicht zustande kommt.

Verursacht Covid-19 Erektionsstörungen?

Infektionen mit dem Coronavirus können wohl auch Erektionsprobleme zur Folge haben, die noch monatelang andauern. Forscher haben mehrere mögliche Ursachen ausgemacht zum Artikel

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Sex nach den Wechseljahren

Die Wechseljahre können die Sexualität beeinträchtigen. Die Umstellungen des Hormonhaushalt bringen viele körperliche und seelische Veränderungen mit sich. Betroffenen helfen dann verschiedene Mittel – und Gespräche. zum Artikel

Es gibt noch weitere gefäßerweiternde Mittel, die unterschiedlich angewendet werden. Auch mechanische Verfahren funktionieren: Eine Vakuumpumpe wird unmittelbar vor dem Sex über den Penis gestülpt. Mittels Unterdruck fließt dann vermehrt Blut in die Schwellkörper.

Wie steht es mit einer Operation?

Hilft keine dieser Methoden, besteht noch die Möglichkeit einer Penisprothese. Dafür werden in einer Operation die Schwellkörper im Penis mit Silikonkammern ersetzt. Das mag befremdlich klingen, aber Haak betont: „Wenn die Alternative heißt, dass es anders gar nicht geht, ist es eine gute Alternative.“

Sind andere Medikamente schuld?

Betroffene von Erektionsstörungen haben manchmal als Auslöser Mittel im Verdacht, die sie gegen ihren erhöhten Blutdruck nehmen. Früher konnte dies tatsächlich eine Nebenwirkung der „Herztabletten“ sein. Das ist aber bei neueren Wirkstoffen immer seltener der Fall. Haak erklärt: „Mittlerweile verfügen wir über sehr viele unterschiedliche und sehr gut verträgliche Blutdruck-Medikamente, sodass dieses Problem nicht mehr im Vordergrund steht.“

Durch einige Mittel, die gegen Depressionen helfen, kann die Lust am Sex plötzlich verschwinden. Das kommt insbesondere bei Arzneien vor, die als SSRI bezeichnet werden. Wann immer Sie ein Problem mit der Sexualfunktion haben, besprechen Sie es mit Ihrem Arzt! Auf keinen Fall darf man Tabletten auf eigene Faust weglassen.

Scheidentrockenheit

Frauen verspüren häufiger Scheiden­trockenheit, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Orgasmusprobleme und ein Nachlassen des sexuellen Verlangens.

Diabetes kann, vor allem wenn er nicht richtig behandelt wird, mit einer Durchblutungsstörung einhergehen. Das bedeutet, die Schleimhäute schwellen nicht ausreichend an und werden nicht richtig feucht. Das ist nicht nur unangenehm, sondern kann, vor allem beim eigentlichen Sexualverkehr, auch richtig schmerzhaft sein. Diese Scheidentrockenheit wird auch Lubrikationsstörung genannt.

Ein schlecht eingestellter Diabetes kann auch Infektionen fördern. Zum Beispiel eine Pilzinfektion der Schleimhäute. Begünstigt werden diese etwa durch den sogenannten süßen Urin. Der Sex fühlt sich dann oft nicht mehr gut an.

Was hilft gegen Scheidentrockenheit?

Vermeintlich einfache Mittel wie Viagra gibt es für Frauen nicht. Dennoch bestehen einige Möglichkeiten, die Funktion der Sexualorgane zu verbessern. Zum Beispiel lässt sich gegen die Scheidentrockenheit etwas tun. Der Diabetesexperte Haak erklärt: „Zum einen kann man in Absprache mit dem Gynäkologen oder der Gynäkologin auf Hormon-Salben, Zäpfchen oder andere medikamentöse Unterstützung zurückgreifen. Eine andere Methode sind Gleitcremes oder -gele, die nachhelfen und den Schmerz nehmen können.“

Frau von hinten

Tipps gegen Scheidentrockenheit

Scheidentrockenheit lässt sich behandeln. Je nach Ursache kommen verschiedene Maßnahmen in Frage. Es lohnt sich, das Problem anzusprechen - etwa in der Apotheke zum Artikel

Ein weiteres — oft unterschätztes — Hilfsmittel ist Beckenbodentraining. Es kräftigt innen liegende Muskeln im Beckenboden (drei Beispiele für Übungen: sie unten). Schöner Nebeneffekt: Sie werden besser durchblutet und man kann intensivere Orgasmen bekommen. Solche Übungen werden klassischerweise nach einer Schwangerschaft gemacht und beugen auch Harninkontinenz vor.

Einmal verstanden, ist Beckenbodentraining einfach und lässt sich leicht in den Alltag integrieren: im Sitzen, Stehen und Laufen. Auch Vaginaltrainer, sogenannte Dilatatoren, können in bestimmten Fällen nutzen.

Training für den Beckenboden

Eine stabile Mitte fördert die Durchblutung und das Empfinden. Drei einfache Übungen für jeden Tag:

Brücke bauen: In Rückenlage Beine hüftbreit aufstellen. Arme ablegen, Schultern entspannen. Einatmen: vorstellen, dass Becken und Rücken in den Boden sinken. Ausatmen: Becken heben, bis Oberkörper und -schenkel eine Linie bilden. 10 Sek. halten, weiteratmen. Alles langsam senken.

Brücke bauen: In Rückenlage Beine hüftbreit aufstellen. Arme ablegen, Schultern entspannen. Einatmen: vorstellen, dass Becken und Rücken in den Boden sinken. Ausatmen: Becken heben, bis Oberkörper und -schenkel eine Linie bilden. 10 Sek. halten, weiteratmen. Alles langsam senken.

Zwerchfell anregen: In den Unterarmstütz gehen. Knie hüftbreit, Füße zusammen. Becken und Bauch hängen lassen, Kopf entspannen. Atmen. „Lick, lack, lock!“ sprechen, Betonung auf dem „K“.

Zwerchfell anregen: In den Unterarmstütz gehen. Knie hüftbreit, Füße zusammen. Becken und Bauch hängen lassen, Kopf entspannen. Atmen. „Lick, lack, lock!“ sprechen, Betonung auf dem „K“.

Becken-Fuß-Heber: Auf eine Stuhlkante setzen. Rücken gerade, die Füße fest auf dem Boden. Beckenboden anspannen. Abwechselnd den linken und rechten Fuß etwa 10 Zentimeter anheben. 10 Sekunden halten, dabei weiteratmen. Fuß langsam wieder absenken.

Becken-Fuß-Heber: Auf eine Stuhlkante setzen. Rücken gerade, die Füße fest auf dem Boden. Beckenboden anspannen. Abwechselnd den linken und rechten Fuß etwa 10 Zentimeter anheben. 10 Sekunden halten, dabei weiteratmen. Fuß langsam wieder absenken.

Die Beschäftigung mit dem Körper, der Vulva und eben auch dem Beckenboden führt zu einem besseren Gespür dazu, wo man was anspannen muss und was einen erregt und hilft der Sexualität auf allen Ebenen. Für Neuentdeckungen ist es nie zu spät. Das Körpergefühl ändert sich regelmäßig, auch im Alter. Ohne Druck die Verbindung zum eigenen Körper zu erkunden, ist sehr wertvoll. So kann die vertrauensvolle, innige Intimität mit dem Gegenüber gelingen.

Ursachen für süßen Urin

Manche Hürden betreffen Männer und Frauen gleichermaßen. Und manches lässt sich nur gemeinsam lösen.

Bei Frauen wie Männern können unterschiedliche Gründe dazu führen, dass zu viel Zucker über den Urin ausgeschieden wird. Das begünstigt Infektionen im Genitalbereich, und diese machen schmerzanfällig. Sex macht damit kaum mehr Spaß. Einen „zu süßen“ Urin verursachen teilweise die sogenannten SGLT-2-Hemmer sowie ein schlecht eingestellter Diabetes selbst.

Was kann man gegen süßen Urin tun?

Wenn Sie vermehrt Infektionen im Genitalbereich bemerken, sollten Sie dies auf jeden Fall mit Ihrer urologischen, gynäkologischen oder Diabetes-Praxis besprechen. Auf keinen Fall eigenständig die Medikation ändern oder gar absetzen. Das kann schwerwiegende negative Folgen haben. Allgemein gilt: lieber abklären lassen, ob etwas grundsätzlich nicht in Ordnung ist.

Lust auf mehr!?

In der Podcast-Folge „Wie schütze ich meine Sexualität?“ erfahren Sie noch mehr Tipps und Tricks für ein erfülltes Sexleben trotz Diabetes. Hier kommen Sie direkt zur Folge.

Wenn die Psyche Hürden errichtet

Ein Großteil von Intimität und gutem Sex macht es aus, in der Lage zu sein, sich fallen zu lassen und Vertrauenzu schenken. Hat jemand über einen längeren Zeitraum Probleme mit körperlicher Nähe, stecken oft psychische Ursachen dahinter. Auch hier kann der Diabetes unbemerkt und unbewusst Einfluss nehmen: Eine chronische Erkrankung wie Diabetes kann aufs Gemüt schlagen.

Wo gibt es Hilfe?

Bemerken Sie weitere Symptome wie andauernde Lustlosigkeit, Verlust von Antrieb oder fehlende Freude an eigentlich geliebten Aktivitäten, sollten Sie dies mit einer Vertrauensperson oder dem Hausarzt oder der Hausärz- tin besprechen. Lösungsansätze bieten je nach Bedarf eine Paartherapie, eine Psychotherapie oder Sexualtherapie.


Quellen:

  • Y. Kouidrat, D. Pizzol, T. Cosco et al.: High prevalence of erectile dysfunction in diabetes: a systematic review and meta-analysis of 145 studies. In: Diabet. Med. 01.01.2017, 34: 1185-1192
  • Copeland, Kelli L. BA; Brown, Jeanette S. MD; Creasman, Jennifer, et al.: Diabetes Mellitus and Sexual Function in Middle-Aged and Older WomenDiabetes Mellitus and Sexual Function in Middle-Aged and Older Women. In: Obstetrics & Gynecology 01.08.2012, 120: 331-340
  • Deutsche Diabetes Hilfe: WDT 2020: Vortrag Prof. Dr. Thomas Haak zum Thema "Sexuelle Funktionsstörungen bei Diabetes". Online: https://www.diabetesde.org/... (Abgerufen am 16.02.2023)
  • Ralf Schlenger: PDE5-Hemmer – Gibt es einen „besten?. DAZ.online: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/... (Abgerufen am 16.02.2023)
  • Deutsche Diabetes-Hilfe: P R E S S E M I T T E I L U N G der DDH. Online: https://www.diabetesde.org/... (Abgerufen am 16.02.2023)
  • Zentrum Penischirurgie: Penisprothese. Online: https://www.zentrum-penischirurgie.com/... (Abgerufen am 16.02.2023)