Stellen Sie sich vor, Sie machen einen Handstand. Ganz schön anstrengend, der Druck auf den Kopf, wenn sich das Blut dort sammelt. Stehen wir kopfüber, bekommen wir eine Vorstellung davon, was unsere Beine täglich leisten, mit welcher Kraft Venen und Muskeln das viele Blut zurück nach oben in Richtung Herz pumpen müssen. Fünf bis sechs Liter der roten Flüssigkeit fließen ständig durch den Organismus.

Deshalb können die Venen in den Beinen schon einmal ermüden – oder schwach werden. Betroffene Menschen wissen, was das bedeutet: müde, schwere Beine, die womöglich sogar anschwellen, meistens gegen Abend. Im Sommer verschlimmert sich das Problem. Dann weiten sich aufgrund der Hitze die Gefäße, was den Bluttransport zusätzlich erschwert.

Bewegung aktiviert die Muskelpumpe in den Beinen

Vor allem wer viel Zeit im Sitzen oder Stehen verbringt, schwächt auf Dauer die Venen. Denn die Muskelpumpe funktioniert nur, wenn man sich bewegt. Als Muskelpumpe bezeichnen Fachleute die Muskeln, die um die ­Venen der Unterschenkel liegen und quasi wie eine Pumpe wirken. Spannt man sie an und lässt wieder locker, strömt das Blut durch die Gefäße. Das ist etwa so, als wäre man mit Druck auf einen Gartenschlauch getreten und wieder heruntergestiegen.

Der zweite Teil des Mechanismus, mit dessen Hilfe das Blut durch die ­Venen transportiert wird, sind die so­genannten Venenklappen. Sie befinden sich an den Innenwänden der Gefäße und öffnen und schließen sich abwechselnd – ähnlich wie Schleusen. "Sind Venen verschlossen oder arbeiten ihre Klappen nicht richtig, behindert das den Blutfluss zurück zum Herzen", erläutert Professor Richard Brandl, Venenspezialist in München.

Das Blut wird mithilfe von Venenklappen und der Muskelpumpe transportiert. Die Klappen funktionieren wie Schleusen, die Wadenmuskeln pressen die Venen zusammen. Funktionieren die Venenklappen nicht richtig, bleibt Blut in den Gefäßen zurück. Das verursacht ein unangenehmes Schweregefühl

Das Blut wird mithilfe von Venenklappen und der Muskelpumpe transportiert. Die Klappen funktionieren wie Schleusen, die Wadenmuskeln pressen die Venen zusammen. Funktionieren die Venenklappen nicht richtig, bleibt Blut in den Gefäßen zurück. Das verursacht ein unangenehmes Schweregefühl

Auch Herz oder Nieren können die Ursache sein

Allerdings können geschwollene Beine auch auf eine Herz- oder Nierenschwäche oder auf Probleme der tiefen Beinvenen hindeuten. Denn das System transportiert das Blut stufenweise, von den oberflächlichen Venen immer weiter in die Tiefe. Bleiben die Beschwerden länger bestehen oder verschlechtern sich deutlich, sollten Sie also besser einen Arzt aufsuchen.

Das Schweregefühl entsteht, wenn sich sauerstoffarmes Blut in den Beinvenen staut. Dieses venöse Blut enthält unter anderem Kohlendioxid. Im Normalfall atmen wir dieses im Blut gelöste Stoffwechselprodukt einfach aus – als farb- und geruchloses Gas. "Werden Stoffwechselprodukte schlecht abtransportiert, sammeln sie sich im Körpergewebe, vor allem in den Beinen", sagt Brandl. Auch deshalb fühlen diese sich müde und schwer an. Bleibt dort ständig Blut zurück, erweitern sich mit der Zeit die Venen, und die Klappen schließen nicht mehr richtig.

Was den Venen guttut

Was kann man tun? "Benutzen Sie die Muskelpumpe!", lautet der Rat von Facharzt Brandl. Das geht ohne großen Aufwand. Spreizen Sie zum Beispiel die Zehen, und lassen Sie wieder locker – schon kommt das Blut in den Venen Ihrer Beine in Bewegung. Das können Sie problemlos im Sitzen machen, etwa unter dem Schreibtisch im Büro oder abends am Esstisch. Immer wieder zwischendurch, wenn Sie daran denken.

Oder Sie wippen immer wieder mal vor und zurück. Rauf auf die Zehenspitzen, zurück auf die gesamte Fußsohle und das Gewicht auf die Fersen verlagern. Und wieder zurück. Das geht, wenn Sie nach der Arbeit auf den Bus oder die S-Bahn warten oder im Supermarkt an der ­Kasse stehen.

Venengymnastik

Flache Schuhe von Vorteil

Außerdem tun den Venen flache Schuhe gut. Noch besser: barfuß gehen. Ein Spaziergang am Strand mit nackten Füßen stärkt Muskeln und Venen. "Der Sandboden massiert die Sohlen, kaltes Wasser strafft zusätzlich Fuß- und Beinvenen", sagt Brandl.

Eine Alternative für zu Hause: kalte Wadengüsse. Und Sport treiben. Bewegen Sie sich so viel und so häufig wie möglich. Nehmen Sie die Treppen statt den Aufzug. Fahren Sie mit dem Rad zum Einkaufen statt mit dem Auto. Und legen Sie die Beine hoch, sooft es geht. Wer zu viel wiegt, sollte versuchen abzunehmen. Viele Kilos auf der Waage belasten die Beinvenen zusätzlich.

Kompressionsstrümpfe unterstützen die Muskelpumpe

Nützt alles nichts? Dann kommen als nächste Maßnahmenstufe Kompres­­sionsstrümpfe ins Spiel, die es in vier Stärkeklassen gibt. "Sie verstärken und unterstützen die Muskelpumpe, können sie aber nicht ersetzen", sagt Brandl. Die Krankenkasse übernimmt meist die Kosten für zwei Paar pro Jahr, sofern der Arzt eine entsprechende Diagnose gestellt hat.

"Wir bieten die Strümpfe in verschiedenen Beinhöhen an", sagt Sabine Kubenz, Pharmazie-Ingenieurin in einer Apotheke in Dresden. Sie und ihre Kollegin Susann Lesche lassen sich gerade zu Venenfachberaterinnen ausbilden. Ab Herbst darf sich die Apotheke dann Venenfachcenter nennen.

Tipps zu Kompressionsstrümpfen

  • Waschen Sie die Strümpfe bei maximal 30 Grad in der Maschine oder mit der Hand. Verwenden Sie Feinwaschmittel, das schont die Fasern.
  • Trocknen Sie die Strümpfe im Liegen. So bleiben die Fasern elastisch. Wenn Sie die Strümpfe in ein Handtuch wickeln und über Nacht auf die Heizung legen, können Sie am nächsten Morgen in frisch gewaschene Strümpfe schlüpfen.
  • Spezielle Handschuhe mit Noppen erleichtern das Anziehen (in der Apotheke erhältlich). Auch lassen sich damit Falten ausstreichen. "Die Strümpfe sollen unbedingt glatt auf der Haut liegen", sagt Expertin Kubenz. Wenn Sie keine Handschuhe tragen, achten Sie darauf, dass Ihre Fingernägel keine scharfen Kanten haben, die die Strümpfe beschädigen.
  • Eine Anziehhilfe aus der ­Apotheke kann hilfreich sein, wenn Sie mit dem Überstreifen der Strümpfe Probleme haben.

Hautpflege-Tipps

  • Tragen Sie morgens, bevor Sie die Kompressionsstrümpfe anziehen, einen Hautschaum auf. So vermeiden Sie, dass die Haut unter dem eng ­­anliegenden Stoff allzu trocken wird und juckt. Zusätze wie Harnstoff (Urea) oder Meeresalgen-Extrakt halten geschmeidig und spenden Feuchtigkeit. "Schäume ziehen schnell ein", sagt Pharmazie-Ingenieurin Sabine Kubenz. Rückstände von Lotionen hingegen würden die Fasern der Strümpfe porös machen.
  • Über Nacht können Sie eine pflegende und feuchtigkeitsspendende Lotion auftragen. Bis zum nächsten Morgen ist diese vollständig eingezogen. Oder sie massieren nach einem langen Tag ein kühlendes Gel mit Rosskastanie oder Weinlaub ein. Diese Wirkstoffe sollen helfen, dass sich die Gefäße in den schweren Beinen ein wenig zusammenziehen. Es gibt sie auch zum Einnehmen.
  • Pflegen Sie Ihre Füße. Denn trockene, rissige Hornhaut oder Kanten an den ­Fußnägeln reißen leicht Löcher in die ­Kompressionsstrümpfe.

Kompressionsstrümpfe richtig anziehen: So geht's

In solchen Fachapotheken kann man zum Beispiel den Zustand seiner Venen überprüfen lassen, wenn man befürchtet, dass die Gefäße nicht richtig funktionieren. Außerdem werden die Strümpfe genau angepasst. Denn nur wenn diese perfekt sitzen, können sie die Arbeit der Venen unterstützen. Manchmal müssen sie deshalb extra angefertigt werden. Tipp: Lassen Sie die Beine in der Frühe vermessen, wenn sie noch nicht geschwollen sind.

"Bei schweren Beinen werden am häufigsten Strümpfe der Kompressions­­klasse 2 verschrieben", sagt Kubenz. Produkte der Klasse 4 dagegen verordne man höchstens bei sehr schweren Ödemen. So bezeichnen Mediziner Flüssigkeitseinlagerungen, etwa in den Beinen. Sie entstehen durch Blut, das nicht abtransportiert wird, oder wenn Flüssigkeit aus dem Blut ins Gewebe eintritt. Grund: Je mehr sich die Gefäße weiten, desto durchlässiger werden ihre Wände.

Das Oma-Image hängt Stütz- und Kompressionsstrümpfen mittlerweile zu Unrecht an. Nicht nur die knallig bunten Modelle für Sportler, die seit einiger Zeit auf dem Markt sind, verleihen ihnen neuen Schick. Hersteller bieten neben den Klassikern in Beige, Schwarz und Grau außerdem Modelle in Trendfarben an, in diesem Frühling etwa in Silber oder Koralle. Oder in Mondscheinblau. Das klingt nach Meer, Urlaub und lauer Sommernacht. Also gar nicht so schlecht.

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