Woran Sie eine Polyneuropathie erkennen
Symptome: Wie äußerst sich eine Polyneuropathie?
Eine Polyneuropathie kann unterschiedliche Beschwerden hervorrufen, je nachdem, welche Nerven betroffen sind.
Oft zeigen sich Symptome an Füßen und Beinen, seltener an Händen und Armen oder am Rumpf.
Die Symptome treten oft symmetrisch auf, betreffen zum Beispiel beide Füße im Bereich der Strümpfe. Beschwerden können aber auch asymmetrisch sein.
Häufige Symptome sind:
- Kribbeln
- Gefühl von Ameisen unter der Haut
- Brennen
- Stechen
- Überempfindlichkeit
- Taubheitsgefühle, Pelzigkeitsgefühle
- vermindertes Temperaturempfinden
- verminderte Sensibilität
- Schmerzen
- Muskelschwäche
- Gangschwierigkeiten (Unsicherheiten beim Gehen bzw. Schwankschwindelgefühl)
Die Ausprägung der Beschwerden kann variieren. Manche Betroffene fühlen nur gelegentlich ein Kribbeln im Bein. Für andere ist schon das Berühren der Bettdecke eine Qual.
Auch das vegetative Nervensystem kann bei einer Polyneuropathie betroffen sein. Es regelt Körperfunktionen wie den Herzrhythmus, die Verdauung oder die Harnblase. Entsprechend können sich Symptome zeigen wie
- Verdauungsstörungen
- Blasenentleerungsstörungen
- Störungen der Blutdruckregulation
Eine Polyneuropathie kann unterschiedlich verlaufen:
- akut (Krankheitsdauer bis 4 Wochen)
- subakut (4 bis 8 Wochen)
- chronisch (länger als 8 Wochen)
Ursachen
Die Liste möglicher Auslöser ist sehr lang. Bei etwa einem Drittel aller Betroffenen bleibt die Ursache trotz intensiver Suche unklar.
Zu den häufigen Ursachen zählen:
- Diabetes mellitus (diabetische Neuropathie)
- Alkoholmissbrauch (alkoholische Polyneuropathie)
- Medikamente, zum Beispiel Chemotherapie bei Krebs
- Grunderkrankungen (z.B. Leber-, Nieren-, Tumorerkrankungen)
Daneben gibt es viele weitere mögliche Auslöser, zum Beispiel:
- Autoimmunerkrankungen (z.B. Guillain-Barré-Syndrom, Kollagenosen)
- Infektionen (z.B.Borreliose, HIV)
- Vergiftungen (z.B. Schwermetalle, Arsen)
- Durchblutungsstörungen
- Stoffwechselstörungen
- Vitaminmangel (z.B. Vitamin B12), Vitaminüberdosierung
- Schwere Krankheit mit Therapie auf Intensivstation (sogenannte Critical-Illness-Polyneuropathie, z.B. bei Blutvergiftung)
Bei Neuropathien gibt es außerdem selten erbliche Formen.
Polyneuropathie: Diagnose
Für die Diagnose erfragt der Arzt oder die Ärztin die Krankengeschichte. Es erfolgt eine neurologische Untersuchung, bei der unter anderem Sensibilität und Muskelreflexe untersucht werden. Im Falle eines Verdachts auf Polyneuropathie werden von neurologischer Seite folgende weiterführende Messungen zur Sicherung der Diagnose durchgeführt:
- Untersuchung der elektrischen Aktivität der Nerven (Elektroneurographie)
- Untersuchung der elektrischen Aktivität der Muskeln (Elektromyographie)
Manchmal ist eine zugrundeliegende Ursache erkennbar, etwa eine Diabetes-Erkrankung oder eine Chemotherapie.
Falls die Ursache unklar ist, können weitere Untersuchungen folgen:
- Analyse von Blutwerten und Urinparametern
- Entnahme und Untersuchung von Nervenwasser (Lumbalpunktion)
- genetische Untersuchungen
Eventuell wird ein winziges Stück Nerv entnommen (Biopsie), um es unter dem Mikroskop zu untersuchen. So lässt sich klären, welche Nerven und welche Nervenanteile betroffen sind. Das lässt Rückschlüsse auf die Ursache zu. Auch die Entnahme einer Hautprobe kann manchmal aufschlussreich sein.
Außerdem können Röntgen-, Ultraschall-, MRT- und weitere Untersuchungen zum Einsatz kommen.
Therapie: Was hilft bei einer Polyneuropathie?
Auslöser behandeln
Nach Möglichkeit wird der Auslöser der Krankheit behandelt – sofern bekannt. Bei Diabetes ist zum Beispiel eine möglichst gute Blutzuckereinstellung wichtig. Bei einer durch Alkohol ausgelösten Polyneuropathie sollte Alkohol gemieden werden. Bei entzündlichen Formen setzt man beispielsweise Kortison und Immunglobuline ein.
Kann die Ursache frühzeitig beseitig werden, ist eine Polyneuropathie oft heilbar.
Ist die Krankheit schon fortgeschritten oder die Ursache nicht behebbar, kann zumindest der Krankheitsverlauf beeinflusst werden.
Medikamente gegen Schmerzen
Schmerzen und Missempfindungen, nicht aber eine Pelzigkeit lassen sich eventuell mit Medikamenten abschwächen. Dabei kommen vor allem bestimmte Antidepressiva und Epilepsie-Medikamente zu Einsatz. Auch bestimmte Schmerzmittel wie etwa Opioide oder Opiate finden vor allem bei stärkeren Schmerzen Anwendung. Manche Patienten sprechen auf Pflaster mit dem Betäubungsmittel Lidocain oder Capsaicin an, dem Wirkstoff der Chilischote.
Im ärztlichen Gespräch sollten Vor- und Nachteile einer Medikamententherapie und die erwartbaren Erfolgsaussichten besprochen werden. Die Symptome lassen sich oft nur lindern, nicht ganz beheben. Häufig tritt die Wirkung erst nach einigen Wochen ein. Es ist außerdem in vielen Fällen nötig, verschiedene Medikamente und Dosierungen zu testen.
Weitere Therapien
Eine Physiotherapie kann – etwa bei einer Muskelschwäche oder Gleichgewichtsstörungen – hilfreich sein. Manche Menschen machen gute Erfahrungen mit der Reizstrommethode TENS (Transkutane Elektrische Nervenstimulation) oder medizinischen Bädern.
Es gibt weitere Therapien, für die ausreichende wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweise noch fehlen, und für die die Kassen üblicherweise nicht zahlen: Die Wirkstoffe Alpha-Liponsäure, Benfotiamin und Injektionen von Botulinumtoxin zählen dazu, außerdem die Hochtontherapie und die Akupunktur. Wer solche Möglichkeiten testen möchte, sollte sich in der ärztlichen Praxis beraten lassen, ob sie geeignet erscheinen und sich zu den Kosten informieren.
Sind die Beschwerden sehr schmerzhaft, kann es sinnvoll sein, einen schmerztherapeutisch versierten Arzt hinzuzuziehen. Eine Psychotherapie kann helfen, besser mit den Schmerzen umzugehen. Austausch und gegenseitige Unterstützung finden Betroffene in Selbsthilfegruppen.
Beratende Expertin
Privatdozentin Dr. med. Ilonka Eisensehr ist Fachärztin für Neurologie mit der Zusatzbezeichnung Schlafmedizin. Sie studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der Tufts University Boston und habilitierte sich an der Universität München über das Dopaminsystem und Schlaf-bezogene Bewegungsstörungen. Sie ist in eigener neurologischer Praxis in München tätig, außerdem Mitglied des Lehrkörpers der Universität München. Sie verfasste zahlreiche Publikationen zum Thema Dopaminsystem, Schlafmedizin und Epilepsie und ist Mitglied in vielen wissenschaftlichen Gremien. Ihre Schwerpunkte sind: Neurologische Diagnostik, Diagnostik und Behandlung von Bewegungsstörungen, Schlafstörungen sowie des Restless-Legs-Syndroms, außerdem Schlaganfall-Check inklusive Farbduplexsonographie.
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann eine ärztliche Beratung nicht ersetzen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir keine individuellen Fragen beantworten.