Elektroneurografie (Elektroneurographie, ENG)
Nervenschäden kommen zum Beispiel durch Verletzungen oder Engpass-Syndrome zustande. Das bekannteste Engpass-Syndrom ist wohl das Karpaltunnelsyndrom am Handgelenk. Auch Zuckerkrankheit, Alkoholkonsum oder die Einnahme von neurotoxischen (für Nerven giftigen) Medikamenten können eine Ursache für Nervenschäden sein.
Wie funktioniert ein Nerv?
Man kann sich einen Nerv vorstellen wie ein Stromkabel. Ähnlich wie ein Stromkabel elektrischen Strom weiterleitet, leitet ein Nerv Informationen in Form elektrischer Erregung weiter. Einige Nerven senden Informationen vom Gehirn in alle Bereiche des Körpers. Andere Nerven transportieren Information zum Gehirn.
Der innere Teil des Nerven, das Axon, entspricht dem Draht im Stromkabel. Er transportiert die Erregung. Die äußere Schicht, die sogenannte Myelinscheide, bildet eine elektrische Isolation.
Erregungsleitung in Nerven
Wann kann die Elektroneurografie (ENG) notwendig sein?
Besonders gut kann die Elektroneurografie den Funktionszustand von oberflächlich verlaufenden Nerven in den Armen und Beinen messen. Diese Nerven können auf verschiedene Weise Schaden nehmen. Zu den häufigsten Ursachen gehört eine Zuckerkrankheit (diabetische Neuropathie). Diese diabetische Neuropathie schädigt vor allem die Myelinscheiden. Auch eine Schädigung durch manche Medikamente oder Alkohol ist möglich. Alkohol zerstört vor allem die Axone. Unfälle können zu mechanischen Verletzungen von Nerven führen. Engpass-Syndrome wie das Karpaltunnelsyndrom am Handgelenk beschädigen den Nerven durch dauernden Druck. Auch bei Verdacht auf Muskelschwäche () setzen Ärzte spezielle Verfahren der ENG ein.
Welche Aussagen kann der Arzt mit Hilfe einer Elektroneurografie (ENG) machen?
Die Elektroneurografie kann mithelfen, die Ursachen für bestimmte Beschwerden zu klären. Sie kann Hinweise darauf liefern, ob im Wesentlichen die Nervenhüllen oder aber die Nervenkabel betroffen sind. Die ENG hilft bei der Abschätzung, wie stark ein Nerv zum Beispiel nach einem Unfall beschädigt wurde, und kann auch Aufschlüsse über den Ort der Nervenschädigung geben. In frühen Stadien angewendet, kann sie bei akuten Nervenläsionen Aufschluss über das Erhaltensein des Nerven liefern. Sie ist auch dazu geeignet, den Effekt einer Therapie zu beurteilen oder den Verlauf neurologischer Erkrankungen zu verfolgen.
Wie untersucht der Arzt die elektrische Aktivität des Nervs?
Bei einer Elektroneurografie bringt der Arzt Elektroden an der Haut über dem zu messenden Nerven an (sensible Neurographie) oder platziert die Elektroden über dem vom Nerven versorgten Zielmuskel (motorische Neurographie). Über weitere Reizelektroden setzt er dann über dem entsprechenden Nerven genau definierte elektrische Reize. So kann der Nerv durch einzelne Reize oder auch häufig wiederholende Reize elektrisch stimuliert werden. Die elektrischen Impulse werden dann über die vorab erwähnten Elektroden elektronisch registriert. Zum Teil werden einzelne Impulse auch zusammengezählt, um nachweisbar zu sein. Gegebenenfalls kommen auch Nadel-Elektroden als Ableite-Elektroden in Frage. Mit der Elektroneurographie kann auch die Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) gemessen werden.
Die meisten Menschen empfinden die Stromstöße zwar als unangenehm, aber in der Regel nicht als schmerzhaft. Lediglich bei Nadelableitungen kommen Schmerzen ähnlich wie bei einer Blutabnahme oder eine Spritze vor.
Welche Risiken hat die Elektroneurografie?
Nach der Elektroneurografie sind unter Umständen gestörte Empfindungen im Bereich der gereizten Nerven spürbar. Dazu zählen ein Kribbeln oder ein Taubheitsgefühl. Diese Empfindungen vergehen üblicherweise schnell wieder.
Die elektrischen Impulse können aber auch die Funktion eines Herzschrittmachers stören. Daher ist bei Schrittmacherträgern besondere Vorsicht bei ihrer Anwendung geboten. Bei bestimmten Fragestellungen ist zusätzlich zu einer Elektroneurographie auch eine Elektromyographie notwendig, also die Erfassung der elektrischen Vorgänge in den Muskelfasern. Beide Untersuchungsmethoden sind wichtige diagnostische Hilfsmittel, die in die Hand von neurophysiologisch erfahrenen Neurologen und speziell ausgebildeten medizinisch-technischen Assistenten für Funktionsdiagnostik gehören.
Beratende Experten:
- Prof. Dr. Helmut Feistner, Leiter der Sektion Klinische Neurophysiologie in der Universitätsklinik für Neurologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Mitglied und Ausbilder der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie (DGKN), Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V., Sprecher des Muskelzentrums Magdeburg
- Anne-Katrin Baum, Leitende Medizinisch-Technische Assistentin für Funktionsdiagnostik (MTAF) in der Universitätsklinik für Neurologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.