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Kurz zusammengefasst

Morbus Bechterew ist eine chronische entzündlich-rheumatische Erkrankung der Wirbelsäule. Die Entzündungen sorgen dafür, dass die Wirbelsäule im Lauf der Zeit versteift. Das schränkt die Beweglichkeit ein und kann Behinderungen nach sich ziehen.

Um die Entzündungen einzudämmen und die Beweglichkeit bestmöglich zu erhalten, sind eine frühe Diagnose und Therapie wichtig. Wer erste Warnzeichen wie langanhaltende Schmerzen im Rücken und Gesäß bemerkt, sollte diese dringend ärztlich abklären lassen.

Was ist Morbus Bechterew?

Morbus Bechterew – medizinisch Spondylitis ankylosans genannt – zählt zu einer Gruppe von chronisch-entzündlichen Rheuma-Erkrankungen, die vornehmlich die Wirbelsäule betreffen. Anlaufstelle für die Diagnose und Therapie von Morbus Bechterew ist eine fachärztliche Praxis für Rheumatologie.

Der Krankheitsverlauf variiert

Die Erkrankung verläuft in Schüben und von Person zu Person unterschiedlich. Entzündungsprozesse führen dazu, dass die Wirbelsäule versteift, was die Beweglichkeit enorm einschränken kann. Mitunter verknöchert die Wirbelsäule sogar.

Ohne Behandlung können Menschen mit Morbus Bechterew einen Rundrücken entwickeln. Dieser ist bei manchen so ausgeprägt, dass es ihnen nicht möglich ist, richtig geradeaus zu schauen.

Erkrankung beginnt im jungen Erwachsenenalter

Morbus Bechterew kann in jedem Alter auftreten. In der Regel betrifft es Menschen unter 45 Jahren. Im Durchschnitt machen sich die ersten Symptome im Alter zwischen 20 und 30 Jahren bemerkbar.

Männer bekommen deutlich häufiger Morbus Bechterew als Frauen. Bei einem Teil der Patientinnen und Patienten sind Verwandte ebenfalls daran erkrankt.

Wie äußert sich Morbus Bechterew?

Rheumatische Erkrankungen zeigen sich allgemein durch Symptome wie Müdigkeit und Erschöpfung, unklarer Gewichtsverlust und erhöhte Temperatur.

Typisches Symptom von Morbus Bechterew ist ein entzündlicher Schmerz im Kreuz und Gesäß, der über Wochen bis Monate anhält. Im Gegensatz zum „normalen“ mechanischen Rückenschmerz tritt der entzündliche Rückenschmerz bevorzugt nachts, oft in der zweiten Nachthälfte auf. Zudem kann es zu Morgensteifigkeit im Rücken kommen, die nachlässt, sobald man sich bewegt. Schreitet die Erkrankung fort, wird die Wirbelsäule zunehmend unbeweglicher.

Weitere mögliche Anzeichen

Neben dem entzündlichen Rückenschmerz können bei Morbus Bechterew Entzündungen an anderen Körperstellen auftreten. Dazu zählen unter anderem:

  • Gelenkentzündung: auch Arthritis genannt. Die Entzündung verursacht schmerzhafte Schwellungen in den Gelenken. Betroffen sind vor allem Hüfte, Knie oder Sprunggelenk – meist nur auf einer Körperseite. Selten können sich auch die Zehen oder Finger entzünden. Der Fachbegriff dafür ist Daktylitis.
  • Sehnenansatzentzündung: Sie äußert sich durch Schmerzen an der entzündeten Stelle und kommt insbesondere am Ansatz der Achillessehne oberhalb der Ferse vor. Ärztinnen und Ärzte bezeichnen eine Entzündung der Sehnenansätze auch als Enthesitis.
  • Augenentzündung: Genau genommen ist die mittlere Augenhaut entzündet – medizinisch Uveitis genannt. Das betroffene Auge schmerzt, ist gerötet und lichtempfindlich. Um bleibende Schäden zu vermeiden, sollte man dringend augenärztlichen Rat suchen.

Begleiterkrankungen

Ein Teil der an Morbus Bechterew erkrankten Menschen hat begleitend eine andere chronisch-entzündliche Erkrankung. Dazu gehören etwa Hauterkrankungen wie Schuppenflechte (Psoriasis) und Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa.

Menschen mit Morbus Bechterew entwickeln auch wahrscheinlicher eine Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems. Zudem verringert sich mit der Zeit bei vielen die Knochendichte, mitunter bis hin zum Knochenschwund (Osteoporose). Die Wirbelkörper werden dann porös und können leichter brechen – auch ohne äußere Einwirkung.

Wichtig: Nimmt durch einen Wirbelkörperbruch das Rückenmark Schaden, besteht das Risiko für Lähmungen. Ein Wirbelbruch muss daher schnellstmöglich behandelt werden. Hauptsymptom sind dumpfe Schmerzen im Bereich des gebrochenen Wirbels, die zur Seite oder nach unten ausstrahlen können. Begleitend treten Missempfindungen auf.

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Wirbelkörperbruch

Zu einem Bruch der Wirbelkörper kommt es meist durch Osteoporose oder einen Unfall. Mehr zu Symptome, Diagnose und Therapie. zum Artikel

Welche Ursachen hat Morbus Bechterew?

Auslöser für die Beschwerden bei Morbus Bechterew ist eine Fehlsteuerung des Immunsystems. Normalerweise greift und bekämpft es eingedrungene Krankheitserreger. Bei Morbus Bechterew aber richtet sich das Immunsystem gegen gesundes Gewebe der Wirbelsäule und zerstört es – was eine Versteifung zur Folge hat.

Wie genau es zu den Entzündungsprozessen kommt, ist bisher nicht ausreichend bekannt. Man weiß allerdings, dass die Gene eine Rolle spielen. So lässt sich bei mehr als 80 von 100 Menschen mit Morbus Bechterew das Gen HLA-B27 im Blut nachweisen. Dieses Eiweiß ist wichtig für die Regulation des Immunsystems. Träger und Trägerinnen des HLA-B27-Gens erkranken im Vergleich zu Menschen, die das Gen nicht tragen, häufiger an Morbus Bechterew.

Bestimmung von HLA-B27 ein Teil der Diagnostik

Der Gen-Nachweis allein reicht nicht aus, um die Diagnose zu stellen. Denn man kann HLA-B27 auch in sich tragen, ohne zu erkranken. Für die Diagnostik von Morbus Bechterew sind bildgebende Verfahren wie Röntgen, Magnetresonanztomografie (MRT) und Ultraschall unerlässlich. Auch Entzündungswerte im Blut geben wichtige Hinweise – etwa der CRP-Wert.

Wie wird Morbus Bechterew behandelt?

Medikamentöse und nicht medikamentöse Behandlungen wie Bewegungstherapie können den Krankheitsverlauf bei Morbus Bechterew positiv beeinflussen.

Ziel der Therapie ist, entzündungsbedingte Beschwerden zu lindern und die Beweglichkeit der Wirbelsäule so weit wie möglich zu erhalten. Ein operativer Eingriff ist nur selten nötig. Welche Therapie Einsatz findet, entscheiden Ärztinnen und Ärzte gemeinsam mit dem Patienten oder der Patientin.

Bewegungstherapie

Bewegung ist für die Therapie von Morbus Bechterew unverzichtbar. Unter Anleitung von Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten lernt man, gezielt bestimmte Muskeln zu kräftigen und die Wirbelsäule möglichst beweglich und aufrecht zu halten.

Wichtig ist, die Übungen konsequent in den Alltag zu integrieren. Unterstützend lässt sich der Rücken durch die richtige Schlaf- und Sitzposition oder Sportarten wie Rückenschwimmen stärken. Das dient dazu, eine fortschreitende Verknöcherung und dauerhafte Verkrümmung der Wirbelsäule zu vermeiden.

Bewegung ist außerdem ein wesentlicher Teil der medizinischen Rehabilitation (Reha), die zusätzliche Angebote umfasst wie Physiotherapie, Ergotherapie, Patientenschulung und psychologische Betreuung. Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt kann die Reha verordnen.

Rehamassnahmen für Frauen

Rehabilitation („Reha“)

Ziel der Reha ist, Einschränkungen durch die Folgen einer Erkrankung möglichst kleinzuhalten und eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden. Welche Formen es gibt, wer die Kosten trägt. zum Artikel

Medikamente

Um Schmerzen zu lindern und die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu verbessern, setzen Ärztinnen und Ärzte entzündungshemmende Schmerzmittel wie Naproxen, Diclofenac oder Celecoxib ein. In welcher Dosis und wie lange die Mittel zum Einsatz kommen, hängt von der Stärke der Beschwerden ab.

Genügen Schmerzmittel nicht, um die Beschwerden ausreichend in den Griff zu bekommen, können Biologika wie TNF-alpha-Blocker oder IL-17-Blocker helfen. Das sind therapeutische Antikörper, die Entzündungsstoffe im Körper abfangen. Genauer gesagt, hemmen sie die Wirkung von Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) alpha und Interleukin 17 (IL-17) – zwei Entzündungsstoffe, die bei Morbus Bechterew eine wichtige Rolle spielen.

Bei starken Entzündungen von Gelenken oder Sehnen außerhalb der Wirbelsäule können Ärztinnen und Ärzte zusätzlich den Wirkstoff Sulfasalazin einsetzen.

Eine Behandlung der Wirbelsäulenbeschwerden mit entzündungshemmenden Kortisonpräparaten wie Prednisolon kommt in der Regel nicht infrage. Besteht zusätzlich eine Gelenk- oder Sehnenansatzentzündung, kann eine lokale Anwendung hilfreich sein.

Operativer Eingriff

Hat sich die Wirbelsäule derart zu einem Rundrücken verformt, dass es die Sicht nach vorn einschränkt, kommt eine Aufrichtungsoperation infrage. Sie trägt dazu bei, den Sichtwinkel zu verbessern. Bei krankheitsbedingten Brüchen an den Wirbelkörpern ist ebenfalls eine OP nötigt, um Folgeschäden zu vermeiden. Ist das Hüftgelenk geschädigt, kann ein künstliches Gelenk notwendig sein.

Wichtig: Operationen an der Wirbelsäule oder der Hüfte sollte man stets von erfahrenen Chirurginnen und Chirurgen durchführen lassen. Ist ein Eingriff an der Wirbelsäule geplant, können Sie Ihr Recht auf eine Zweitmeinung nutzen.

Was kann man selbst bei Morbus Bechterew tun?

Menschen mit Morbus Bechterew können selbst einiges tun, um den Erkrankungsverlauf günstig zu beeinflussen. Am besten bespricht man sich dazu auch mit seinem behandelnden Arzt oder seiner behandelnden Ärztin.

Achtung: Ist die Halswirbelsäule eingeschränkt beweglich, kann allgemein bei einer OP eine spezielle Beatmung bei der Narkose nötig sein. Es ist deshalb wichtig, Ärztinnen und Ärzte vorab über die Erkrankung zu informieren. Es ist zudem sinnvoll, einen Notfallausweis bei sich zu führen, der im Fall einer medizinischen Notsituation auf einen bestehenden Morbus Bechterew hinweist.

Einige nützliche Tipps für Alltag und Beruf

  • Sport treiben: Sport hält die Wirbelsäule und Gelenke beweglich und ist bei Morbus Bechterew grundsätzlich hilfreich. Wichtig ist, eine geeignete Sportart zu wählen. Dazu zählen beispielsweise Rückenschwimmen, Wandern und Skilanglauf.
  • Sitzkissen nutzen: Um die Wirbelsäule bei längerem Sitzen möglichst aufrecht zu halten, helfen Keilkissen, die mit der dünneren Seite zur Sitzkante ausgerichtet sind.
  • rückenschonend schlafen: Bewährt haben sich möglichst flache Kopfkissen oder speziell geformte Muldenkissen. Sie stützen den Kopf, führen aber nicht zu einer Krümmung des Oberkörpers. Es empfiehlt sich auch, immer wieder auf dem Bauch zu liegen.
  • nichts Schweres heben: Um die Wirbelsäule nicht zusätzlich zu belasten, sollten Menschen mit Morbus Bechterew möglichst keine schweren Gegenstände heben.
  • Hilfsmittel beim Autofahren verwenden: Sitzunterlagen sind auch im Auto nützlich. Bei den Kopfstützen ist darauf zu achten, dass diese nah genug an den Hinterkopf reichen.
  • auf Nikotin verzichten: Rauchen erhöht das Risiko für Verknöcherungen und verringert das Ansprechen von Medikamenten. Mit einem Rauchstopp lässt sich dem vorbeugen. Fragen Sie am besten Ihren Arzt oder Ihre Ärztin, welche Möglichkeiten der Raucherentwöhnung es gibt und welche für Sie geeignet sind.
  • Alkoholkonsum einschränken: Alkohol wirkt entzündungsfördernd und kann Beschwerden bei Morbus Bechterew verschlimmern. Zudem erhöht ein übermäßiger Alkoholkonsum das Risiko für Knochenschwund.
  • Arbeitsplatz anpassen: Menschen mit Morbus Bechterew sollten nach Möglichkeit Tätigkeiten vermeiden, bei denen sie sich viel nach vorn beugen müssen. Besonders wichtig ist ein individuell eingerichteter ergonomischer Arbeitsplatz. Ideal ist zudem, wenn man bei der Arbeit abwechselnd Sitzen, Gehen und Stehen kann. Sprechen Sie mit dem Chef oder der Chefin, ob und wie sich Ihr Arbeitsplatz anpassen lässt.
  • Stürze vermeiden: Kommt es im fortgeschrittenen Krankheitsstadium zur Osteoporose, ist es besonders wichtig, das Sturzrisiko zu senken und so möglichen schweren Knochenbrüchen vorzubeugen. So sollte man in der Wohnung oder im Haus zum Beispiel rutschfeste Teppiche auslegen, mögliche Stolperkanten beseitigen oder Treppen gut beleuchten. Auch Haltegriffe oder Hilfsmittel wie ein Duschsitz im Bad beugen Stürzen vor.
  • mit Medikamenten vorsichtig sein: Es gibt Medikamente, die das Sturzrisiko erhöhen. Dazu zählen zum Beispiel Schmerzmittel aus der Gruppe der Opioide oder Schlafmittel. Diese nimmt man, wenn möglich, am besten gar nicht ein. Lassen Sie sich von Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt zu geeigneten Alternativen beraten.

Wo finde ich außerdem Unterstützung?

  • Selbsthilfegruppen: Sie bieten Menschen mit Morbus Bechterew und ihren Angehörigen die Möglichkeit, sich mit anderen Menschen auszutauschen, die in einer ähnlichen Situation sind. Solch ein Austausch unterstützt und motiviert oft gleichermaßen.
  • psychotherapeutische Praxen: Eine Psychotherapie kann dazu beitragen, besser mit der Erkrankung leben zu lernen und in Zeiten starker emotionaler Belastung das psychische Gleichgewicht zurückzuerlangen.

Ist Morbus Bechterew heilbar?

Morbus Bechterew begleitet erkrankte Menschen und deren Angehörige ein Leben lang – denn die Erkrankung ist nicht heilbar. Die Beschwerden lassen sich durch eine Behandlung aber gut kontrollieren. Zudem ermöglicht es die Therapie, eventuelle Behinderungen durch die Erkrankung zu vermeiden.

Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann eine ärztliche Beratung nicht ersetzen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir keine individuellen Fragen beantworten.

Zum Weiterlesen

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Spondylodiszitis

Als Spondylodiszitis bezeichnet man eine Entzündung der Wirbelkörper. Alles über Symptome, Diagnose und Therapie erfahren Sie hier. zum Artikel


Quellen:

  • S3-Leitlinie der Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e. V. (DGRh): Axiale Spondyloarthritis inklusive Morbus Bechterew und Frühformen. Leitlinie: 2019. https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 23.05.2024)

  • Patientenleitlinie von Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew e. V. (DVMB), Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e. V. und Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e. V. (DGRh): Axiale Spondyloarthritis inklusive Morbus Bechterew und Frühformen. Leitlinie: 2019. https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 23.05.2024)

  • van Tubergen A: Clinical manifestations of axial spondyloarthritis (ankylosing spondylitis and nonradiographic axial spondyloarthritis) in adults. Post TW, ed. UpToDate. Waltham, MA: UpToDate Inc: https://www.uptodate.com/... (Abgerufen am 23.05.2024)
  • van Tubergen A: Diagnosis of axial spondyloarthritis (ankylosing spondylitis and nonradiographic axial spondyloarthritis) in adults. Post TW, ed. UpToDate. Waltham, MA: UpToDate Inc: https://www.uptodate.com/... (Abgerufen am 23.05.2024)
  • van Tubergen A: Patient education: Axial spondyloarthritis, including ankylosing spondylitis (Beyond the Basics). Post TW, ed. UpToDate. Waltham, MA: UpToDate Inc: https://www.uptodate.com/... (Abgerufen am 06.05.2024)
  • van Tubergen A: Treatment of axial spondyloarthritis (ankylosing spondylitis and nonradiographic axial spondyloarthritis) in adults. Post TW, ed. UpToDate. Waltham, MA: UpToDate Inc: https://www.uptodate.com/... (Abgerufen am 23.05.2024)