Recht auf Zweitmeinung: Ist die Operation wirklich nötig?
Ist die Entfernung der Gallenblase, wie sie der behandelnde Arzt oder die Ärztin empfiehlt, für mich wirklich sinnvoll? Muss das künstliche Kniegelenk tatsächlich sein? Bei der Entscheidung für oder gegen solche Operationen herrscht oft viel Unsicherheit über Risiken und Erfolgsaussichten des Eingriffs.
Um solche Fragen zu klären, haben Patientinnen und Patienten das Recht auf eine ärztliche Zweitmeinung. „Jeder kann prinzipiell mit der Krankenkassenkarte einfach in eine andere Praxis gehen“, sagt Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen. Das ist durch das Recht auf freie Arztwahl gedeckt – vorausgesetzt man hat für den Facharzt eine Überweisung.
Für welche Eingriffe gibt es Zweitmeinungsverfahren?
Für bestimmte Eingriffe gibt es zudem seit Ende 2018 das strukturierte Zweitmeinungsverfahren, für das sich Betroffene an ihre Krankenkasse wenden können. Die Kosten hierfür werden von den Kassen übernommen. Ziel ist es, vor der OP bei der richtigen Entscheidung zu helfen und unnötige Operationen zu vermeiden. Das Verfahren gilt für folgende Eingriffe:
- Amputation beim diabetischen Fußsyndrom
- Eingriff an Gaumen- oder Rachenmandeln (Tonsillektomie, Tonsillotomie)
- Eingriff an der Wirbelsäule
- Gallenblasenentfernung (Cholezystektomie)
- Gebärmutterentfernung (Hysterektomie)
- Gelenkspiegelungen an der Schulter (Schulterarthroskopie)
- Herzkatheteruntersuchung und Ablationen (Verödungen) am Herzen
- Implantation eines Herzschrittmachers oder eines Defibrillators
- Implantation eines künstlichen Kniegelenks
Warum gibt es diese strukturierten Zweitmeinungsverfahren?
Diese Operationen würden manchmal häufiger vorgenommen, als medizinisch wirklich notwendig ist, so Hubloher: „Bei diesen Eingriffen ist es sinnvoll, dass ein Arzt ohne finanzielles Interesse nochmal drauf schaut.“ Diese Ärztinnen und Ärzte müssen von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) für dieses Verfahren zugelassen sein. Dafür brauchen sie besondere Qualifikationen und es dürfen keine Interessenkonflikte vorliegen.
Wer darf eine zweite Meinung abgeben?
Mitte Mai hat die KBV einen Bericht vorgelegt, wie viele Ärztinnen und Ärzte im Jahr 2021 eine Genehmigung als Zweitmeinende erhalten haben. Je nach Art des Eingriffs sind die Unterschiede groß: Während in Deutschland 451 Ärztinnen und Ärzte eine zweite Meinung zur Schulterarthroskopie abgeben dürfen, sind es bei Eingriffen an der Wirbelsäule nur 50. Ob es hier für Betroffene schwieriger ist, eine Zweitmeinung einzuholen, könne die Verbraucherschützerin nicht beurteilen. „Ich denke, dass viele Patienten diese Regelung überhaupt nicht kennen. Und viele nicht wissen, dass vielfach unnötigerweise operiert wird.“
Wie komme ich zur Zweitmeinung?
Eine Liste mit zugelassenen Zweitmeinenden zu allen neun Eingriffen finden Patientinnen und Patienten auf der Webseite des ärztlichen Bereitschaftsdiensts. Mit ihnen können Betroffene auch via Videotelefonie sprechen oder ihre Unterlagen einsenden.
Wenn der behandelnde Arzt oder Ärztin einen der neun genannten Eingriffe empfiehlt, muss er oder sie mindestens zehn Tage vor der Operation darauf hinweisen, dass einem eine zweite Meinung zusteht. Wer das Angebot annimmt, sollte den Behandelnden um Berichte, Laborwerte oder Röntgenaufnahmen bitten. Patientinnen und Patienten haben das Recht, ihre Patientenakte jederzeit einzusehen. Ein Drittel der Krankenkassen ermöglicht eine weitere Begutachtung auch nach einer Krebsdiagnose. Das kann Betroffenen dabei helfen, sich für oder gegen eine Chemotherapie zu entscheiden.
Was, wenn die Zweit- der Erstmeinung widerspricht?
Wenn die Zweitmeinung dann der Erstmeinung widerspricht, kann ein OP-Termin auch wieder abgesagt werden – „oder sogar eine Drittmeinung eingeholt werden“, so Hubloher.