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Was besagt der Behandlungsvertrag?

Wer sich in medizinische Behandlung begibt, schließt einen Behandlungsvertrag ab. „An sich muss der Arzt stets die Einwilligung des Patienten holen, bevor er mit der Behandlung beginnt“, sagt Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen. Während der Vertrag im Krankenhaus schriftlich geschlossen wird, geschieht das in der Praxis bereits durch die Vereinbarung eines Termins. Oder: „Krempelt der Patient bei der Blutabnahme die Ärmel hoch, gilt das als Einwilligung“, so Hubloher. Diese könnten Patientinnen und Patienten aber jederzeit widerrufen, selbst wenn sie einer Operation bereits zugestimmt, es sich aber anders überlegt haben. Wer nicht in der Lage ist, selbst in eine Behandlung einzuwilligen, wird durch Vormund, Betreuerin oder Sorgeberechtigten vertreten, sofern keine Patientenverfügung vorliegt.

Tipp:

Kümmern Sie sich um eine Patientenverfügung. Beschreiben Sie konkret, in welcher Situation diese gelten soll und welche Behandlungswünsche Sie haben. Auf der Website der Verbraucherzentrale können Sie eine Patientenverfügung erstellen

Worüber muss mich Ärztin oder Arzt aufklären?

Behandelnde müssen die Patientin oder den Patienten vor und während der Behandlung aufklären – über die angenommene Diagnose, Therapiemöglichkeiten, deren Risiken und Erfolgsaussichten sowie Alternativen. „Patienten haben aber immer das Recht, das nachzufragen, was für sie persönlich wesentlich ist“, sagt Hubloher. Sie ermutigt Betroffene, stets nachzuhaken, wenn sie etwas nicht verstanden haben – denn die Aufklärung muss verständlich sein. Geht es um Leistungen, die von der Kasse nicht oder nur teilweise übernommen werden, sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) oder Wahlleistungen, muss der Behandelnde schriftlich darüber informieren und eine Unterschrift einholen.

Tipp:

Schreiben Sie Ihre Fragen vor dem Arztbesuch auf und nehmen Sie bei Gesprächen vor größeren Eingriffen eine Vertrauensperson mit.

Darf ich die Patientenakte einsehen?

Ärztinnen und Ärzte müssen die Behandlung stets in der Patientenakte dokumentieren. Zu dieser haben Betroffene jederzeit Zugang: „Unverzüglich, innerhalb von wenigen Tagen, muss der Arzt die Patientenakte herausgeben“, sagt Andreas Spickhoff, Rechtswissenschaftler für Medizinrecht an der LMU München. Laut der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) steht Patientinnen und Patienten sogar eine kostenfreie Kopie zu. Bis vor Kurzem stand die Regelung der DSGVO deutschem Recht entgegen. Daher haben einige Ärztinnen und Ärzte Patientinnen und Patienten weiterhin für eine Kopie der Akte zur Kasse gebeten. Der Europäische Gerichtshof urteilte Ende Oktober 2023 nun aber, dass Patientinnen und Patienten eine (!) kostenlose Kopie der Patientenakte verlangen dürfen[1].

Nur in wenigen Ausnahmen, etwa wenn Rechte anderer betroffen sind, dürfen Behandelnde dies verwehren. Die Daten sind gut geschützt: Sie unterliegen der DSGVO und dem Arztgeheimnis. Auch Angehörige erhalten nur nach schriftlicher Einwilligung Einsicht.

Tipp:

Möchten Sie Ihre Daten beim Praxiswechsel mitnehmen, geht das besonders einfach mit der elektronischen Patientenakte (ePA). Ihre Praxis kann Ihnen dabei behilflich sein.

Gibt es ein Recht auf Zweitmeinung?

Eine zweite ärztliche Meinung einzuholen sei prinzipiell immer möglich, so Hubloher. „Jeder kann mit seiner Krankenkassenkarte einfach in eine andere Praxis gehen.“ Für bestimmte Eingriffe gibt es zudem das gesetzlich verankerte, strukturierte Zweitmeinungsverfahren. „Gerade bei operativen Eingriffen ist es sinnvoll, dass ein Arzt mit besonderer Expertise noch mal draufschaut“, sagt die Verbraucherschützerin. Der ärztliche Bereitschaftsdienst hat auf seiner Website eine Liste mit dafür zugelassenen Ärztinnen und Ärzten veröffentlicht. Mit ihnen sprechen Betroffene via Videotelefonie oder senden Unterlagen ein. Wenn die Zweitmeinung der Erstmeinung widerspreche, könne ein OP-Termin auch wieder abgesagt werden – „oder sogar eine Drittmeinung eingeholt werden“, so Hubloher.

Welche Pflichten haben Patientinnen und Patienten?

Obwohl das Bürgerliche Gesetzbuch die Rechte von Patientinnen und Patienten stärkt, haben sie auch Pflichten. „Arzt und Patient sollen zusammenwirken“, sagt Hubloher. Man sollte vor der Behandlung alle wichtigen Informationen offenlegen: zu Vorerkrankungen, dem aktuellen Medikamentenplan oder Alkohol- und Drogenkonsum. Auch über Krankheiten, die das Praxispersonal gefährden könnten, muss man informieren. Während Privatversicherte im ambulanten Bereich Rechnungen selbst zahlen und bei der Kasse einreichen müssen, sind gesetzlich Versicherte nur verpflichtet, ihre Krankenkassenkarte dabeizuhaben. „Strenge Medizinische Fachangstellte haben sonst das Recht, Sie wieder nach Hause zu schicken, wenn es kein Notfall ist“, so Andreas Spickhoff.

Behandlungsfehler - was tun?

Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn Aufklärung, Diagnose oder Behandlung nicht den aktuellen medizinischen Standards entsprechen. Sie vermuten einen Behandlungsfehler? Unterstützung können Sie bei Krankenkasse oder bei der Schlichtungsstelle der Landesärztekammer einholen. Beide Wege sind kostenlos und erfordern ein Gutachten, das prüft, ob ein Fehler vorliegt. Die Beweislast liegt allerdings fast immer bei Patientin oder Patient. Sie müssen nachweisen, dass ein Behandlungsfehler vorlag und dass Ihr Schaden im Zusammenhang mit dem Fehler steht. In Ausnahmefällen - etwa bei schwersten Behandlungsfehlern - gilt die sogenannte Beweislastumkehr. Dann muss Ärztin oder Arzt nachweisen, dass kein Feher passiert ist.

Tipp:

„Kommt Ihnen etwas komisch vor, fordern Sie früh Ihre Patientenakte ein“, rät Expertin Hubloher. So können Sie etwaige Fehler später belegen.

Können Sie einen Behandlungsfehler nachweisen, steht Ihnen Schmerzensgeld zwischen 500 und 800 000 Euro (bei schwersten Geburtsschäden) zu. Wie viel genau, wird von Fall zu Fall anhand verschiedener Faktoren berechnet. Die Kosten zum Nachweis eines Behandlungsfehlers sind jedoch ebenfalls hoch. Die Erstellung des Gutachtens, zum Beispiel bei einer Schlichtungsstelle, ist zwar kostenlos. Doch zusätzlich müssen Sie meist eine Anwältin oder einen Anwalt einschalten und bezahlen. „Ich empfehle das eher Leuten mit Rechtschutzversicherung. Sonst wird es teuer“, sagt Medizinrechtler Andreas Spickhoff. Informieren Sie sich sonst zu Möglichkeiten und Risiken von Prozesskostenhilfe.


Quellen: