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Was gilt als Behandlungsfehler und wie oft kommt das vor?

Ein Behandlungsfehler kann vorliegen, wenn Aufklärung, Diagnose oder Behandlung nicht den aktuellen medizinischen Standards entsprechen. Denn die Behandlung muss angemessen, sorgfältig, richtig und zeitgerecht sein. Beispiele hierfür können sein: Eine Patientin bekommt Cortison gespritzt, obwohl eine Salbe gereicht hätte – es entsteht eine Entzündung. Röntgenbilder werden verwechselt oder OP-Material wird im Körper zurückgelassen.

2022 hat der Medizinische Dienst, der vermutete Behandlungsfehler im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen begutachtet, in 2.696 Fällen tatsächlich einen Behandlungsfehler festgestellt. Insgesamt wurden 13.059 Gutachten erstellt. Die Dunkelziffer liege aber deutlich höher, sagt der Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes, Stefan Gronemeyer. In 84 Fällen führten Behandlungsfehler zum Tod einer Patientin oder eines Patienten oder sie trugen wesentlich dazu bei. Die meisten Fehler passieren in Krankenhäusern bei Operationen.

Was kann ich bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler tun?

Der erste Schritt sollte immer sein, das Gespräch mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin zu suchen. Will zum Beispiel eine Operationswunde nicht heilen oder Sie haben ungewöhnliche Schmerzen nach einem Eingriff, fragen Sie den Arzt oder die Ärztin, ob bei der Behandlung etwas schief gelaufen sein könnte. Medizinerinnen und Mediziner sind vepflichtet, Auskunft zu geben. Manchmal kann es auch sinnvoll sein, eine Zweitmeinung bei einem anderen Spezialisten oder Spezialistin einzuholen.

Darüber hinaus können sich gesetzlich Versicherte an ihre Krankenkasse wenden. Diese ist gesetzlich verpflichtet, bei der Aufklärung zu unterstützen. Sie fragt dann gegebenenfalls beim Medizinischen Dienst ein für Versicherte kostenloses Gutachten an. Patientinnen und Patienten können sich auch kostenlos an die Ärztekammer ihres jeweiligen Bundeslandes wenden. Diese haben Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen eingerichtet, die feststellen sollen, ob tatsächlich ein Behandlungsfehler vorliegt. Ziel ist es, einfach und schnell eine Klärung und Einigung zwischen Betroffenen und Behandelnden zu erreichen. Weitere Informationen finden Sie unter aerztekammern-schlichten.de.

Kostenlose Unterstützung finden Betroffene auch bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD). Die Beweislast liegt allerdings fast immer bei der Patientin oder dem Patienten. Sie müssen nachweisen, dass ein Behandlungsfehler vorlag und dass Ihr Schaden im Zusammenhang mit dem Fehler steht. Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen rät daher: „Kommt Ihnen etwas komisch vor, fordern Sie früh Ihre Patientenakte ein.“ Das kann dabei helfen, mögliche Fehler aufzudecken und zu belegen.

Seit Februar 2024 gibt es außerdem das Online-Meldeportal mehr-patienten-sicherheit.de der Ersatzkassen. Wer hier (anonym) von seinen Erfahrungen berichtet, kann aber nicht allein deshalb auf Unterstützung hoffen. Vielmehr dient das Portal dazu, dass besser analysiert werden kann, welche Riskiofaktoren und Umstände häufig zu Behandlungsfehlern führen.

Welche Kosten kommen auf mich zu?

Können Sie einen Behandlungsfehler nachweisen, steht Ihnen Schmerzensgeld zwischen 500 und 800.000 Euro (bei schwersten Geburtsschäden) zu. Wie viel genau, wird von Fall zu Fall anhand verschiedener Faktoren berechnet.

Die Kosten zum Nachweis eines Behandlungsfehlers sind jedoch ebenfalls hoch. Die Erstellung des Gutachtens, zum Beispiel bei einer Schlichtungsstelle, ist zwar kostenlos. Doch zusätzlich müssen Sie meist eine Anwältin oder einen Anwalt einschalten und bezahlen. „Ich empfehle das eher Leuten mit einer Rechtsschutzversicherung. Sonst wird es teuer“, sagt Medizinrechtler Andreas Spickhoff von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Informieren Sie sich sonst zu Möglichkeiten und Risiken von Prozesskostenhilfe.

Was plant die Politik?

Im Koalitionsvertrag sprechen sich die Ampel-Parteien dafür aus, die Beweislast für Patientinnen und Patienten zu reduzieren. Der Patientenbeauftrage der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD), sowie der Medizinische Dienst fordern darüber hinaus ein Register für sogenannten Never Events – schwerwiegende Fehler, die niemals hätten passieren dürfen, etwa eine Verwechslung von Patientinnen und Patienten im Krankenhaus. Auch sogenannte Härtefallfonds sind im Gespräch. Sie würden Betroffene nach einem Behandlungsfehler vom Verdacht bis hin zu einer Gerichtsentscheidung schnell und unbürokratisch finanziell unterstützen. Im Zuge der Krankehausreform plant das Bundesgesundheitsministerium zudem ein „Transparenzverzeichnis“ ab dem kommenden Frühjahr. Das soll einen Überblick über Leistungen, Angebote und Qualität der rund 1.900 Kliniken in Deutschland geben.

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