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Es war ein Jubiläum, das Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu großen Worten bewegt hat. 2023 feierte das Patientenrechtegesetz seinen zehnten Geburtstag. Die Novelle war ein Meilenstein auf dem Weg zu einer Medizin auf Augenhöhe, doch wir sind noch lange nicht am Ziel. Auch dem Gesundheitsminister ist das bewusst. Vor nun fast genau einem Jahr kündigte er daher ein zweites Gesetz zur Stärkung der Patientenrechte an. Bis heute hat sich allerdings kaum etwas in dieser Sache getan.

Große Dunkelziffer bei Behandlungsfehlern

Dabei muss sich dringend etwas bewegen. 2022 haben rund 2700 Behandlungsfehler zu mitunter schwerwiegenden Folgeschäden geführt. Das zeigen Daten, die der Medizinische Dienst der Krankenkassen vorgelegt hat. Die Zahl mag klein erscheinen auf den ersten Blick. Doch Expertinnen und Experten gehen von einer großen Dunkelziffer aus. Ein Grund dafür sind die hohen Hürden, die Patientinnen und Patienten im Weg stehen. Denn Betroffene müssen zweifelsfrei belegen, dass ein gesundheitlicher Schaden auf die medizinische Behandlung zurückzuführen ist. In komplexen Fällen ist das oft kaum möglich. Hier muss die Ampel endlich die Beweislast gerechter verteilen.

Problematische Fehlerkultur in der Ärzteschaft

Hinzu kommt: Auch die Fehlerkultur im Gesundheitswesen ist ein Problem. Fehler werden nicht selten verschwiegen, eine Meldepflicht jedenfalls gibt es nicht. Viele Staaten sind da bereits viel weiter als wir. Sie sammeln sogenannten Never Events anonym in speziellen Registern. Gemeint sind damit Fehler, die besonders schwerwiegend, im Grundsatz aber auch vermeidbar sind wie zum Beispiel eine Knieoperation am falschen Bein. Aus einem zentralen Register lassen sich wichtige Erkenntnisse über diese Ereignisse gewinnen. Nur so kann man aus Fehlern lernen, um sie in Zukunft zu vermeiden. Auch in Deutschland würden alle Seiten von einem solchen Meldesystem profitieren.

Zu wenig Risiko-Aufklärung bei IGeL-Angeboten

Mehr ehrliche Kommunikation wird auch an anderer Stelle dringend gebraucht. Zwar hat das Patientenrechtegesetz vor zehn Jahren wesentliche Pflichten zur Aufklärung der Versicherten fest verankert. Doch nicht immer halten sich die Behandelnden daran. Das deckt regelmäßig der sogenannte IGeL-Report auf. Die Krankenkassen nehmen darin einmal im Jahr die individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) unter die Lupe. Diese Behandlungen bieten Praxen ihren Patientinnen und Patienten als kostenpflichtige Zusatzleistungen an. Laut Report werden immerhin fast 80 Prozent der Versicherten über den Nutzen einer solchen Leistung aufgeklärt – nur etwas mehr als die Hälfte bekommt allerdings ebenfalls alle Risiken offengelegt. Viele fühlen sich sogar unter Druck gesetzt, die jeweilige Behandlung zu kaufen. Hier muss die Politik dringend Ärztinnen und Ärzte stärker in die Pflicht nehmen.

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Immerhin: Einen ersten Schritt hin zu mehr Transparenz ist die Regierung mit dem sogenannten Klinik-Atlas gegangen. Ab Mai soll er im Netz wichtige Daten über die Qualität der einzelnen Krankenhäuser veröffentlichen. Auch das stärkt die Souveränität von Patientinnen und Patienten. In diesem Jahr steht derweil schon wieder ein wichtiges Jubiläum an. Vor zwanzig Jahren wurde mit den kollektiven Patientenrechten der Grundstein für mehr Mitsprache im Gesundheitswesen gelegt. Vielleicht ist dieser runde Geburtstag der richtige Anlass für den Minister, damit er seinen großen Worten aus dem vergangenen Jahr endlich Taten folgen lassen kann.


Quellen: