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Als Herz- und Nieren-Transplantierte hat Sandra Zumpfe (41) ein erhöhtes Risiko, an Covid-19 zu erkranken. Die Leiterin der Regionalgruppe München-Augsburg im Bundesverband der Organtransplantierten (BDO) berichtet, wie es ihr und anderen Betroffenen derzeit geht – und welche Hoffnungen sie für die Zeit nach der Krise hat.

Seit Ihrer Herztransplantation vor sieben Jahren feiern Sie jedes Jahr im März Ihren "zweiten Geburtstag". Wie fühlen Sie sich heute?

Mir geht es gut. Mein Herz und auch meine neue Niere, die ich seit drei Jahren habe, funktionieren gut. Ich fühle mich bis auf kleine Einschränkungen gesund und fit.

Als Transplantierte müssen Sie regelmäßig Medikamente nehmen, die das Immunsystem unterdrücken. Was bedeutet das für Sie in Zeiten von Corona?

Durch die Immunsuppressiva ist die Gefahr größer, dass ich mich anstecken kann. Es gibt zwar keine Belege dafür, dass eine Erkrankung dann auch schwerer verlaufen würde. Im Gegenteil sind inzwischen einige Fälle von Transplantationspatienten bekannt, die an Covid-19 erkrankt sind und trotz ihrer Vorbelastung einen milden Krankheitsverlauf hatten. Alle sind wieder genesen. Doch das Beste, was passieren kann, ist natürlich, das Virus erst gar nicht zu bekommen! Dafür tue ich alles.

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Was sieht das im Detail aus?

Ich bin nur daheim! Ganz selten gehe ich frühmorgens mit meinem Mann spazieren, wenn wirklich niemand auf der Straße ist. Mein Mann erledigt alle Besorgungen. Dabei trägt er Handschuhe und Mundschutz, um sich zu schützen. Weil er für mich eine Gefährdung darstellen würde, wenn er mit anderen in Kontakt kommt, ist mein Mann von seiner Arbeit freigestellt. Wir sind also gemeinsam in strenger Quarantäne.

Die Hygienemaßnahme, die jetzt alle berücksichtigen sollen, gehören für Sie sicher längst zur Routine?

Ja. Händewaschen zwischendurch und sofort, wenn man nach Hause kommt, unterwegs ein Handdesinfektionsmittel benutzen, das alles gehört für mich und andere Transplantierte im Alltag zur normalen Gesundheitsprophylaxe. Dazu zählte auch schon vor Corona, in öffentlichen Verkehrsmitteln und im Flugzeug einen Mundschutz zu tragen. Da wurde man in der Vergangenheit ganz schön beglotzt! In Asien gelten solche Atemmasken gerade zu Erkältungszeiten als ein Gebot der Höflichkeit und sind gang und gäbe. Hier dachten die meisten wohl bislang: Die mit dem Mundschutz muss doch irre sein! Wenn jetzt alle beim Einkaufen und in der U-Bahn einen tragen müssen, könnte das dazu beitragen, dass es auch nach Corona ein bisschen mehr Akzeptanz für besondere Schutzmaßnahmen gibt.

Was für eine Art Mund-Nasenschutz tragen Sie?

Bislang habe ich eine normale Alltagsmaske benutzt. Doch dadurch schützt man ja nur im Falle einer noch nicht entdeckten Infektion andere Menschen, nicht sich selbst. Ich habe mir daher jetzt einen Schal mit integrierbarer FFP3-Maske bestellt. Das bietet mir mehr Sicherheit – und sieht trotzdem nicht so blöde aus. Man muss sich einfach selber kümmern. Ich bezahle das auch selber.

Wie halten Sie es mit den nötigen regelmäßigen Routineuntersuchungen beim Arzt?

Normalerweise bin ich einmal im Monat in Großhadern, um meinen Medikamentenspiegel überprüfen zu lassen. Doch die Transplantationszentren haben alle Patienten informiert, besser nicht zu kommen. Ich habe auch meine Kontrolltermine beim Zahn- und Frauenarzt abgesagt. Das ist jetzt nicht so wichtig. Ich lebe schon ein paar Jahre mit meinen neuen Organen und kenne meinen Körper. Solange es kein Notfall ist, werde ich einen Besuch beim Arzt vermeiden.

Was raten Sie anderen Risikopatienten?

Wer dringend ärztlichen Rat sucht, sollte als Erstes in seinem Transplantationszentrum anrufen. Das wissen aber eigentlich alle Betroffenen, und das galt auch schon vor Corona. Darüber hinaus lässt sich vieles telefonisch oder digital regeln. Ich musste zum Beispiel meinen Rentenantrag kürzlich neu stellen. Das mache ich immer zusammen mit meinem Hausarzt – diesmal sind wir das Formular eben einfach am Telefon durchgegangen. Auch andere digitale Möglichkeiten sind super: Videosprechstunden etwa und, nach dem Hin und Her vor Kurzem, gibt es auch die telefonische Krankschreibung weiterhin. Wer dennoch persönlich zum Arzt muss, sollte vorher anrufen und klarmachen, dass er sofort drankommt. Jetzt in einem Wartezimmer sitzen müssen wäre der reinste Horror!

Sie vermeiden derzeit jegliche direkte Kontakte zu Menschen außer Ihrem Mann. Fühlen Sie sich dadurch sehr isoliert und alleine?

Ich vermisse meine Schwester Verena, ihren Mann Marcus und deren Kinder Julius und Antonia sehr. Wir sehen uns sonst regelmäßig und unternehmen normalerweise viel miteinander. Nun telefonieren wir eben viel. Letztens haben wir auch per Videochat zusammen Kniffel gespielt. Eine Herausforderung wird der für Ende Mai geplante Umzug in unsere neue Wohnung. Die haben wir schon vor zwei Jahren gekauft, jetzt ist die Baustelle endlich fertig. Aber ich darf beim Einzug nicht dabei sein. An meiner Stelle wird meine Schwester die Umzugshelfer koordinieren. Das müssen wir jetzt so durchziehen. Es hilft nichts. Das Risiko einer Ansteckung möchte ich einfach vermeiden.

Das Tattoo auf dem linken Unterarm von Sandra Zumpfe hat eine Bedeutung: Dort sind die Namen ihrer Schwester und ihres verstorbenen ersten Mannes verewigt. Außerdem steht da auf Elbisch, der Sprache aus dem Fantasy-Epos "Herr der Ringe": "Solange ich atme, habe ich Hoffnung".

Das Tattoo auf dem linken Unterarm von Sandra Zumpfe hat eine Bedeutung: Dort sind die Namen ihrer Schwester und ihres verstorbenen ersten Mannes verewigt. Außerdem steht da auf Elbisch, der Sprache aus dem Fantasy-Epos "Herr der Ringe": "Solange ich atme, habe ich Hoffnung".

Um Sie zu schützen, trifft auch Ihr Mann keine weiteren Personen. Was macht so eine strenge Quarantäne mit der Beziehung?

Natürlich nerven wir uns manchmal ein bisschen. Aber dabei geht’s meist um Nebensächlichkeiten wie die Wahl des TV-Programms. Dann macht einer eben was anderes. Von häuslicher Gewalt sind wir auf jeden Fall weit entfernt (lacht). Morgens machen wir zusammen in unserem Homegym im Wohnzimmer Sport. Dabei powern wir mögliche Aggressionen einfach weg, es macht Spaß – und Bewegung ist ja immer wichtig.

Wegen Corona hat der BDO persönliche Beratungen und Seminare abgesagt. Wie helfen Sie als Ehrenamtliche jetzt den Menschen, die ein Anliegen haben?

Ich arbeite im Homeoffice – übrigens auch in meinem "richtigen" Job. Beides kann ich gut von zu Hause aus machen. Unsere Sektion München-Augsburg im BDO hat 54 Mitglieder. Mein Mann und ich teilen uns die Leitung der Gruppe. Wir rufen die Mitglieder an und fragen, wie es ihnen geht. Die freuen sich, haben aber in der Regel keine Probleme. Alle sind gut informiert. Ich habe den Eindruck, dass die Situation jetzt für viele sogar etwas entspannter ist: Dadurch, dass ja alle zuhause sitzen, verpasst man weniger, es gibt weniger Stress und Zeitdruck.

Dann hätte Corona auch positive Aspekte?

Mir ist klar, dass es Menschen gibt, die ernsthafte wirtschaftliche Sorgen haben. Doch vielen, die darüber jammern, geht es in Wahrheit doch ziemlich gut. Vielleicht ist es eine Chance, dass wir durch Corona erkennen, in welchem Wohlstand wir hier in Deutschland leben. Ich verstehe auch nicht, wenn Menschen darüber klagen, dass ihre Freiheitsrechte nun eingeschränkt werden. Die strengen Regeln sind wichtig und richtig. Ich bin darüber glücklich! Dadurch können wir uns darauf verlassen, dass wir gut versorgt sind. In anderen Ländern, etwa in Brasilien, wo der Staatschef Bolsonaro die Krankheit sogar lange geleugnet hat, ist die Gefahr für die Gesellschaft dagegen wahnsinnig hoch.

Manche Vorsichtsmaßnahmen hierzulande haben für Einzelne drastische Konsequenzen. Zum Beispiel lassen Transplantationszentren geplante Lebendspenden derzeit ruhen. Was bedeutet das für Betroffene?

Ich verstehe diese Entscheidung. Es geht ja darum, Intensivbetten für Patienten frei zu halten, die schwer an Covid-19 erkranken. In der Regel belegt ein Transplantationspatient zwei bis drei Tage ein Intensivbett. Es kann aber auch deutlich länger sein. Weil es bei mir Komplikationen gab, waren es acht Wochen! Wenn eine geplante Lebendspende jetzt nicht stattfinden kann, dann mag das ein psychischer Rückschlag für den Betroffenen sein. Sachlich halte ich es aber für richtig. Denn so ein Eingriff lässt sich in der Regel aufschieben. Lebenswichtige Operationen finden natürlich weiterhin statt. So müssen zum Beispiel Organe von verstorbenen Spendern auch jetzt direkt transplantiert werden – die lassen sich schließlich nicht aufheben.

Sie sagen, dass die meisten Transplantationspatienten relativ entspannt mit der Corona-Krise umgehen. Sicher kennen Sie aber auch die Ängste von besorgten Angehörigen?

So einen habe ich selber zuhause! Spaß beiseite: Die Sorgen von Partnern und Eltern sorgen in vielen Beziehungen für Konflikte. Ich rate Angehörigen: Trauen Sie uns einfach zu, dass wir uns der Gefahren bewusst sind und uns richtig verhalten. Halten Sie sich mit Bevormundung zurück. Bieten Sie gern Ihre Hilfe an – aber immer auf Augenhöhe. Es fühlt sich einfach nicht gut an, wenn man wie ein kleines Kind behandelt wird.

Die DTG (Deutsche Transplantationsgesellschaft) hat ein Register für Transplantierte eingerichtet, die sich mit dem Corona-Virus infiziert haben. Was halten Sie von so einem Verzeichnis?

Ich unterstütze alle Studien, die dazu führen, Wissen zu sammeln. Je mehr Infos wir über Krankheiten haben, desto besser kann die Medizin werden. Desto schneller wird vielleicht ein Impfstoff entwickelt. Wer dabei von Überwachungsstaat redet, liegt völlig falsch. Grundsätzlich sollte unsere Gesellschaft jetzt noch solidarischer werden. Wenn alle durchhalten und Verantwortung übernehmen, dann können Alte, Kranke und andere Risikogruppen geschützt werden. Vielleicht ist Corona auch eine Chance, dass der Zusammenhalt wächst und das Bewusstsein dafür auch nach der Krise anhält.

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Sandra Zumpfe wurde mit einem Herzfehler geboren (Hypertrophe nicht-obstruktive Kardiomyopathie) und erkrankte 2011 an einem Blutgerinnsel im Herzen. Nach einer Herztransplantation mit starken Komplikationen versagten ihre Nieren und sie musste regelmäßig zur Dialyse. 2017 spendete ihr Ehemann Matthias eine Niere.

Zusammen leitet das Paar die Regionalgruppe München-Augsburg im Bundesverband der Organtransplantierten (BDO): bdo-ev.de

Auf ihrer persönlichen Website berichtet Zumpfe über ihre Transplantationsgeschichte: 2herzen1koerper.de