Logo der Apotheken Umschau

Wenn Fremdkörper wie Bakterien, Viren und Pilze in unseren Körper eindringen – und das passiert ständig – fährt unser Immunsystem eine ganze Armee von Abwehrmechanismen auf, um diese unschädlich zu machen. Es produziert spezielle Immunzellen und Antikörper, um die Eindringlinge auszuschalten. Dasselbe passiert, wenn körpereigene Zellen entarten, wie es bei Krebszellen der Fall ist. Ohne unser Immunsystem würden wir nicht lange überleben.

Wann ist eine Dämpfung des Immunsystems nötig?

Allerdings kann uns unser Immunsystem auch Probleme bereiten. Bei Allergien fällt seine Reaktion auf eigentlich harmlose Allergene, wie zum Beispiel Pollen, übertrieben aus. Es schießt sozusagen mit Kanonen auf Spatzen. So kann beispielsweise bei allergischem Asthma die durch das Immunsystem ausgelöste Entzündung das Lungengewebe schädigen, wenn sie nicht gebremst wird.

Bei den Autoimmunerkrankungen stellt das Immunsystem seine Streitkräfte gegen körpereigenes Gewebe auf. Beispiele hierfür sind der Diabetes mellitus Typ 1, rheumatische Erkrankungen, multiple Sklerose und Schuppenflechte.

Bei Multipler Sklerose greift das Immunsystem Nervenzellen an

Bei Multipler Sklerose greift das Immunsystem Nervenzellen an

Und nach Organtransplantationen wird das als fremd erkannte Gewebe bekämpft. Ohne Gegenmaßnahmen würde das zum Verlust des transplantierten Organs führen durch eine sogenannte Abstoßungsreaktion. In solchen Fällen soll eine immunsuppressive Therapie die körpereigene Immunreaktion durch Medikamente abschwächen.

Immunsuppressive Therapie bei Organtransplantationen

Nach Organtransplantationen ist in der Regel eine lebenslange immunsuppressive Therapie nötig, um das transplantierte Organ zu erhalten.
Die Gefahr einer Abstoßungsreaktion ist in der ersten Zeit nach der Transplantation am größten. Deshalb beginnt die erste Phase der Behandlung meistens als sogenannte Induktionstherapie mit mehreren Medikamenten. Eventuell leiten die Ärzte die immunsuppressive Therapie sogar schon vor der Transplantation ein. Im Laufe von mehreren Wochen reduzieren sie die Medikamente dann in ihrer Dosierung und Anzahl auf die sogenannte Erhaltungstherapie. Einheitliche Regeln für die immunsuppressive Behandlung kann es nicht geben, da sich diese immer nach der individuellen Situation des Patienten richtet. Der Arzt will einerseits eine wirkungsvolle Therapie aufrecht erhalten, die aber andererseits die natürliche Immunabwehr des Patienten nicht mehr als nötig beeinträchtigen soll. Es handelt sich also um eine Gratwanderung. Kommt eine akute Abstoßungsreaktion in Gang, versuchen die Ärzte, sie mit hochdosierten Medikamenten und Antikörpern aufzuhalten.

Immunsuppressive Therapie bei Autoimmunerkrankungen

Warum sich bei Autoimmunerkrankungen das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen richtet, haben die Wissenschaftler bisher nicht vollständig geklärt. Bisher können die Ärzte diese Erkrankungen deshalb nicht ausheilen. Sie können jedoch die Symptome behandeln, beispielsweise durch die Verabreichung von Insulin bei Diabetes mellitus Typ 1. Bei vielen Autoimmunerkrankungen hilft es außerdem, die Immunreaktion durch eine immunsuppressive Therapie zu dämpfen. In schwerwiegenderen Krankheitsfällen ermöglicht oft nur diese sogenannte Basistherapie, die Krankheit zu kontrollieren.

Immunsuppressive Therapie bei Allergien

Bei Allergien werden häufig Kortisonpräparate verordnet. Sie sind von dem körpereigenen Kortisol abgeleitet, das antientzündlich und immunsuppressiv wirkt. Insbesondere bei lebensbedrohlichen allergischen Reaktionen wie dem allergischen Schock oder schweren Asthmaanfällen zählt Kortison zu den wichtigsten Medikamenten. Im Notfall spritzen Ärzte Kortisonpräparate, um eine schnelle Wirkung zu erzielen. Bei allergischen Reaktionen der Haut können kortisonhaltige Cremes vor Ort wirken. Bei allergischen Reaktionen der Lunge wie zum Beispiel Asthma kann die Aufnahme des Kortisons durch ein Spray erfolgen.

Bei allergischem Asthma kann die Inhalation der Medikamente per Spray helfen

Bei allergischem Asthma kann die Inhalation der Medikamente per Spray helfen

Immunsuppressive Medikamente

Das bekannteste immunsuppressive Medikament ist Kortison. Ärzte setzen es nicht nur bei allergischen Reaktionen, sondern auch bei Autoimmunerkrankungen und nach Transplantationen ein. Es gibt jedoch noch zahlreiche andere immunsuppressiv wirksame Medikamente (Immunsuppressiva), die an unterschiedlichen Stellen in das Immunsystem eingreifen. Eine Auswahl häufig verwendeter immunsuppressiver Wirkstoffe und möglicher Anwendungsgebiete führt die nachfolgende Tabelle auf:

Immunsuppressivum (Auswahl)

Anwendungsgebiete (Auswahl)

Kortison

- Autoimmunkrankheiten und entzündliche Erkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis, Colitis ulcerosa, Morbus

)

- nach Transplantationen

- allergische Reaktionen (z.B. Asthma bronchiale, allergischer Schock,

)

Ciclosporin

- Autoimmunkrankheiten und entzündliche Erkrankungen (z.B.

, Schuppenflechte)

- nach Transplantationen

Methotrexat

- Autoimmunkrankheiten und entzündliche Erkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis, Schuppenflechte, multiple Sklerose)

Azathioprin

- Autoimmunkrankheiten und entzündliche Erkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis,

, Morbus Crohn, multiple Sklerose)

- nach Transplantationen

Cyclophosphamid

- Autoimmunkrankheiten und entzündliche Erkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis,

)

- nach Transplantationen

Auf alle einzelnen Medikamente mit sämtlichen Anwendungsgebieten und Nebenwirkungen hier einzugehen, ginge zu weit. Zu diesen Sachverhalten führt der behandelnde Arzt im Bedarfsfall ein ausführliches Aufklärungsgespräch mit dem Betroffenen.

Risiken und Nebenwirkungen von Immunsuppressiva

Bei der immunsuppressiven Therapie handelt es sich je nach Fall, Medikament und Dosis um eine sehr wirksame Behandlungsform, die aber auch erhebliche Nebenwirkungen verursachen kann – vor allem, wenn das Medikament nicht nur per Salbe lokal wirkt, sondern zum Beispiel in Tablettenform verabreicht wird und sich im ganzen Körper verteilt.

Eine gezielte Unterdrückung bestimmter Abwehrreaktionen ist bislang kaum möglich, oft dämpfen die Mittel das Immunsystem insgesamt. Dadurch kann sich auch der Schutz vor Infektionserregern und Krebszellen vermindern. Je höher der Arzt die immunsuppressive Therapie dosiert, desto anfälliger wird der Patient für Infektionen durch Viren, Bakterien und andere Krankheitserreger sowie für bestimmte Krebserkrankungen.

Viele der immunsuppressiv wirkenden Medikamente können außerdem den Blutdruck, den Blutzucker und die Cholesterinwerte erhöhen, und Nieren, Nerven und die Leber schädigen. Außerdem kann es zu Übelkeit, Durchfall und Erbrechen kommen, wenn der Magen-Darm-Trakt Schaden nimmt. Der Arzt klärt im Vorfeld über den Nutzen und mögliche Nebenwirkungen der Therapie auf. Eine strikte Einhaltung des festgelegten Therapieplans in enger Absprache mit dem Arzt ist äußerst wichtig.

Bei einigen Medikamenten überprüft der Arzt auch regelmäßig die Konzentration des Wirkstoffs im Blut: Ist der Blutspiegel eines Medikamentes zu niedrig, kann die Behandlung nicht wirksam genug sein. Ist der Blutspiegel zu hoch, steigt die Gefahr für Nebenwirkungen.

Prof. Thomas Hünig

Prof. Thomas Hünig

Beratender Experte: Der Immunologe Prof. Thomas Hünig hat Biologie studiert und wurde 1984 in Würzburg habilitiert. 1985 bis 1990 war er am Gen-Zentrum der LMU München tätig. Seit 1990 ist er Professor am Institut für Virologie und Immunbiologie der Universität Würzburg.

Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.