Gesund im Urlaub: So beugen Sie Reisekrankheiten vor

Reiseübelkeit ist ein häufig auftretendes Phänomen. Doch es lässt sich gegensteuern.
© W&B/Christina Angele
Reiseübelkeit
Panoramablick, idyllische Wälder und kurvige Passstraßen. Was eine herrliche Autofahrt in den Bergen sein könnte, ist für viele Menschen eine Qual. Sie packt die Reisekrankheit – mit typischen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Schweißausbrüchen und Kopfschmerzen.
Ein Wahrnehmungskonflikt im Gehirn ist die Ursache dafür, erklärt der niedergelassene Reisemediziner Dr. Markus Frühwein aus München. „Unsere Augen nehmen etwas anderes wahr als unser Gleichgewichtsorgan im Ohr.“ Ein Beispiel: Sitzt man hinten im Auto, sehen die Augen den stehenden Innenraum, das Gleichgewichtsorgan registriert aber jedes Ruckeln und meldet Bewegung. „Das überfordert das Gehirn, denn die Informationen, die es von den Sinnesorganen bekommt, passen nicht zusammen“, erklärt der Arzt.
Als Reaktion schüttet der Körper Botenstoffe wie Histamin aus. Diese stimulieren vermutlich das Brechzentrum im Gehirn, es kommt zu Übelkeit und Erbrechen. Wie lange das Unwohlsein nach der Ankunft anhält, ist unterschiedlich: „Bei manchen verschwinden die Symptome schnell wieder, andere begleitet die Übelkeit noch einen halben Tag“, so Frühwein. Kinder zwischen dem vierten und zehnten Lebensjahr sind besonders anfällig. Und Frauen mehr als Männer. Seltener tritt die Reisekrankheit bei über 50-Jährigen auf.
Wer zu Übelkeit neigt, kann vorbeugen
In Auto oder Bus am besten immer vorne sitzen, wo der Blick geradeaus in die Ferne geht und man Kurven rechtzeitig sieht. Im Flieger liegt der ruhigste Platz direkt über den Tragflächen, auf dem Schiff schaukelt es mittig am wenigsten. Und: am Vorabend der Abreise besser auf Alkohol und fettiges Essen verzichten.
Das hilft bei akuten Symptomen
Als Tablette, Zäpfchen oder Kaugummi kommt der Wirkstoff Dimenhydrinat infrage. Er hemmt die Wirkung von Histamin. Nachteil: Er macht müde, selbst Auto fahren sollte man nicht. Auf einer längeren Reise, etwa mit dem Schiff, können verschreibungspflichtige Pflaster mit Scopolamin helfen. Für den optimalen Effekt wird es mindestens fünf Stunden vor Reiseantritt hinter das Ohr geklebt. Es wirkt dort bis zu 72 Stunden. Auch hier gilt: nicht selbst Auto fahren! Oder Sie probieren es wie die alten Seefahrer: „Einfach ein Stück Ingwer in die Wangentasche legen oder alternativ Ingwertropfen, die sind milder. Das funktioniert gut“, sagt Experte Frühwein.
Reisedurchfall
Kaum angekommen, spielt der Darm verrückt. „Reisedurchfall tritt meist in den ersten Urlaubstagen auf“, sagt Reisemediziner Thomas Küpper. Der Grund: Unser Darm muss sich erst an ungewohnte Keime gewöhnen, die wir mit der Nahrung aufnehmen. Wenn man Pech hat, fängt man sich auch einen krank machenden Keim ein. Eine unkomplizierte Reisediarrhö dauert meist bis zu fünf Tage.
Diese Regeln beachten
Schäl es, gar es, koch es oder vergiss es: Die Regel hilft vorzubeugen. Grundsätzlich von Streetfood abzuraten, hält Küpper aber für übertrieben. „Wenn die Speisen in heißem Fett frittiert sind und der Stand einen hygienisch einwandfreien Eindruck macht, spricht nichts dagegen.“ Vermeintlich frische Säfte, die in Behältern stehen, lieber nicht trinken. Auch Eis und Fertigsalate können mit Keimen belastet sein. Vorsicht bei rohem Fleisch oder Fisch! In vielen Ländern gilt: Finger weg vom Leitungswasser, auch beim Zähneputzen oder bei Eiswürfeln. Getränke in Flaschen sollten original verschlossen sein. „In ärmeren Ländern werden manchmal Flaschen geöffnet und mit verunreinigtem Wasser gestreckt.“
Was tun, wenn es einen erwischt?
Viel trinken und warten, bis die Infektion vorbei ist. Elektrolyte aus der Apotheke helfen, den Nährstoffverlust auszugleichen. Wenn Fieber zum Durchfall hinzukommt oder bei Blut im Stuhl, suchen Sie ärztliche Hilfe auf. Kinder, Schwangere, chronisch Erkrankte oder Menschen, die auf bestimmte Medikamente angewiesen sind, sollten Durchfall auch abklären lassen, um Komplikationen vorzubeugen.
Was ist mit Kohletabletten?
Viele Urlauber packen Präparate mit dem Wirkstoff Loperamid oder Aktivkohle in die Reiseapotheke. „Wenn die Toilettensituation schwierig ist, ist das okay“, so Küpper. Stopfende Medikamente machen den Darm träge, Erreger können dann vom Körper schlechter ausgeschieden werden. Generell rät er, Medikamente zurückhaltend einzusetzen: „Nur bei einer echten Lebensmittelvergiftung sind Kohletabletten das Mittel der ersten Wahl.“ Bei Reisedurchfall ist die Wirkung nicht belegt.
Und bei Verstopfung?
Der Verzicht auf Obst und Gemüse, die Zeitumstellung, ein ungewohnter Schlafrhythmus und Unbehagen vor fremden Toiletten können zu einem trägen Darm führen. Und: „Besonders Frauen trinken oft zu wenig, aus Angst, keine saubere Toilette zu finden.“ Bewegung, viel trinken, eine ballaststoffreiche Ernährung und Geduld helfen.
Malaria
Wunderschönes Ferienziel, nur leider mit schlechten Hygienestandards? Lassen Sie sich vorab von einer Reisemedizinerin oder einem Reisemediziner beraten. Für manche Länder sind spezielle Impfungen nötig. „Eine der wichtigsten ist die gegen Hepatitis A“, sagt Prof. Dr. Thomas Küpper von der Uniklinik der RWTH Aachen. Teilweise werden Impfungen auch gegen Typhus, Tollwut, Gelbfieber oder im Einzelfall Cholera empfohlen. „Man muss immer schauen: Wer reist wann und wie lange wohin und was macht die Person dort?“, so Küpper. So brauche, wer geschäftlich drei Tage im Hotel verbringt, andere reisemedizinische Vorkehrungen als Rucksackreisende, die drei Monate durch entlegene Gebiete ziehen.
Ärztliche Absprache
Bei Reisen in Malaria-Risikogebiete bitte ärztlich eine Prophylaxe abklären! Die Medikamente sind rezeptpflichtig. Auch gehören dann hochwirksame Anti-Moskito-Mittel ins Gepäck, sogenannte Repellents. Ein häufiger Wirkstoff ist DEET in 20- bis 50-prozentiger Konzentration – je höher, desto länger der Schutz.
Der Tipp des Experten
Medikamente aus Deutschland mitnehmen. „Das schützt vor Medikamentenfälschung. Zudem sind in anderen Ländern oft andere Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen üblich, deren Wirkung manchmal fraglich ist“, so Thomas Küpper. Eine Reisekrankenversicherung sollte Standard sein, nicht nur bei Fernreisen. Bei Notfällen kann sie Kliniken und medizinische Anlaufstellen im Urlaubsland vermitteln.
Grippaler Infekt
Statt Liegestuhl in der Sonne zwingen einen Halsweh, Schnupfen, Fieber ins Hotelbett. Schuld kann die Klimaanlage am Flughafen sein. Oft trifft es auch die, die besonders gestresst die Reise angetreten haben. Stress schwächt das Immunsystem, Krankheitserreger haben es so leichter.
Sich Ruhe gönnen
Fieber immer ärztlich abklären lassen! Raus aus der Sonne und genug trinken. Gönnen Sie sich Ruhe und nehmen Sie die Situation an. Erkunden Sie gemütlich die Umgebung und tanken Sie frische Luft.
Achtung: Bei Reisen in Malariagebiete gelten besondere Vorsichtsmaßnahmen. Hier sollten Sie sich immer ärztlich durchchecken lassen, wenn Sie sich plötzlich krank fühlen. Auch bei fieberhaften Erkrankungen bis zu drei Monate nach der Rückkehr gilt: Suchen Sie Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt auf und sprechen Sie die zurückliegende Reise an.
Die wichtigsten Medikamente, die auf keiner Reise fehlen sollten, bekommen Sie in Ihrer Apotheke. Lassen Sie sich beraten.
Quellen:
- Tropeninstitut: Was tun bei Reisekrankheit?. Dr. med. Andrea Gontard (AG), Fachärztin für Allgemeinmedizin: https://tropeninstitut.de/... (Abgerufen am 23.06.2023)
- Constanze Eder: Reisedurchfall. Tropeninstitut: https://tropeninstitut.de/... (Abgerufen am 23.06.2023)
- Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Hamburg: Durchfall auf Reisen. Techniker Krankenkasse: https://www.tk.de/... (Abgerufen am 23.06.2023)
- Zentrum für Reisemedizin: Die Bedeutung der Reisemedizin für gesundes Reisen. Universität Zürich: https://reisemedizin.uzh.ch/... (Abgerufen am 23.06.2023)
- Bundesinstitut für Risikobewertung: Rohe Lebensmittel: Gesundheitliche Risiken werden häufig unterschätzt. BfR: https://www.bfr.bund.de/... (Abgerufen am 23.06.2023)
- hkk-Gesundheitsredaktion: Mythos Sommergrippe. Handelskrankenkasse hkk: https://dock.hkk.de/... (Abgerufen am 23.06.2023)
- Robert-Koch-Institut: Merkblatt Ratgeber Hepatitis A. rki.de: https://www.rki.de/... (Abgerufen am 23.06.2023)
- Robert-Koch-Institut: Merkblatt Ratgeber Malaria. rki.de: https://www.rki.de/... (Abgerufen am 23.06.2023)