Höheres Gewicht - Ein dickes Risiko?

Banger Blick auf die Waage: Alles im grünen Bereich?
© W&B/Michelle Günther
Der Hochsommer brachte es ans Licht – der Blick auf die Waage Gewissheit: Wieder ein paar Kilos mehr. In vielen Fällen ist das eine harmlose Erkenntnis. Für manche vielleicht eher ein ästhetisches Problem. Zunehmend mehr Menschen sammeln allerdings Fettpolster an, die die Gesundheit beeinträchtigen können.
Laut Robert-Koch- Institut sind in Deutschland zwei Drittel der Männer (67 Prozent) und die Hälfte der Frauen (53 Prozent) übergewichtig: Sie haben einen Body-Mass-Index von über 25. Ein Viertel der Erwachsenen ist sogar stark übergewichtig (adipös).
Anders als früher beginnt das Problem heute schon bei den Jüngsten: Rund 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen in Deutschland bringen zu viel auf die Waage. Welches Gewicht ist noch okay? Welche Rolle spielen Muskeln und Knochen? Und ab wann werden Kilos zum Problem? Hier die Fakten.
Menschen mit einem BMI von über 25 leben länger
Ein paar Pfunde mehr sind nicht zwangsläufig eine Gefahr für die Gesundheit. Ein leichtes Übergewicht könne sogar durchaus positive Effekte auf die Lebenserwartung haben, sagt Matthias Blüher: "Neuere Studien zeigen, dass Menschen mit einem BMI zwischen 25 und 28 länger leben."

Und wie viel ist es bei Ihnen?
© W&B/Michelle Günther
Blüher ist Professor für Endokrinologie und leitet die Adipositas-Ambulanz für Erwachsene an der Universitätsmedizin Leipzig. "Schlank oder leicht übergewichtig zu sein ist im Schnitt gesünder als stark unter- oder übergewichtig", erklärt er. Wo genau die Grenze verläuft, ist selbst für Experten schwer zu sagen. Denn die Übergänge sind fließend.
Hat der BMI-Richtwert von 25 also ausgedient? "Feste Grenzwerte erlauben nicht unbedingt individuelle Voraussagen zum Risiko für Folgekrankheiten. Sie dienen eher der Rechtfertigung von Therapieentscheidungen."
Im Alter darf's auch ein bisschen mehr sein
Sei es für den Badeurlaub oder weil das Gewicht tatsächlich in einen kritischen Bereich rutscht: Mal eben ein paar überflüssige Pfunde loszuwerden – das ist für die meisten gar nicht so leicht. Und mit den Jahren wird es immer schwieriger. Allein das Gewicht zu halten ist manchmal schon eine Herausforderung: Der Stoffwechsel verlangsamt sich, die Muskelmasse nimmt ab, und oft bewegt man sich ohnehin weniger.

Wer viel auf die Waage bringt, ist nicht automatisch übergewichtig. Muskeln wiegen beispielsweise mehr als Fett
© W&B/Michelle Günther
Ältere sollten ihren Körper daher besonders im Auge behalten, sagt Martina de Zwaan, Präsidentin der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, und rät: "Muskulatur auf- und Fett abbauen." Modelmaße sollten aber nicht mehr das Ziel sein: "Gerade bei alten Menschen kann man die BMI-Obergrenze für Normalgewicht getrost in Richtung 27/28 verschieben. Sie haben dann im Fall einer schweren Erkrankung mehr Reserven."
Muskeln sind schwerer als Körperfett, aber gesünder
"Ich hab halt schwere Knochen!" Eine gern genommende Ausrede, wenn die Waage mehr anzeigt als gewünscht – nur macht sie leider keinen Sinn. "Die Knochendichte kann zwar durchaus von Person zu Person variieren, macht aber kaum Unterschiede beim Körpergewicht aus", stellt die Leiterin der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover, Martina de Zwaan, klar.

Eine Frage der Figur: Sind Sie eher Birne oder Apfel?
© W&B/Michelle Günther
Was sehr wohl einen Unterschied macht, ist die Muskelmasse: Sportliche Menschen mit vielen Muckis sind oft etwas schwerer als Untrainierte mit der gleichen Größe. Sie leben aber auch gesünder, da Muskeln wichtige Funktionen erfüllen und etwa für die Fettverbrennung verantwortlich sind. Je mehr Muskeln man hat, desto mehr Kalorien verbraucht der Körper also schon im Ruhezustand. Sehr muskulöse Sportler haben dann oft einen höheren BMI, ohne dass das ein Gesundheitsrisiko darstellen würde – im Gegenteil.
Am Po sind Fettpolster besser als am Bauch
Fett ist nicht gleich Fett, entscheidend ist, wo es sitzt. Ungesund ist vor allem das sogenannte viszerale Bauchfett. Es umgibt die inneren Organe. Gefährlich ist, dass diese Fettzellen sehr stoffwechselaktiv sind: Sie produzieren unter anderem sogenannte Adipokine, das sind Eiweiße, die Entzündungen befeuern. Und die wiederum schaffen den Nährboden für Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck und Arteriosklerose – also all die ebenso verbreiteten wie gefährlichen Zivilisationskrankheiten.
Pölsterchen an Po, Hüfte oder Oberschenkeln sind dagegen vergleichsweise harmlos. Vor allem Menschen mit einer "Apfelfigur", also mit Fettpolstern am Bauch, sollten darum abnehmen. Der sogenannte "Birnentyp" ist weniger gefährdet.

Was kommt auf den Tisch? Die Art der Ernährung kann ein Risikofaktor für Zivilisationskrankheiten sein
© W&B/Michelle Günther
"Auch schlanke Menschen können viel viszerales Fett haben und krank werden. Menschen mit Übergewicht können wenig davon haben und gesund sein", erklärt Endokrinologe Blüher. "Der Bauchumfang ist ein besserer Parameter für gesundheitliche Risiken als das Gewicht oder der BMI alleine. Und er erlaubt auch genauere Vorhersagen, das haben viele Studien sauber belegt", so Blüher. Als Risikofaktoren für Zivilisationskrankheiten spielen zudem Rauchen, Stress und Ernährung eine wichtige Rolle, nicht nur das Gewicht allein.
Gewichtsschwankungen – was steckt dahinter?
Da hatte man endlich ein Kilogramm abgenommen – und schon am nächsten Morgen ist es wieder da! Klingt frustrierend, ist aber normal. Bei ansonsten gesunden Menschen sind Gewichtsschwankungen von bis zu zwei oder sogar drei Kilogramm innerhalb weniger Tage oder Wochen kein Grund zur Sorge.
Häufig stecken Wassereinlagerungen im Körper dahinter, die das Gewicht leicht ansteigen lassen. Frauen kennen das Problem vor allem aus der zweiten Zyklushälfte. Neben Wassereinlagerungen kann auch Verstopfung ein Grund für leichte Schwankungen sein.
Zu extremen Gewichtsschwankungen kann es dagegen nach einer strengen Diät kommen: "Wer mit großer Anstrengung 30 Kilo abspeckt, hat oft schnell wieder 20 Kilo drauf", weiß Adipositas-Expertin de Zwaan. Die große Herausforderung sei, nicht nur kurzfristig abzunehmen, sondern das reduzierte Gewicht zu halten. Statt Diäten wirke darum eine Umstellung der Lebensgewohnheiten langfristig am besten, so de Zwaan: eine gesunde Ernährung und viel Bewegung.