Eisenmangelanämie
Was ist eine Eisenmangelanämie?
Die Eisenmangelanämie gehört zu den häufigsten Ursachen einer Blutarmut (Anämie). Weltweit sind circa 30 Prozent der Bevölkerung davon betroffen. Aufgrund eines Mangels an Eisen kann der Körper nicht ausreichend roten Blutfarbstoff (Hämoglobin) herstellen. Hämoglobin ist ein großes, ringförmig aufgebautes Molekül, in dessen Mitte Eisen eingebunden ist. Die Aufgabe des in den roten Blutkörperchen befindlichen Hämoglobins ist es, Sauerstoff zu binden und bei Bedarf an die Zellen des Körpers abzugeben. Hämoglobin ist sozusagen der Sauerstofftransporter im menschlichen Blut. Ohne Eisen kann das Hämoglobin seinen Zweck nicht erfüllen.
Ursachen
Ein Eisenmangel ensteht, wenn der Eisenbedarf höher ist als die -aufnahme. Die häufigste Ursache in Europa ist ein chronischer Blutverlust. Mit zwei Milliliter Blut geht ein Milligramm Eisen verloren. Weniger häufige Ursachen sind eine Störung der Eisenaufnahme oder eine unzureichende Zufuhr mit der Nahrung.
1. Chronischer Blutverlust
Mögliche Ursachen sind unter anderem:
- Blutungen im Magen-Darm-Trakt gehören zu den häufigsten Ursachen einer Eisenmangelanämie bei Männern und bei Frauen nach den Wechseljahren. Sie können sich aufgrund einer Magenschleimhautentzündung (Gastritis), von Magen-Darm-Geschwüren (Ulkuskrankheit) oder Hämorrhoiden entwickeln. Auch Krebs im Magen-Darm-Trakt kann zu Blutungen führen. Weltweit ist die häufigste Ursache eines chronischen Blutverlustes über den Magen-Darm-Trakt eine Infektion mit einem Parasiten, dem sogenannten Hakenwurm. In Europa kommt dies praktisch nicht vor, die Infektion betrifft vor allem Menschen in den Tropen und Subtropen. Bei einer Eisenmangelanämie nach einem Auslandsaufenthalt sollte allerdings auch an eine solche Diagnose gedacht werden.
- Blutungen aus den Harnwegen und den Geschlechtsorganen und insbesondere der Verlust von Eisen mit der Regelblutung (Menstruation) sind die häufigste Ursache für einen Eisenmangel bei jungen Frauen. Im Rahmen einer Regelblutung verliert der Körper circa 50 Milliliter Blut, diese Menge entspricht einem monatlichem Eisenverlust von 25 Milligramm. Knapp 15 Prozent der Frauen haben zudem eine verstärkte Menstruation und sind besonders gefährdet, einen Eisenmangel zu entwickeln. Aber auch Myome in der Gebärmutter und Krebs (zum Beispiel Nierenzellkarzinome oder Blasentumoren) können zu Blutungen führen. Eine Hämoglobinurie, also eine Ausscheidung des roten Blutfarbstoffes über den Urin als Folge eines gesteigerten Abbaus oder Zerfalls der roten Blutkörperchen, ist ebenfalls eine nicht außer Acht zu lassende Ursache. Ihr können verschiedene Erkrankungen, unter anderem eine paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie, zugrundeliegen.
- Im Rahmen der Dialyse verlieren Menschen mit Nierenerkrankungen knapp 2,5 Liter Blut pro Jahr.
- Blutverlust im Rahmen von Operationen oder durch Blutspende
- Blutverluste über die Atemwege
- chronisches Zahnfleisch- oder Nasenbluten
- selbstzugefügte Blutungen, zum Beispiel bei Münchhausen-Syndrom
2. Zu geringe Eisenzufuhr
Eine ungenügende Zufuhr von Eisen mit der Ernährung kann zum Beispiel bei zu einseitiger fleischfreier Kost oder zu einseitigen Diäten entstehen. Betroffen sind vor allem Säuglinge, Kleinkinder, Vegetarier, Menschen mit Essstörungen und Alkoholiker.
Davon ist eine zu geringe Eisenzufuhr aufgrund eines gesteigerten Eisenbedarfs abzugrenzen. Neben Wachstum, Schwangerschaft und Stillzeit kommen dafür zum Beispiel auch ein Mehrbedarf an Eisen aufgrund der Therapie eines B12- und/oder Folsäuremangels infrage.
3. Gestörte Eisenaufnahme
Dies bedeutet, dass der Körper das Eisen, das mit der Nahrung zugeführt wird, nicht ausreichend aufnehmen kann. Gründe dafür können zum Beispiel chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie eine Infektion mit dem Bakterium Helicobacter pylori oder eine atrophische Gastritis sein. Aber auch Menschen nach einer teilweisen Entfernung des Magens (Magenteilresektion) haben ein erhöhtes Risiko, an einer Eisenmangelanämie zu erkranken. Zudem kann eine langdauernde Einnahme von Medikamenten gegen eine übermäßige Magensäureproduktion (Antazida) oder ein starker Konsum von Schwarztee (Tannine), Kaffee (Phytinsäure) oder Rhabarber die Eisenaufnahme behindern.
Symptome
Zu den typischen Beschwerden einer Blutarmut zählen:
- Blässe
- Müdigkeit
- allgemeines Schwächegefühl verbunden mit Abgeschlagenheit und Leistungsabfall
- Schwindel
- Kurzatmigkeit, vor allem unter Belastung
- Herzklopfen
Diese zum Teil uncharakteristischen Beschwerden beruhen auf einer unzureichenden Versorgung der Organe mit Sauerstoff. Denn der rote Blutfarbstoff Hämoglobin, der bei einer Eisenmangelanämie vermindert ist, ist der Sauerstofftransporter im menschlichen Blut und damit essentiell für die Versorgung unserers Körpers mit dem lebenswichtigem Gas. Die Symptomatik ist abhängig von der Geschwindigkeit, mit der die Blutarmut entsteht.
Zusätzlich können weitere Symptome auftreten, wie beispielsweise:
- rauhe, rissige Haut
- rissige Mundwinkel (Faulecken, Mundwinkelrhagaden)
- brüchige Nägel
- Hohlnägel (Nägel, die sich nach innen biegen)
- glanzloses, sprödes Haar
- Zungenbrennen mit Schmerzen beim Schlucken
- abnorme Essgelüste, zum Beispiel auf Kalk, Erde oder Eiswürfel (Pikazismus)
Diagnose
Häufig stellen Ärzte eine Eisenmangelanämie zufällig im Rahmen routinemäßiger Blutbildkontrollen fest. Bei einem Eisenmangel leert der Körper zunächst seine Eisenspeicher. Erst wenn diese Reserven erschöpft sind, entwickelt sich eine Blutarmut.
Bei Verdacht auf einem Eisenmangel sollten Sie sich von Ihrem Hausarzt beraten lassen, um eine entsprechende Diagnostik und eine Klärung der Ursachen einzuleiten.
Wichtig ist hierbei vor allem eine ausführliche Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese), die zum einen die jeweiligen Lebens- und Ernährungsgewohnheiten, aber auch Vorerkrankungen und Medikamenteneinnahme umfasst. Zum anderen sollte der Arzt gerade mit jungen Frauen über die Häufigkeit, Dauer und Schwere der Regelblutung sprechen und bei älteren Menschen nach Blutungen aus Magen-Darm-Trakt oder Harn- und Geschlechtsorganen fragen.
Eine definitive Aussage über den Eisenhaushalt liefert dann eine Blutabnahme und -untersuchung. Zu den wichtigsten Parametern gehören dabei:
- Anzahl der roten Blutkörperchen (Eryhtrozyten): Sind zu wenig davon vorhanden, spricht dies für eine Anämie.
- Menge des roten Blutfarbstoffes (Hämoglobinwert, Hb-Wert): Ist er vermindert, bedeutet das, dass eine Anämie vorliegt.
- Hämatokrit (Hkt): Er beziffert den Anteil der festen Bestandteile oder Zellen des Blutes am Blutvolumen. Da die meisten Zellen des Blutes Erythrozyten sind, gibt der Hämatokrit indirekt auch Auskunft über die Menge an roten Blutkörperchen. Allerdings beeinflussen ihn auch Änderungen des Flüssigkeitshaushaltes entscheidend. Ein verringerter Hämatokrit kann also auf eine Blutarmut hinweisen, es können aber auch andere Ursachen dahinter stecken.
- Mittleres Erythrozytenhämoglobin (MCH): MCH ist ein Wert, der besagt, wie viel roter Blutfarbstoff durchschnittlich in einem Erythrozyten vorhanden ist. Ist der Wert erniedrigt, spricht das dafür, dass eine Störung bei der Bildung des Hämoglobins für die Anämie verantwortlich ist. Bei einer Eisenmangelanämie ist das MCH vermindert, es liegt eine sogenannte hypochrome Anämie vor.
- Mittleres Erythrozytenvolumen (MCV): Das MCV beziffert die mittlere Größe beziehungsweise das Volumen der einzelnen roten Blutkörperchen. Bei einer Eisenmangelanämie ist das MCV vermindert. Es handelt sich um eine mikrozytäre Anämie.
- Retikulozyten: Das sind unreife Vorstufen der roten Blutkörperchen im Blut. Um einen Mangel an Erythrozyten zu beheben, setzt der Körper rote Blutkörperchen aus seinen Reserven im Knochenmark frei. Stehen dort nicht genügend reife Zellen zur Verfügung, werden auch die nicht ganz ausgereiften Vorstufen, die Retikulozyten ins Blut entlassen. Eine hohe Zahl an Retikulozyten im Blut weist also darauf hin, dass viele rote Blutkörperchen verloren gehen und der Körper versucht, sie schnell nachzubilden. Als Ursache kommen dann vor allem eine Blutung oder ein vermehrter Abbau oder Zerfall von Blutkörperchen infrage. Bei einer Eisenmangelanämie kommt es nach der Gabe von Eisen zu einem Anstieg der Retikulozyten.
- Transferrin/Transferrinsättigung: Transferrin ist ein Transporteiweiß für Eisen. Es sorgt für den Transport von Eisen von den Enterozyten, die für die Eisenaufnahme aus dem Darm zuständig sind zu den im Körper vorhandenen Speichern. Eine Verminderung der Transferrinsättigung kann hierbei auf eine mangelnde Eisenversorgung hinweisen, sofern parallel keine Entzündung vorliegt, da Transferrin auch aufgrund von Entzündungen sinkt.
- Löslicher Transferrinrezeptor (sTfR): Das an Transferrin gebundene Eisen im Blut wird über spezielle Rezeptoren, die Trabsferrinrezeptoren, über die Zellwand in die roten Blutkörperchen aufgenommen. Folglich steigt bei einer Eisenmangelanämie auch die Anzahl der freien Rezeptoren im Blut an.
- Ferritin (Speichereisen): Ferritin ist ein wasserlösliches Eiweiß, das Eisen speichert und die Zellen vor der schädigenden Wirkung des freien Eisens schützt. Es befindet sich vor allem in den Zellen der Leber, im Knochenmark, der Milz, aber auch in anderen Geweben, wie der Muskulatur. Das im Blut gemessene Ferritin ist ein Hinweis darauf, wie gut die Eisenspeicher des Körpers befüllt sind und ist einer der wichtigsten Parameter zur Erfassung einer Eisenmangelanämie. Der Serumferritinwert ist hier vermindert. Liegen gleichzeitig Entzündungen vor, kann er jedoch irritierenderweise auch erhöht sein.
Blutwerte, die bei einer Eisenmangelanämie verändert sind:
Steht der Eisenmangel fest, gilt es die Ursache zu finden. In Abhängigkeit von der Verdachtsdiagnose und dem Alter des Patienten leitet der Arzt entsprechende Diagnosemaßnahmen ein.
Da sich oft ein Blutverlust hinter der Diagnose Eisenmangelanämie versteckt, sollte zunächst eine Blutung als Ursache ausgeschlosssen werden. Dazu trägt eine Untersuchung des Stuhles auf Blut bei. In Abhängigkeit vom Ergebnis kann sich daran eine Magen-Darm-Spiegelung anschließen, um den Verdacht auf eine Blutung auszuräumen oder zu bestätigen. Ferner sollte der Urin auf Blut untersucht werden und bei Frauen – je nach Anamnese – auch eine Untersuchung durch den Frauenarzt erfolgen. Eine Untersuchung durch den Hals-Nasen-Ohrenarzt kann auch zur Diagnostik gehören, wenn es gilt chronischen Blutverlusten in diesem Bereich auf den Grund zu gehen.
Der früher oft durchgeführte Eisenresorptionstest zum Auschluss einer Störung der Aufnahme von Eisen aus dem Darm wird wegen mangelnder Aussagekraft heute kaum noch gemacht.
Therapie: Was tun bei einer Eisenmangelanämie?
Die Behandlung einer Eisenmangelanämie erfordert ein kombiniertes Vorgehen. Dies beinhaltet eine Abklärung und Behandlung der Ursache des Eisenmangels in Kombination mit einer Eisengabe.
Beruht ein Speichereisenmangel auf einer zu geringen Zufuhr des Spurenelements mit der Nahrung, sollte der Betroffene seine Ernährung nach Möglichkeit so umstellen, dass er genügend Eisen aufnimmt. Reich an Eisen sind Fleisch, Fisch und Nüsse. Geringere Mengen an Eisen sind auch in Milch, Eiern, Hülsenfrüchten und Getreide enthalten. Das im Fleisch enthaltene Eisen liegt in einer Form vor, die wir besonders gut verarbeiten können. Pflanzliches Eisen kann unser Körper dagegen schlechter verwerten.
Reicht eine Umstellung der Ernährung nicht aus und liegt bereits eine Anämie vor, sollte eine Therapie mit Eisen in Form von Eisendragees oder -tabletten erfolgen. Eisenpräparate sollten – je nach Vorgabe des Arztes – täglich oder jeden zweiten Tag auf nüchternen Magen mit Wasser oder Fruchtsaft eingenommen werden. Fast alle festen Speisen verringern die Aufnahme des Eisens aus dem Darm. Vitamin C hingegen kann die Aufnahme verbessern.
Bluttransfusionen sind in der Regel überflüssig, da bei einer Eisenmangelanämie eine rasche Besserung durch die Eisenbehandlung zu erwarten ist. Eine Wirkung zeigt sich bereits eine Woche nach Beginn der Einnahme durch Anstieg der Zahl der Retikulozyten und des Hämoglobinwertes. Die Eisengabe erfolgt bis zur Normalisierung der Eisenspeicher mit einem Ziel-Ferritin-Wert von etwa 100 µg/l und dauert in der Regel etwa sechs Monate. Ein unzureichender Anstieg beruht meist auf einer ineffektiven Therapie, also zum Beispiel unregelmäßiger oder fehlender Einnahme.
Hier gilt es zunächst das Einnahmeverhalten zu überprüfen. Oft ist eine mangelnde Einnahme auf Nebenwirkungen der Behandlung zurückzuführen. Häufige Nebenwirkungen sind vor allem gastrointestinale Beschwerden, wie Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Durchfälle und auch eine Schwarzfärbung des Stuhls. Bei gastrointestinalen Beschwerden kann in Rücksprache mit dem Arzt vielleicht die Dosis verändert oder eine Einnahme zu den Mahlzeiten versucht werden, auch wenn dadurch die Eisenaufnahme verringert wird.
Eine Einnahme von Eisen zusammen mit manchen anderen Medikamenten wie bestimmten Antibiotika (z.B. Tetracyclinen) oder Medikamenten gegen eine übermäßige Magensäureproduktion (Antazida) kann zu einer verringerten Aufnahme des Spurenelementes führen.
Spricht ein Patient mit gesichertem Eisenmangel nicht auf die Behandlung an, können neben einer falschen oder nicht regelmäßigen Einnahme auch weitere Ursachen vorliegen. Hierzu zählen vor allem nicht erkannte Blutverluste, Aufnahmestörungen oder auch das Vorliegen eines gleichzeitig bestehenden Vitamin B12 oder Folsäuremangels.
Bei schweren Nebenwirkungen oder einer Unverträglichkeit gegenüber oralen Eisenpräparaten kann Eisen auch über die Vene (intravenös) verabreicht werden. Eine intravenöse Eisentherapie kann auch bei chronisch entzündlichen Magen-Darm-Erkrankungen und bei Malabsorptionssyndromen angezeigt sein. Nach intravenöser Eisengabe sollte eine Kontrolle der Eisenspeicher frühestens zwei bis drei Monate nach der letzten Eisengabe erfolgen, da ansonsten falsch hohe Ferritin-Werte gemessen werden. Auch hier sollte ein Serum-Ferritinwert von 100 µg/l das Ziel sein.
Beratender Experte
Dr. med. Ferras Alashkar arbeitet als Assistenzarzt in der Klinik für Hämatologie am Universitätsklinikum in Essen. Sein Studium absolvierte er an der Medizinischen und Pharmazeutischen Universität Iuliu Hațieganu in Cluj-Napoca, Rumänien, und an der Universität Duisburg-Essen. Die klinische Ausbildung erfolgte nachfolgend an der Justus-Liebig-Universität in Gießen im Bereich Internistische Onkologie und Palliativmedizin. Seit 2012 ist er in der Klinik für Hämatologie am Universitätsklinikum Essen tätig. Im Rahmen seiner Tätigkeit ist er an zahlreichen klinischen Studien beteiligt und beschäftigt sich neben der stationären sowie ambulanten Betreuung von Patienten, wissenschaftlich insbesondere im Bereich der Anämien, wie zum Beispiel der Aplastischen Anämie (AA) und der Paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH).
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.