Haarausfall – Spezielle Formen und Ursachen

Ausgeprägter Kopfpilz mit Haarausfall bei einem Jungen
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Es geht in diesem Kapitel um zumeist eher seltene Formen des Haarausfalls, mit oder ohne Narbenbildung, mit eher herdförmigem oder diffusem Muster, wobei es mitunter hier auch Übergänge gibt.

Furunkel (eitrige Haarbalgentzündung; schematisch)
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Nicht vernarbender Haarausfall
- Herdförmiger Haarausfall nach Infektionen der Haut (zirkumskripte = herdförmige postinfektiöse Alopezie): Falls die Haarwurzel, besonders die Keimschicht (Matrix), von der aus ein neues Haar austreibt, nicht durch die Entzündung zerstört ist beziehungsweise keine Narben entstanden sind, ist der Haarverlust rückbildungsfähig.
Ursache: Furunkel (Blutschwär, tiefe eitrige Haarbalgentzündung), Karbunkel (mehrere, ineinander übergehende Furunkel), Impetigo contagiosa (Borkenflechte: nässender oder Bläschen bildender, bakterieller, hochansteckender Hautausschlag, der vor allem bei Kindern und Neugeborenen auftritt), Erysipel (bakterielle Hautinfektion mit grippeartigen Symptomen), Herpes zoster (Gürtelrose), Syphilis (hier diffus "mottenfraßähnlich" verteilte kahle Stellen).
Symptome: Kahle Stellen am Kopf oder anderen behaarten Körperbereichen, dazu je nach Krankheitsbild mehr oder weniger typische Hautveränderungen, teils auch mit Juckreiz oder Schmerzen.
Diagnose: Dermatologisch-klinisch, bei entsprechendem Krankheitsverdacht eventuell Abstrich zur bakteriologischen Untersuchung, weitere Abklärung durch andere Fachärzte, etwa einen Facharzt für innere Medizin.
Therapie: Gemäß Ursache, zum Beispiel Antibiotika bei Erysipel, Borkenflechte, teils auch bei Karbunkel, oder ein antivirales Medikament (bei Bedarf auch ein Schmerzmittel) bei Herpers zoster, bei bestimmten Infektionen wie Karbunkel manchmal auch chirurgisch.

Die Kleinsten kann es treffen: Beim Losen-Haar-Syndrom bleibt das Haar dünn, später wächst es kräftiger
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- Loses(-Anagen)-Haar-Syndrom: An dieser vorübergehenden, diffusen Haarwuchsstörung erkranken vorwiegend Kinder mit blonden Haaren im Alter von zwei bis fünf Jahren, Mädchen offenbar häufiger als Jungen. Das Haar wächst insgesamt langsamer und lässt sich leicht zupfen. Die Störung ist auf die Kopfhaut begrenzt und kann ohne weitere Auffälligkeiten, manchmal aber auch mit anderen Entwicklungsproblemen verbunden sein.
Ursache: Unklar, erbliche Faktoren werden diskutiert.
Diagnose: Symptome, positiver Haarzupftest. Die Haare lassen sich leicht und schmerzlos herausziehen, bei sichtbar dünnerem Schopf auch büschelweise. Gegebenenfalls Trichogramm: Es zeigt überwiegend kümmerliche (dystrophische) Anagenhaare ohne Wurzelhülle.
Therapie: Keine. Der Haarausfall hört meist nach einigen Jahren auf, das Haar wächst nach.

Sich wiederholt die Haare auszureißen, kann einem Zwang entspringen oder eine Art Ventil sein bis hin zu kahlen Stellen
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- Psychische Störungen: Gelegentlich kann hinter dem angeblichen Haarausfall auch eine psychische Erkrankung stecken. Manche Menschen verspüren den Zwang, sich bei Anspannung Haare auszureißen. Diese keineswegs seltene Verhaltensstörung heißt Trichotillomanie. Experten gehen von einer Störung der Impulskontrolle aus. Oft beginnt sie in der Jugend, Frauen sind hierbei häufiger betroffen als Männer.
Ursache: Verschiedene psychische Faktoren wie Ängste oder seelische Verletzungen (Traumata), erlernte Verhaltensmuster wie zum Beispiel der Umgang mit Belastungen. Wie die Störung entsteht, ist aber noch unklar. Es wird auch eine erbliche Veranlagung diskutiert, denn die Störung kommt in einigen Familien gehäuft vor.
Symptome: In schweren Fällen weist die Kopfhaut zahlreiche kahle Stellen auf, obwohl die Haare eigentlich völlig gesund sind. Viele Betroffene erfinden angebliche Ursachen für den vermeintlichen Haarausfall oder versuchen, die lichten Stellen unter Kopfbedeckungen oder Haarteilen zu verbergen.
Diagnose, Therapie: Das Gespräch mit einem Psychotherapeuten gilt als wegweisend. Er entscheidet auch, ob eine Psychotherapie, meist in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie, notwendig ist. Dabei lernen Betroffene unter anderem, mit Stresssituationen umzugehen und nach und nach von ihrem Zwang zu lösen.
- Rein mechanische Ursachen: Manche Frisuren oder festgezurrte Kopfbedeckungen können die Haare strapazieren. Wer stets einen strammen Pferdeschwanz trägt, stellt manchmal fest, dass die Haare an den Schläfen und im Scheitelbereich schütterer werden. Schuld ist dann möglicherweise der ständige Zug. Auch anhaltender Druck ist dem Haarwuchs nicht förderlich. So können nach längerer Bettlägerigkeit Haare am Hinterkopf verloren gehen.
- Temporale dreiecksförmige Alopezie (Alopezia triangularis congenita, herdförmiger Haarausfall): Nicht vernarbender Haarausfall.
Symptome: Münzgroßer, haarfreier Bereich, meist an der Haargrenze im Schläfenbereich, sozusagen verstärkte Geheimratsrecken, häufig auch nur einseitig
Ursache: Angeboren; es fehlen reife Haarwurzeln.
Diagnose: Klinisch-dermatologisch, Krankengeschichte
Therapie: Keine, gegebenenfalls Haartransplantation
Vernarbender Haarausfall: Kein Nachwachsen der Haare
Entzündliche Erkrankungen der Haut beziehungsweise Kopfhaut, physikalische oder chemische Schädigungen können die Haarwurzeln zerstören und Vernarbungen hinterlassen. Dann wachsen dort keine Haare mehr. Die Ursachen für vernarbenden Haarausfall sind vielfältig (siehe nachfolgend). Teilweise können auch andere Hautbereiche erkranken.
Allgemeine Symptome an der Kopfhaut: Häufig kommt es zu Hautveränderungen wie Juckreiz, Rötung, Blasenbildung, Schwellung, Nässen, Eiterbildung, Schuppung, Verlust der Pigmentierung und Ausdünnen der Haut. An der Kopfhaut sieht man dann keine Haarausgänge mehr, und die Kopfhaut wirkt glänzend. Dieser Folgezustand wird als Pseudopelade-Status bezeichnet.
Für einen Pseudopelade-Status können verantwortlich sein:
- Chronisch-diskoider Lupus erythematodes:
Ursache: Autoimmunkrankheit.
Symptome: Rote verhärteten Flecken zumeist an belichteten Körperstellen (Lichteinfluss kann akute Krankheitsschübe auslösen) behaarter Kopf, Wangen, Stirn, Nase, Ohrmuscheln, Brustausschnitt, selten an Rumpf und Gliedern. Erkrankte Bereiche auf der Kopfhaut reagieren empfindlich auf Druck und Berührung. Die betroffenen Stellen vernarben in der Mitte, man sieht keine Haarporen mehr, die Haut verblasst oder verfärbt sich und kann erweiterte Gefäße aufweisen. Die Ränder sind je nach entzündlicher Aktivität gerötet.
Diagnose: Dermatologisch-klinisch, Blutunterschung, Kopfhautbiopsie. Wichtig ist der Ausschluss eines systemischen Lupus erythematodes, der den Körper als Ganzes betrifft. Dies übernehmen in der Regel Fachärzte für innere Medizin.
Therapie des auf die Haut begrenzten Lupus erythematodes: Konsequenter Lichtschutz, Rauchverzicht, Kortisonpäparate zum Auftragen, in schweren Fällen Kortison oder andere spezielle Medikamente innerlich. Mehr dazu im Ratgeber "Lupus erythematodes (LE)".
- Lichen-Erkrankungen der Kopfhaut, knötchenflechtenartig (selten): Lichen planopilaris und frontal-fibrosierende, lichenoide (= lichenähnliche) Alopezie gehören wohl zu "Varianten" der Knötchenflechte, die sich im Bereich der Haarwurzeln abspielen. Infolge einer Entzündung kommt es zu einer chronischen Verhornungsstörung und bleibendem Haarausfall durch Vernarbungen.
Ursache: Bei Lichen planopilaris könnten verschiedene Auslöser eine fehlgesteuerte Immunreaktion in Gang setzen. Wie die frontal-fibrosierende, lichenoide Alopezie entsteht, ist unklar. Sie kommt überwiegend bei älteren Frauen vor.
Symptome: Mit juckenden, rötlichen, leicht aufgeworfenen Flecken und Überempfindlichkeit der erkrankten Stellen an der Kopfhaut zeigt sich ein Lichen planopilaris. Ältere "ausgebrannte" Areale weisen vernarbte, glatt spiegelnde, kahle Stellen auf, die Haarporen sind verschwunden. Gleichzeitig können Haut- und Nagelveränderungen auftreten, wie sie für Lichen-Erkrankungen typisch sind.
Bei der frontal-fibrosierenden lichenoiden Alopezie entsteht ein bandförmiger Haarausfall mit Zurückweichen des Haaransatzes im Stirn- und Schläfenbereich, dazu ein Saum mit kleinsten knötchenförmigen Rötungen der Haut. Vereinzelt bleiben Haare stehen. Auch die Augenbrauen und andere behaarte Körperstellen können betroffen sein, manchmal zeitlich noch vor der Kopfhaut.
Diagnose: Dermatologisch-klinisch und Kopfhautbiopsie mit feingeweblicher Untersuchung (siehe auch Kapitel "Haarausfall: Überblick...was Männer und Frauen wissen sollten", Abschnitt: "Diagnose").
Therapie: Es werden jeweils werden kortisonhaltige Cremes beziehungsweise Unterspritzungen mit Kortisonlösungen eingesetzt, um die zugrunde liegende Entzündung zu blockieren. In schweren Fällen kommt die innerliche Anwendung von Kortison oder anderen immununterdrückenden Medikamenten infrage.
- Folliculitis decalvans: Diese seltene, chronische Krankheit führt über Jahre wiederholt zu eitrigen Haarwurzel- beziehungsweise Haarbalgentzündungen (lat. Folliculitis). Die Haare fallen aus und wachsen nicht wieder nach. Männer erkranken häufiger als Frauen, Alter etwa 20 bis 40 Jahre.
Ursache: Ungeklärt, eventuell Zusammenspiel bakterieller und immunologischer Faktoren. Familiäre Häufungen werden vereinzelt beobachtet; In seltenen Fällen ist eine Verbindung zu einer Akne nachweisbar.
Symptome: Anfangs treten fein verstreut auf der Kopfhaut kleine, mäßig schmerzhafte, rote Knötchen auf (Zeichen der Follikulitis), mit Tendenz zur Bildung von Eiterpusteln. Im Laufe der Zeit bilden sich viele kahle Stellen mit spiegelnden Vernarbungen, die auch großflächiger ineinander übergehen können. Charakteristisch sind Haarbüschel in erweiterten Poren und haarbodennahe schuppenartige Einscheidungen der Haarschäfte am Rande der Herde. Anhaltende Reizungen mit rötlichen Knötchen in den Randzonen sind Anzeichen für ein Fortschreiten der Erkrankung.
Diagnose: Dermatologisch-klinisch; Hautbiopsie, Erregerkultur aus Pustelinhalt.
Therapie: Frühestmöglich ausgewählte Antibiotika gemäß Erregerkultur, um den Haarausfall zu begrenzen. Wenn die Erkrankung über längere Zeit ohne Therapie stabil gehalten wird und nicht akut auszubrechen droht, kann man bei guter Qualität der Nackenhaare und der Haare am Hinterkopf die Lücken gegebenenfalls wieder mit Transplantaten auffüllen. - Tiefergehende Pilzinfektionen der Kopfhaut: Kopfpilz (Tinea capitis), kann sich nur oberflächlich auf der Haut, aber auch tiefgreifend (sogenanntes Kerion) entwickeln.
Symptome: Eine akute entzündliche Reaktion von juckenden Hautstellen, die sich stark röten, Pusteln bilden, teigig anschwellen, sich verhärten und kahl werden ("Plaques"). Meist schwellen auch Halslymphknoten an. Kopfpilz befällt im Allgemeinen Kinder, als Kerion mitunter aber auch Männer mit Bart.
Diagnose: Dermatologisch-klinisch, Angaben zur Krankengeschichte, Dermatoskopie (auffallende schwarze Punkte, Schuppen, "Komma"-Haare), Pilzkultur. Sobald die Diagnose Tinea capitis gestellt wurde, sollte auch nach der Infektionsquelle gesucht werden, zum Beispiel Kontakt mit Katzen.
Therapie: Es werden verschiedene Medikamente zur örtlichen Behandlung eingesetzt. Entweder hemmen sie das Pilzwachstum, oder sie töten die Pilze ab. Häufig verordnet der Hautarzt vorab ein Breitband-Pilzmittel, das gegen verschiedene Pilzarten wirkt, da das Ergebnis der Pilzkultur länger dauert. Bei Kopfpilz oder Bartflechte mit tiefen Entzündungsherden wird er den Patienten zusätzlich auch innerlich mit einem Anti-Pilzmittel – Tabletten, Saft oder Suspensionen zum Einnehmen – behandeln. Diese Therapie kann bis zu drei Monate dauern. Wird sie zu kurz durchgeführt, besteht die Gefahr, dass der Pilz sich erneut breit macht. Arzneien zum Einnehmen sind notwendig, weil die meisten Medikamente von außen nicht in der Haarwurzel ankommen. - Schwere Akne (Acne conglobata): Kann mit Vernarbungen und Haarausfall einhergehen. Mehr zu der Hautkrankheit im Ratgeber "Akne".
- Pseudopelade Brocq: Eine seltene Sonderform des vernarbenden Haarausfalls ist die Pseudopelade Brocq (Alopezia atrophicans; atrophicans steht für Schwund).
Ursache: Unbekannt.
Symptome: Unregelmäßig geformte, fleckförmige, scharf begrenzte haarlose Stellen, vor allem im Schläfen- und Scheitelbereich. Sie entwickeln sich langsam, meist innerhalb von zwei Jahren. Betroffen sind in erster Linie Erwachsene, Frauen dreimal so häufig wie Männer. Obwohl wenn das Haar an den betroffenen Stellen nicht mehr nachwächst: Der Erkrankungsprozess kann auch zum Stillstand kommen.
Diagnose: Umfassende dermatologisch-klinische Untersuchungen einschließlich Kopfhautbiopsie.
Therapie: Derzeit nicht bekannt. In die ärztliche Diagnostik und Beratung sollte ein spezialisiertes Zentrum für seltene Haut- und Haarkrankheiten mit eingebunden werden.