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Rauchen, ungesunde Ernährung, mangelnde Bewegung – dass diese Verhaltensweisen der Gesundheit schaden, ist bekannt. Aber auch die Umwelt kann krank machen: Lärm ist nach Angaben der Europäischen Umweltagentur der am meisten unterschätzte Risikofaktor für die Gesundheit. Und Deutschland tut zu wenig gegen diese dröhnende Gefahr.

Jana Lapper, Redakteurin

Jana Lapper, Redakteurin

Dabei führt zu viel Lärm zu Dauerstress: Stresshormone werden aktiviert, über die Jahre entwickeln sich Risikofaktoren wie erhöhter Blutdruck, steigende Cholesterinwerte und ein zunehmendes Diabetesrisiko. Langfristig entwickelten sich so Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzschwäche und Herzinsuffizienz, sagt Prof. Dr. Thomas Münzel, Professor für Kardiologie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz.

Deshalb hat die EU-Kommission im März den Druck auf die Bundesrepublik erhöht: Zwar habe sie für Ballungsräume, Schienenwege und Flughäfen sogenannte Lärmaktionskarten erstellt, nicht aber für Hauptverkehrsstraßen außerhalb von Ballungsräumen. Kommt Deutschland der Forderung nicht nach, kann die Behörde vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Dann droht eine Geldbuße.

In vielen Wohngegenden ist es zu laut

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Grenzwerte für Lärm aufgestellt: Demnach ist ein dauerhafter Pegel durch Straßenverkehr von mehr als 52 Dezibel gesundheitsschädigend. Das ist in etwa so laut wie ein Gespräch in Zimmerlautstärke. Nachts ist der Lärm laut WHO bereits ab 45 Dezibel gefährlich.

Vor allem an Hauptverkehrsstraßen, aber auch an Bahnstrecken oder Einflugschneisen werden diese Werte häufig überschritten. An vielen Straßen in Großstädten sind 75 Dezibel und mehr keine Seltenheit, zeigt die Lärmkartierung des Umweltbundesamtes (UBA). Nach Berechnungen des UBA ist in Deutschland etwa die Hälfte der Bevölkerung Straßenverkehrslärm von mindestens 55 Dezibel, nachts 45 Dezibel ausgesetzt.

Davon betroffen sind vor allem einkommensschwache Haushalte, denn sie leben häufig in dicht besiedelten Gebieten mit stark befahrenen Straßen oder in Flugschneisen, wo die Mieten noch bezahlbar sind. Und es geht nicht nur um die Dezibel: Wo viel Verkehrslärm ist, da sind auch viele Abgase. Die schaden der Gesundheit zusätzlich.

Besonders gefährlich ist der Lärm für Vorerkrankte, für ältere Menschen und für Kinder All diese Menschen muss der Staat besser vor Lärm schützen. Denn selbst kann man nur wenig dagegen tun. Gerade in Ballungsgebieten ist nicht jeder in der Lage, einfach in eine ruhigere Nachbarschaft zu ziehen.

Weniger Verkehr und Nachtflugverbot

Der wichtigste Schritt: Der tägliche Verkehr muss weniger werden. In der Stadt müssen die Wege durch kluge Stadtplanung kürzer werden. Der öffentliche Nahverkehr muss attraktiver und leistbarer werden, damit mehr Menschen das Auto stehen lassen. Außerdem braucht es mehr Tempolimits, denn eine Herabsetzung von 50 auf 30 Stundenkilometer hört sich wie eine Halbierung des Verkehrs an.

Um Anwohnerinnen und Anwohner von Flughäfen zu entlasten, braucht es ein allgemeines Nachtflugverbot zwischen 22 Uhr und 6 Uhr, der gesetzlich definierten Nacht. Bisher gelten an jedem Flughafen andere Regeln. Denn besonders in der Nacht ist Lärm gefährlich: Laut dem Kardiologen Münzel führt schon eine einzelne laute Nacht zu Störungen an den arteriellen Gefäßen. Zu kurzer und häufig unterbrochener Schlaf ist für den Körper Stress pur.

Expertinnen und Experten wie Münzel plädieren außerdem dafür, die WHO-Grenzwerte in die EU-Gesetzgebung zu übernehmen, wie es bei den Stickstoffdioxid-Werten bereits der Fall ist. Das ist hilfreich, denn werden dann die Dezibel-Grenzwerte überschritten, muss die Politik Maßnahmen ergreifen – zum Beispiel den Flug- oder Straßenverkehr in der betroffenen Gegend beschränken.

Diese Schritte müssen so schnell wie möglich umgesetzt werden, denn sie setzen an der Wurzel des Problems an. Damit es künftiger weniger Menschen dauerhaft in den Ohren dröhnt.