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Sein Image als „gesunder“ Zucker hat der Fruchtzucker nicht grundlos verloren. Zwar liefert der Einfachzucker Energie, aber ein Sättigungsgefühl stellt sich nicht ein. Das liegt unter anderem daran, dass Fruktose im Gegensatz zu anderen Zuckerarten nicht den Mechanismus auslöst, durch den Insulin aus der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet wird. Da bei Menschen mit Diabetes entweder ein Insulinmangel vorliegt oder der Körper weniger auf das Hormon reagiert, wurde den Betroffenen Fruktose jahrelang besonders empfohlen. Viele Supermärkte boten ein Sortiment an „Diabetiker-Lebensmitteln“. Doch inzwischen weiß man, dass Fruchtzucker gar nicht besser für den Stoffwechsel ist, zu viel davon gar Übergewicht und eine Leberverfettung begünstigt. Denn die Stoffwechselprozesse finden beim Fruchtzucker überwiegend in der Leber statt.

Was Fruktose im Körper bewirkt

Eine übermäßige Fruktosezufuhr scheint auch das Risiko für Diabetes, bestimmte Lebererkrankungen, ungünstige Harnsäure- und Blutfettwerte und damit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erhöhen. Ob dabei tatsächlich die Fruktosezufuhr das Entscheidende ist, oder ob einfach die dadurch zu hohe Kalorienaufnahme die Ursache ist, ließ sich bisher nicht ganz schlüssig klären.

Seit 2010 gibt es jedenfalls keine speziellen „Diabetiker-Lebensmittel“ mehr im Handel. Aber auch wenn die Nahrungsmittel nicht mehr als solche gekennzeichnet sind: Fruchtzucker steckt in vielen Produkten, etwa Limonaden, Süßigkeiten, aber auch Aufstrichen und Fertiggerichten. Als besonders bedenklich eingestuft werden die süßen Getränke.

Für Dr. Stefan Kabisch, Studienarzt in der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin an der Berliner Charité ist der Fruchtzuckerkonsum aber nicht das alleinige Problem, sondern möglicherweise die insgesamt zu kalorienreiche Ernährung: „Große Teile der Bevölkerung nehmen zu viel Zucker und Kohlenhydrate zu sich. Langverkettete Glukose, also Stärke, wird dabei vier bis sechs Mal mehr gegessen als Fruktose oder reine Glukose.“

Was ist mit dem Fruchtzucker im Obst?

Es sind nicht die Himbeeren oder eine Birne als Nachtisch, die dick machen. „Zu viel Fruchtzucker in seiner natürlichen Form aus Früchten zu essen, ist eher unüblich. Zudem stecken in Obst gesunde Nährstoffe und gute Ballaststoffe. Letztere sorgen dafür, dass der Blutzuckerspiegel nicht so rasant ansteigt“, sagt Kabisch. „Wer allerdings abnehmen möchte, sollte Obst nur in Maßen essen und auf fruchtzuckerarme Sorten, wie Beeren, setzen“, rät Prof. Dr. Stephan Martin Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum (WDGZ). Kabisch stimmt zu: „Obst ist nicht zum Sattessen gedacht, sondern als gesunde Süßigkeit.“

Vorrat für Krisenzeiten?

Der amerikanische Wissenschaftler Prof. Dr. Richard Johnson von der University of Colorado Medicine glaubt, dass Fruchtzucker beim Menschen unter anderem einen genetisch bedingten Überlebensmodus aktiviert. Dies soll dazu führen, dass man sich Speckröllchen anfuttert, um folglich in Krisenzeiten nicht zu verhungern. Ein Umstand, den es in der westlichen Welt aber kaum noch gibt. Im Gegenteil: Essen ist zu jeder Tages- und Nachtzeit verfügbar, auch ungesunde, zuckrige Nahrungsmittel. Wer davon dauerhaft zu viel isst und sich außerdem noch zu wenig bewegt, nimmt zu. Daran besteht für Martin kein Zweifel: „Dass daran allein die Fruktose schuld sein soll, halte ich aber für Quatsch.“ Auch Kabisch sieht Johnsons Aussagen kritisch: „Die bisherigen Erkenntnisse zu Fruchtzucker stammen überwiegend aus Tierversuchen oder Beobachtungsstudien.“ Experimentelle Studien am Menschen verbieten sich aus ethischen Gründen. Es müsste ja Fruchtzucker im Übermaß gegeben werden, um daraus zu schließen, ob sich dies negativ auf den Körper auswirkt.

Fruktose nicht allein schuld

Auch bei der Frage, in wie weit Fruchtzucker für das Entstehen von Typ-2-Diabetes, Krebs oder Alzheimer verantwortlich ist, mahnt Kabisch zur Vorsicht: „Es stimmt, dass Fettleibigkeit das Risiko für diese Erkrankungen erhöht. Aber es ist noch nicht klar, ob der Auslöser ein bestimmter Stoff ist oder eher Adipositas an sich.“ Kabisch vermutet, dass die Gefahr für Krebs unter anderem steigt, weil sich bei Übergewicht das hormonelle Milieu ändert. Speziell die Menge an Östrogenen aus dem Fettgewebe ist erhöht. Oft sei es also nicht nur ein Faktor, der eine Krankheit auslöse, sondern mehrere. Und das gelte auch fürs Übergewicht. Entstehe es doch aus unterschiedlichen Gründen – besonders wenn man mehr Kilokalorien zu sich nimmt, als man durch Bewegen verbraucht. Dazu kann selbstverständlich auch zu viel Fruchtzucker beitragen.

Weniger Fruchtzucker essen – 5 Tipps

Unser Körper braucht keine Fruktose. Deshalb raten beide Experten, wenig davon zu essen. Fünf einfache Tipps für Ihren Alltag:

1. Trinken Sie Wasser und ungesüßten Tee oder Kaffee. Machen Sie einen Bogen um Erfrischungsgetränke, aber auch Fruchtsäfte- und Schorlen, Smoothies sowie Milchmix-Getränke. Darin steckt üblicherweise Fruchtzucker. Auch Light-Produkte sind keine Alternative, da künstliche Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe auch ihre negativen Seiten haben.

2. Verzichten Sie auf hochverarbeitete Lebensmittel und Fertigprodukte. Das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) weist darauf hin, dass diese Produkte neben Zucker auch zu viel Salz und ungünstige Fette enthalten.

3. Reduzieren Sie Süßigkeiten. Naschen Sie eine Handvoll naturbelassene Nüsse statt Gummibärchen oder Schokokuss. Walnüsse und Co. dämpfen den Heißhunger und versorgen Ihren Körper mit gesunden mehrfach ungesättigten Fettsäuren.

4. Fruchtzucker steckt nicht nur in süßen Lebensmitteln, sondern auch in Saucen (z.B. Ketchup) oder Gemüsekonserven, wie Rotkohl. Werfen Sie einen Blick auf die Nährwertangaben. Achten Sie nicht nur auf „Fruchtzucker“ sondern auch auf „Fruktose-Glukose-Sirup“. Wenn Sie schon dabei sind: Wieviel andere Zucker stecken noch in dem Lebensmittel?

5. Tauschen Sie clever. Greifen Sie morgens statt zum gesüßten Fruchtjoghurt oder Fertig-Müsli zu Naturjoghurt mit Beerenfrüchten und Haferflocken. Trockenobst wie Datteln, Aprikosen oder Rosinen sind wahre Fruchtzucker-Bomben. Besser nur in Maßen essen.


Quellen:

  • Stricker S, Rudloff S, Geier A et al.: Fructose consumption—free sugars and their health effects . Deutsches Ärzteblatt: https://www.aerzteblatt.de/... (Abgerufen am 22.03.2023)
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: Diabetiker-Lebensmittel sind vom Tisch, Vollwertige Ernährung größeres Plus als teure Produkte. Online: https://www.dge.de/... (Abgerufen am 22.03.2023)
  • University of Colorado Medicine: Find a provider. Online: https://www.cumedicine.us/... (Abgerufen am 22.03.2023)
  • T. Nakagawa, K. R. Tuttle, R. A. Short et al. : Hypothesis: fructose-induced hyperuricemia as a causal mechanism for the epidemic of the metabolic syndrome. Online: https://www.nature.com/... (Abgerufen am 22.03.2023)
  • Max Rubner Institut: Ernährungsphysiologische Bewertung und Auswirkungen des Isoglukosekonsums auf die menschliche Gesundheit. Online: https://www.bmel.de/... (Abgerufen am 22.03.2023)
  • Bundeszentrum für Ernährung: Die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie der Bundesregierung. Online: https://www.bzfe.de/... (Abgerufen am 22.03.2023)
  • R. J. Johnson, D. R. Tolan, D. Bredesen et al.: Could Alzheimer’s disease be a maladaptation of an evolutionary survival pathway mediated by intracerebral fructose and uric acid metabolism?. In: Online: 01.03.2023, https://doi.org/...