Wundermittel Metformin?
Sie sind weiß, rund oder länglich und sehen völlig unscheinbar aus. In der Regel nimmt man sie zwei- bis dreimal täglich zu den Mahlzeiten ein. Und für die meisten Menschen mit Typ-2-Diabetes sind sie so etwas wie alte Bekannte: Tabletten mit dem Wirkstoff Metformin.
Denn seit Jahrzehnten gilt Metformin als Medikament der Wahl vor allem bei Übergewicht und Typ-2-Diabetes, wenn sich die Blutzuckerwerte allein durch ein Umstellen der Ernährung und mehr Bewegung nicht ausreichend bessern lassen. Dass der Wirkstoff zum "Klassiker" in der Diabetestherapie avancierte, hat gute Gründe: Metformin ist ein sicheres Mittel — gefährliche Nebenwirkungen kommen sehr selten vor —, kostet wenig und senkt den Blutzucker, ohne Unterzuckerungen zu verursachen.
Schutz vor Krebs
Doch offenbar bringt Metformin weitere Pluspunkte für die Gesundheit: Aus großen Studien weiß man schon seit Längerem, dass das Medikament bei Typ-2-Diabetes auch das Risiko für Herz- und Gefäß-Krankheiten wie Herzinfarkt und Schlaganfall verringert. Andere Studien haben gezeigt, dass Typ-2-Diabetiker dank Metformin seltener an bestimmten Krebsarten erkranken, darunter Darm- und Brustkrebs. Und wenn Menschen bereits unter Darmkrebs leiden, erhöht eine Metformin-Therapie die Überlebenschancen. Sogar der Entwicklung einer Demenz soll der Wirkstoff vorbeugen.
Die Pille für gesundes Altern?
Zum Teil lassen sich diese Effekte über die blutzuckersenkende Wirkung des Medikaments erklären. Hohe Zuckerwerte schaden den Gefäßen. Weil Insulin auch ein Wachstumshormon ist, regt ein erhöhter Insulinspiegel im Blut das Zellwachstum im Körper an, womöglich auch das von Tumorzellen. Metformin sorgt dafür, dass mehr Zucker aus dem Blut in die Körperzellen gelangt und die Bauchspeicheldrüse weniger Insulin produzieren muss. Forscher gehen jedoch davon aus, dass Metformin noch weitere positive Wirkmechanismen besitzt.
Herz- und Gefäßprobleme, Krebs oder Demenz treten gehäuft mit dem Älterwerden auf. Wenn Metformin vor all diesen Erkrankungen schützt: Könnte es sein, dass das Mittel ein längeres beschwerdefreies Leben ermöglicht — und zwar nicht nur bei Menschen mit Typ-2-Diabetes? "Tatsächlich hat man festgestellt, dass Metformin etwa bei Fadenwürmern, Taufliegen und Mäusen die Lebensdauer verlängert", sagt Professor Dr. Björn Schumacher, Direktor des Instituts für Genomstabilität in Alterung und Erkrankung an der Universität Köln. Ein Wundermittel also gegen das Altern, vielleicht auch für gesunde Menschen?
Wie Metformin genau wirkt, ist trotz seiner langen Nutzung nicht völlig geklärt. Es scheint aber in bestimmte Vorgänge einzugreifen, die für das Altern eine Rolle spielen.
Weniger Erbgutschäden
Umwelteinflüsse, aber auch ganz normale Stoffwechselprozesse verursachen ständig kleine Schäden an unserem Erbgut, der DNA. "Unsere Zellen besitzen einen sehr effizienten Reparaturmechanismus, der diese Schäden immer wieder beseitigt", sagt Alternsforscher Schumacher. "Dieser Mechanismus funktioniert aber in der Regel nicht so lange, wie es für unsere heutige Lebenserwartung nötig wäre." So werden Gene dauerhaft geschädigt.
Und weil unsere Gene auch für die ständige Neubildung von Körperzellen wichtig sind, werden Erbinformationen bei der Zellerneuerung nicht mehr richtig umgesetzt, Zellen sterben oder können sich nicht mehr teilen, Gewebe regeneriert sich nicht mehr. Wir werden alt — und oft auch krank. Alternsforscher vermuten, dass Metformin auf mehreren Wegen dazu beiträgt, DNA-Schäden und die Zellalterung zu begrenzen.
Studie soll Klarheit schaffen
In den USA ist eine erste Studie mit 3000 Nicht-Diabetikern in Vorbereitung. Sie will herausfinden, ob Metformin altersbedingte Krankheiten bessern oder ihre Entwicklung und damit das Altern selbst verzögern kann. Die Teilnehmer sollen 65 bis 79 Jahre alt sein und Herzleiden, Krebs, Demenz oder ein erhöhtes Risiko hierfür haben. Sechs Jahre soll die Studie dauern, ein positives Ergebnis wäre eine Sensation.
Was auch immer herauskommen wird, sicher ist: Wer sich konsequent an die verordnete Behandlung mit Metformin hält, tut seiner Gesundheit insgesamt etwas Gutes — und nicht "nur" dem Diabetes.