Tiefe Rückenschmerzen: Bewegung hilft
Viele denken zuerst an die Bandscheiben, wenn es im unteren Rücken schmerzt. Aber in nicht einmal zehn Prozent der Fälle sind diese tatsächlich die Ursache. Mehr als 80 Prozent aller Kreuzschmerzen sind unspezifisch, werden also nicht durch Schäden an der Wirbelsäule oder Krankheiten verursacht.
Meistens ist stattdessen das Zusammenspiel von Muskeln, Faszien, Sehnen und Bändern gestört. Wie zum Beispiel beim sogenannten ISG-Syndrom. Die Iliosakralgelenke (ISG) oder Kreuzbein-Darmbein-Gelenke (siehe Grafik) verbinden beidseitig die Wirbelsäule mit dem Becken. Sie sind von Muskeln und Bändern fest umschlossen und deshalb fast unbeweglich.

Das Iliosakralgelenk gehört zur Gruppe der sogenannten straffen Gelenke. Bei Bewegungen überträgt es die Kraft von der Wirbelsäule über das Becken in die Beine und steht unter starker Belastung
© W&B/Martina Ibelherr
"Bei einer Funktionsstörung entstehen dort über Reflexbögen Verspannungen, entzündliche Reaktionen in den Sehnen und Bändern und damit Schmerzen", sagt Dr. Andreas Römer, Chefarzt der Klinik für Physikalische Medizin, Frührehabilitation und Geriatrie am Klinikum Schwabing in München. Die Symptome ähneln tatsächlich sehr jenen eines Bandscheibenvorfalls: heftige einseitige Schmerzen auf Höhe der Lendenwirbelsäule, die teilweise bis ins Gesäß, in die Leiste oder den Oberschenkel ausstrahlen. Die Beschwerden können Betroffene vorübergehend komplett lahmlegen.
Ursachen für Rückenschmerzen: Schlechte Haltung und Stress
Doch was sind die Ursachen? Schlechte Haltung oder Fehlbelastungen zum Beispiel, die auf Dauer zu einem Ungleichgewicht im unteren Rücken führen. Bewegungsmangel oder psychosoziale Faktoren wie Stress, Unzufriedenheit und Überforderung können das noch verstärken. Ein plötzlicher Ruck, etwa wenn man auf der Treppe eine Stufe verpasst, kann dann den Schmerz auslösen.
Beim ISG-Syndrom treten die Beschwerden besonders stark auf, wenn man sich im Bett umdreht, die Schuhe bindet oder eben Treppen steigt. "Häufig verstärkt sich der Schmerz beim Aufrichten aus gebückter Haltung oder nach längerem Sitzen", sagt Christine Hamilton, Physiotherapeutin und Dozentin aus Erlangen.
Medikamente gegen Rückenschmerzen:
Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen sind Mittel der Wahl bei akuten Kreuzschmerzen. Andreas Römer rät, sie fünf bis sieben Tage einzunehmen und zudem Übungen zu machen. Bei Problemen mit Herz, Nieren oder Magen vorher mit Apotheker oder Arzt sprechen. Feuchte Wärme oder kühle Quarkwickel helfen zusätzlich, Muskeln zu entspannen.
Ohnehin klingen akute Kreuzbeschwerden in vielen Fällen nach wenigen Wochen von allein ab, wie Statistiken belegen. Ihre Ursache ist selten exakt feststellbar, sagt Physiotherapeutin Hamilton. Klinische Tests und Röntgenbilder gäben meist eher Hinweise als Gewissheit. Patienten rät sie deshalb, nicht einer Diagnose hinterherzujagen, sondern Antworten zu finden auf die Frage: "Was hilft mir gegen den Schmerz?"
Rückenbeschwerden: Koffergurt und Bewegung schaffen Abhilfe
Im Fall des ISG-Syndroms vielleicht ein simpler Koffergurt. Hamilton: "Binden Sie diesen knapp oberhalb des Schambeins um Ihr Becken. Wiederholen Sie dann eine Bewegung, die wehtut. Lassen die Beschwerden nach?" Wenn ja, könnten Betroffene den Gurt auch bei den hier vorgestellten Übungen anlegen (siehe Bildergalerie).
Bei deren Ausführung könne zudem eine leichte Vorspannung des Beckenbodens helfen. Hamilton: "Ziehen Sie dafür den Harnweg in Richtung Bauchnabel. Ziehen Sie die Bauchwand sanft nach innen, ohne die Gesäßmuskeln zusammenzukneifen oder die Bauchmuskeln anzuspannen. Atmen Sie ruhig weiter."
Langfristig sollten Patienten aber die eigenen, inneren "Gurtmuskeln" stärken, also Hüftbeuger, tiefe Bauch- und Gesäßmuskeln. Die Physiotherapeutin empfiehlt Fitness- und Koordinationstraining. "Am besten klappt es mit Bewegung!"