Chronic Fatigue-Syndrom (ME/CFS): Was ist das?
ME/CFS: Was ist das?
Es ist eine Krankheit, die Menschen plötzlich aus dem Leben reißt. Die ähnlich oder stärker einschränken kann als Multiple Sklerose, Rheuma oder Krebs. Weder die Ursachen sind derzeit bekannt, noch gibt es Möglichkeiten, die Krankheit anhand bestimmter Marker nachzuweisen. Therapien, mit denen sich die Erkrankung gezielt behandeln ließe, stehen aus. Ärzte und Betroffene versuchen, die Beschwerden zu lindern.
Selbst der Name der Krankheit – Chronic Fatigue Snydrom oder Myalgische Enzephalomyelitis, kurz: ME – ist umstritten. Der Begriff CFS reduziert das Leiden auf die chronische Müdigkeit und Erschöpfung, doch es gibt weit mehr Symptome. Betroffene bevorzugen häufig die Bezeichnung ME/CFS. Diese impliziert allerdings, dass es sich um eine Entzündung des Gehirns und Rückenmarks handelt, die durch Muskelschmerzen charakterisiert ist. Auch das greift vermutlich zu kurz. Amerikanische Wissenschaftler hatten im Jahr 2015 vorgeschlagen, die Erkrankung "Systemic Exertion Intolerance Syndrome (SEID)" zu nennen, was so viel bedeutet wie: ein, den ganzen Körper betreffendes Syndrom, das nach Belastung auftritt. Die dabei auftretende, zum Teil extreme Erschöpfung nach körperlicher oder geistiger Anstrengung gilt derzeit als eines der Leitsymptome.
Inzwischen sind immer mehr Forscherteams und Patientenorganisationen weltweit auf Spurensuche. "Viele halten ME/CFS derzeit für eine Multisystemerkrankung, die das Immunsystem, das Nervensystem und den Energiestoffwechsel beeinflusst", sagt Professorin Carmen Scheibenbogen, Leiterin der Immundefekt-Ambulanz an der Charité Berlin. Die Ärztin beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Krankheit.
Wie viele Menschen ME/CFS haben, ist nicht klar. In Deutschland könnte es bis zu 300.000 Betroffene geben, weltweit 15 bis 30 Millionen. In erster Linie sind es Frauen, die typischerweise im Alter von 30 bis 40 Jahren erkranken. Aber auch bei Kindern und Älteren tritt das Syndrom auf. Die Dunkelziffer ist mutmaßlich sehr hoch, weil viele Ärzte sich nicht mit der Krankheit auskennen und geeignete Diagnoseverfahren fehlen. Vielleicht verbergen sich auch verschiedene Leiden hinter dem Begriff ME/CFS.
Ursachen: Was könnte ME/CFS auslösen? Was passiert möglicherweise im Körper?
Wie bei so vielen Krankheiten, gibt es vermutlich auch beim Chronischen Fatigue Syndrom nicht nur eine Ursache. Vielmehr spielen eine Reihe von Faktoren eine Rolle. "Viele Patienten berichten, dass die Krankheit bei ihnen nach einem Infekt angefangen hat", so Scheibenbogen. Bis zu 80 Prozent der Betroffenen bringen ME/CFS mit einer Infektion in Verbindung. Genannt wird häufig das Epstein-Barr-Virus, welches das Pfeiffersche Drüsenfieber hervorrufen kann. Auch andere Herpesviren, Grippe- und Erkältungsviren, Coronaviren, Magen-Darm-Keime, Borrelien und Chlamydien kommen unter anderem als Übeltäter in Betracht.
Ob solche Krankheitserreger wirklich das Syndrom auslösen, ist nicht klar. Ebenso, was sie im Körper verändern könnten. Manche Forscher mutmaßen, die Keime lösen eine chronisch aktive Infektion aus oder werden immer wieder reaktiviert. Bei Herpesviren, zu denen auch EBV gehört, ist bekannt, dass sie im Organismus verbleiben und von Zeit zu Zeit wieder aktiv werden können. Bekanntestes Beispiel ist vermutlich Lippenherpes. "Eine aktive Infektion lässt sich aber nur bei wenigen Betroffenen nachweisen", meint die Expertin.
Ist Long-Covid dasselbe wie ME/CFS?
Das lässt sich derzeit noch nicht sagen, da es mehr Forschungbedarf. Es gibt aber erste Hinweise, dass Long Covid oder das Post-Covid-Syndrom in manchen Fällen zu ME/CFS führen kann oder sogar ME/CFS dahinter steckt. Beide Krankheiten lösen laut einer Analyse zahlreiche Symptome aus, die sich bis auf wenige Ausnahmen weitgehend überlappen. Eine weitere Übersichtsarbeit kommt zu dem Schluss, dass der Krankheitsmechanismus bei beiden Syndromen vermutlich sehr ähnlich ist, weshalb es sich um dieselbe Krankheit handeln könnte. Eine kleine Studie der Charité Berlin untersuchte 42 Long Covid-Patienten und Patientinnen. 19 von ihnen erfüllten die diagnostischen Kriterien von ME/CFS.
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Andere Wissenschaftler vermuten, die Viren oder Bakterien könnten das Zusammenspiel zwischen Nerven, Hormonen, Immunsystem, Herz-Kreislauf-System und Energiestoffwechsel stören. So geben einige Studien Hinweise darauf, dass zumindest bei einem Teil der Menschen mit ME/CFS im Zentralnervensystem entzündliche Vorgänge ablaufen. Auch Veränderungen im körpereigenen Abwehrsystem und den Mitochondrien, den Energiekraftwerken jeder Zelle, lassen sich finden. Vielleicht ist ME/CFS eine neurologische Autoimmunerkrankung.
Neben Infektionen gelten weitere Einflüsse als Risikofaktoren. Da es Fälle gibt, in denen die Kinder von Betroffenen ebenfalls erkranken, liegt eine genetische Veranlagung nahe. Auch Operationen, Traumata wie ein Unfall, Chemikalien, chronischer Stress und anhaltende körperliche Überlastung können das Ausbrechen der Krankheit triggern.