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Sonya Kraus, 50, moderierte zahlreiche Sendungen und TV-Shows. Immer wieder ist die Mutter zweier Kinder auch als Schauspielerin im Fernsehen zu sehen. Vor drei Jahren erhielt sie die Diagnose Brustkrebs und ging sehr offen damit um. Im Interview spricht Sonya Kraus über den Moment, als sie die Diagnose erfuhr, wie sie die Chemotherapie erlebte und heute auf diese Erfahrungen blickt.

Frau Kraus, wann immer man Sie im Fernsehen oder auf Instagram sieht, wirken Sie fröhlich und wahnsinnig gut gelaunt. Sind Sie wirklich so?

Sonya Kraus: Ich habe tatsächlich ein sonniges Gemüt. Und ich glaube, das ist auch die Eigenschaft, die ich am meisten an mir mag. Ich finde das cool, dass ich so ein kleines happy Mädchen bin. Obwohl einem ja gerne unterstellt wird, dass man nur so tief wie eine Pfütze ist, wenn man auffällig gut gelaunt ist.

Das hat Ihnen ernsthaft schon mal jemand gesagt?

Kraus: Ja! Dabei hat das eine ja überhaupt nichts mit dem anderen zu tun. Meine gute Laune resultiert sogar aus einer Zeit tiefster Nachdenklichkeit.

Wie meinen Sie das?

Kraus: Ich war sechs Jahre alt, als mein Bruder am plötzlichen Kindstod starb und tot in seinem Bettchen lag. Als ich elf war, hat mein Vater sich das Leben genommen. Danach habe ich intensiv darüber nachgedacht, wie ich mein Leben meistern möchte, und mich entschlossen: Ich will das Leben umarmen und eher die rosarote Brille aufhaben.

Und das gelingt Ihnen immer noch?

Kraus: Klar fällt das oft schwer. Aber für den Kleingebrauch kann ich das nur empfehlen: freundlich sein etwa. Das Zusammenleben mit Menschen ist ein Pingpongspiel.

Ihr Lebensmotto ist: „Wenn das Leben dir eine Zitrone gibt, frag nach Salz und Tequila.“

Kraus: Stimmt! Dabei trinke ich gar keinen Tequila. Aber Limo wäre doch zu langweilig gewesen! Ich habe den Spruch vor hundert Jahren mal auf einer Klotür gelesen und fand den richtig gut. Mittlerweile sind aber noch andere Lebensmotti dazugekommen.

Zum Beispiel?

Kraus: Mein lieber Kollege Thomas Hermanns hat mir mal den großartigen Rat gegeben: Egal, was du tust, genieße es! Das sage ich ganz oft am Tag zu mir selbst. Wenn ich um vier Uhr aufstehen muss etwa, denke ich mir: Es ist so ruhig, alle schlafen noch, wie schön! Schnaufe durch und genieße es einfach!

Das klingt in der Tat nach einer durch und durch positiven Grundeinstellung!

Kraus: Ja! Mein zweiter Vorname ist Resilienz. Das hat mir natürlich gerade in den letzten beiden Jahren sehr geholfen.

Sie sprechen sicher von Ihrer Brustkrebs-Diagnose 2021. Wenn man so eine Nachricht bekommt: Kann man da überhaupt positiv sein?

Kraus: Da stehe ich allen anderen betroffenen Frauen in nichts nach. Da bleibt die Welt stehen. Alles passiert in Super-Zeitlupe. Man vergisst auch die Situation nicht: Ich war im Garten meiner Freundin, als mir die Ärztin am Telefon mitteilte, dass ich ein bösartiges Mammakarzinom habe. Mir ist alles aus dem Gesicht gefallen. Und meine Freundin ist in Tränen ausgebrochen.

Und Sie selbst sind nicht verzweifelt?

Kraus: Das Gute war, dass ich erst mal meine Freundin beruhigen musste. Dann bin ich in Aktionismus verfallen. Ich habe gedacht: Was jetzt? Ich brauche einen Schlachtplan!

Das klingt total abgeklärt.

Kraus: Zum Glück hatte ich ein fundiertes Wissen über Brustkrebs. Und dafür bin ich unendlich dankbar. Es gab damals schon in meinem direkten Umfeld sechs Frauen, die betroffen waren. Diese Ladys haben mir das Leben gerettet. Sie waren es, die mich immer wieder gepusht hatten, zur Vorsorge zu gehen. Der Tumor wäre nicht tastbar gewesen, er war nur im Ultraschall zu sehen.

Dann wussten Sie auch, was in Sachen Behandlung auf Sie zukommt?

Kraus: Ich konnte ahnen, was der Weg sein würde: Chemo, Haarverlust, Perücke, Operation. Dank meiner Freundinnen hatte ich schon Silikonbrüste begutachtet, bewundert und angefasst. Dadurch war ich gewappneter. Und ich wusste, von den sechs Frauen leben noch fünf. Das hat mir gezeigt: Das ist machbar, das schaffen wir!

Man hätte auch brusterhaltend operieren können, aber ich habe gesagt, die haben zwei Kinder großgebracht, ich brauche sie nicht mehr

Ihnen wurden beide Brüste amputiert.

Kraus: Man hätte auch brusterhaltend operieren können, aber ich habe gesagt, die haben zwei Kinder großgebracht, ich brauche sie nicht mehr. Und warum soll ich nostalgisch an etwas hängen, das noch mal eine Gefahr für mich werden könnte? Mir ging es gleich nach der OP psychisch besser: Die Dinger waren ab und Karl Arsch, wie ich immer so „liebevoll“ zu dem Miesepeter sage, war raus. Ich hatte das Glück, dass ich keine Metastasen oder befallenen Lymphknoten hatte.

Hatten Sie große Angst vor der Chemo?

Kraus: Ja! In meinem Kopf gab es dieses Gespinst: Du wirst währenddessen nicht mehr du selbst sein, du wirst ein halbes Jahr wie ein Zombie durch die Gegend laufen. Aber als klar war, dass ich an der Chemo nicht vorbeikomme, konnte ich mich fallen lassen.

Was hat zu diesem Umdenken geführt?

Kraus: Meine Onkologin hat mal gesagt: Sie haben sich von der Unversehrtheit Ihres Körpers verabschiedet und realisiert, dass es ums Eingemachte geht. Und so war es. Ich habe mir irgendwann gedacht: Meine Haare fallen aus? Na und? Ich kann nicht auf die Toilette? Was soll’s? Der Campari, der mir gerade durch die Vene gepumpt wird, hilft mir!

Wie ging es Ihnen während der Therapie?

Kraus: Es war oft völlige Erschöpfung. Ein Dauerkater – nur ohne Tequila. Einmal bin ich in München vom Aufzug zum Hotelzimmer auf allen vieren gekrochen, weil ich so fertig war. Trotzdem war es für mich die richtige Entscheidung, nicht zu Hause zu sitzen und meine Wunden zu lecken.

Sie haben weiter gearbeitet?

Kraus: Ich habe in der Zeit sogar eine Serie gedreht. Mein Team wusste Bescheid, dass Aufsage-Roboter Krausi vielleicht mal nicht so gut funktioniert. Aber es hat geklappt. Und das war so ein gutes Gefühl! Zu wissen: Hey, ich mache hier gerade eine Chemo, aber mit drei Kilo Make-up im Gesicht und einem tollen Fiffi auf dem Kopf kann ich immer noch die heiße Schuldirektorin mimen.

War der Haarverlust schlimm für Sie?

Kraus: Zwei Minuten lang. Ich hatte aber auch den Vorteil, dass ich durch meinen Job Perücken kannte und sie schon immer faszinierend fand. Trotzdem habe ich während der Chemo eine Kühlhaube ausprobiert, die verhindern sollte, dass die Haare ausfallen. Allerdings saß das Ding einmal nicht so optimal.

Und dann?

Kraus: (lacht) Hatte ich eine Tonsur! Trotzdem war es die Sache wert, weil ich zu Hause immerhin noch ein kleines, dünnes Düttchen machen konnte. Meine Kinder hatten nie die ganz kahle Mama. Das war wichtig für sie.

Sie haben Ihren Perücken Namen gegeben.

Kraus: Ja! Das sind doch meine Girls! Ich hatte so viel Spaß mit ihnen! Ich bin fast traurig, dass die Haare jetzt schon so voll zurück sind. Was war das toll, als ich aus meinem Köfferchen meine Perücke genommen habe, und zwei Minuten später hatte ich – Viva la Diva – Haare bis zum Popo! Von pfui auf hui in kürzester Zeit!

„Mein Weg war steinig, aber ich musste nicht durch Felsspalten klettern. Das wollte ich kommunizieren.“

Auf Instagram sind Sie mit Ihrer Krankheit sehr offen umgegangen. Wollten Sie anderen mit Ihrer positiven Art Mut machen?

Kraus: Klar. Wobei ich weiß, dass ich auch vielen auf die Nerven gegangen bin. Die gesagt haben: „Die Kraus, die blöde Kuh, die fliegt durch die Chemo und sagt immer, wie unkompliziert alles ist. Ist es aber nicht.“ Ich habe tatsächlich versucht, meinen Fokus nicht auf die Zipperlein zu legen. Mein Weg war steinig, aber ich musste nicht durch Felsspalten klettern. Das wollte ich kommunizieren.

Ist Karl Arsch eigentlich nun besiegt?

Kraus: Vollkommen. Der schmort jetzt in einem fiesen Laboratorium und wird gequält – ich habe ihn nämlich der Forschung überlassen. Im Ernst: Ich will keine Sekunde an den Gedanken verschwenden, dass der Krebs wiederkommen könnte. Und sollte er es doch tun – dann lege ich mich eben mit dem nächsten Karl Arsch an. Ich sage ihm aber jetzt schon: Herzliches Beileid!