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Herr Professor Lesch, können Sie sich guten Gewissens noch mit den Sternen beschäftigen, wenn Sie sehen, wie es um unseren Planeten bestellt ist?

Ich beschäftige mich eigentlich mit nichts anderem mehr als mit der Klimakrise und der Energiewende. Ich gebe Fortbildungen, halte öffentliche Vorträge. Ich möchte die Menschen dazu motivieren, in ihrer Gemeinde etwas anzustoßen. Aber in der ­Astronomie bin ich natürlich noch tätig, das ist wichtige Grundlagenforschung.

Haben Sie beim Blick in die Sterne einen Planeten gefunden, auf den wir auswandern könnten?

Nein. Das hier ist der schönste Planet in der Milchstraße. Wir haben gleich mit dem aller­besten angefangen. Der nächste wäre ungefähr 75 000 Lichtjahre entfernt und wir wissen noch nicht mal, ob es da ordentlich für uns ist. Wir brauchen sehr spezielle Bedingungen zum Leben. Und was wollen wir zum Beispiel auf dem Mars? Da gibt es keine Atmosphäre, das Leben dort wäre ­eine unheimlich harte Nummer.

Sie sprechen von der „Klimakrise“, nicht vom „Klimawandel“. Warum ist „Krise“ der bessere, treffendere Begriff?

Eigentlich müsste es sogar Klimakatastrophe heißen. „Krise“ klingt nach „das ist bald wieder vorbei“, auch Klimawandel ist noch viel zu positiv. In Wirklichkeit ist es eine Klimakatastrophe, das sehen wir ja an allen Ecken und Enden. Bei „Krise“ denkt man, das kann man lösen. Aber auch „Katastrophe“ finde ich schwierig, auch die ist irgendwann wieder vorbei. Naturkatastrophen sind meist kurze Ereignisse.

Und auch ein Katastrophenfilm geht am Ende gut aus.

Aber hier haben wir die Mutter aller Kata­strophen! Wir werden uns über viele Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, mit einer Klimaanpassung auseinandersetzen müssen. Wir werden auf einer Erde zusammenleben, die deutlich wärmer ist als heute, mit katastrophalen Auswirkungen.

Gab es einen Auslöser für Sie, einen Aha-Moment, der Sie zu diesem Thema gebracht hat?

1994 hielt ich meine Antrittsvorlesung als Professor in Bonn zum Thema: Sind wir ­alleine im Universum? Ein irres Thema! Dafür musste ich mich damit beschäftigen, welche Bedingungen es für Leben auf ­einem Planeten eigentlich braucht. So kam ich erstmals mit Klimaforschung in Berührung und habe zum Beispiel gelernt, dass unser Planet ohne den Treibhauseffekt vereisen würde. Und ich habe mich mit der Frage beschäftigt: Was können wir tun? Dann ist man automatisch drin.

Haben Sie damals gleich Konsequenzen gezogen? Etwas in Ihrem eigenen Leben verändert?

Ich bin seit langer Zeit Mitglied in einer Energiegenossenschaft, da ich selbst keine Immobilie besitze. Daher stecke ich mein Geld in solche Produkte. Der wesentlichste Beitrag, den ich leisten kann, ist meine Fähigkeit, Leuten etwas erklären zu können. So wie gestern: Da war ich in einer oberbayerischen Gemeinde. In der ganzen Gegend stehen keine Windräder. Die wehren sich dagegen. Das geht mir ziemlich auf die Nerven! Ich habe getobt auf der Bühne, warum sie nicht wenigstens Fotovoltaikanlagen auf ihren Dächern installieren.

Wie hat das Publikum reagiert?

Die waren ziemlich berührt. Aber wenn ich auf der Bühne stehe, kenne ich keine Gnade. Das ist mein persönlicher Beitrag. Da geht es weniger um meinen persönlichen Lebenswandel, der eher gemütlich ist. Ich fahre immer noch einen kleinen Verbrenner mit 65 PS. Sobald der kaputt ist, wird ein E-Auto angeschafft. Meine Meinung zur E-Mobilität habe ich im Lauf der Jahre auch geändert. Mir ist inzwischen völlig klar: Es gibt keine andere Möglichkeit.

Diese ganzen Verzichtsdiskussionen gehen in die völlig falsche Richtung.

Verstanden haben viele die Klimakrise schon. Wenn es darum geht, selbst ­etwas zu machen, wird es anstrengend, bedeutet womöglich Verzicht.

Diese ganzen Verzichtsdiskussionen gehen in die völlig falsche Richtung. Die persön­liche Initiative ist dann nicht so stark, man hat ja auch noch andere Dinge zu tun. Es wäre sehr viel besser, der Staat würde von vornherein die Bedingungen so schaffen, dass ökologisch sinnvolles Verhalten immer belohnt wird. Natürlich gibt es auch die ewig Gestrigen, die auf keinen Fall Veränderung haben wollen, aber über die muss man einfach hinwegsehen.

Und es gibt die, die hoffen, es wird schon nicht ganz so schlimm werden.

Da sage ich: In den Städten hat man relativ wenig Ahnung davon, was sich auf den Feldern und in den Wäldern abspielt, da ist das Waldsterben der 1970er- und 1980er-Jahre nichts dagegen. Jede Landwirtin, jeder Landwirt kann Ihnen vom Wassermangel erzählen, davon, dass es zu wenig Grundwasser gibt. Die wissen: Die Klimakrise ist längst da.

Ist es Ihnen deshalb so wichtig, dass sich die Menschen vor Ort, in den Gemeinden, zusammentun, um die Energiewende voranzubringen?

Ja! Die Energiewende muss in Bürgerhände. In Zukunft wird den Landkreisen die Rolle der Energiequellen zukommen. Daher sage ich: Wir brauchen einen Finanzausgleich in die Landkreise, einen Respekt-Ausgleich! Wir in den Städten müssen sagen: Dass ihr das aushaltet! In irgendeiner Form müssen wir die Leute dafür belohnen. Das ist eine Diskussion, die meiner Meinung nach viel zu schwach ausfällt. Wenn die Landkreise erst mal richtig in Bewegung kommen, dann ist die Energiewende da.

Was hat die Fridays-for-Future-­Generation schon verstanden, was die Älteren nicht kapieren?

Erst einmal haben sie einen unglaublich wichtigen, moralisch sauberen Punkt gemacht. Jede Generation von Kindern hätte das sagen können: Was macht ihr mit unserer Zukunft! Weil die Bewegung moralisch so klar ist, kann ihnen niemand widersprechen. Und es ist ihnen gelungen, über die Neuen Medien eine Aufmerksamkeit zu schaffen, die früher unmöglich gewesen wäre. Da sind die digitalen Plattformen eine großartige Sache.

Manche Forschenden werden von Leugnerinnen und Leugnern der Klimakrise extrem angegriffen. Sie auch?

Keine Ahnung. Wenn, dann kriege ich davon nichts mit. Spätestens seit meine Enkelin auf der Welt ist, habe ich keine Lust mehr, meine Zeit damit zu vertun. Wenn sie mich anlächelt, weiß ich, wo’s langgeht.

Was kann ich, was können die Leserinnen und Leser sofort umsetzen?

Energie sparen! Das Fahrrad oder öffent­liche Verkehrsmittel nutzen. Nur fliegen, wenn es unbedingt sein muss. Weniger Fleisch, weniger Milchprodukte, denn die Milchproduktion ist sehr aufwendig. Aber das Allerwichtigste ist: Nicht hysterisch werden! Stur dranbleiben. Und auf keinen Fall einfach so weitermachen wie bisher.

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