„Die Klimakrise war wie eine Krebsdiagnose“
Psychotherapeutin Lea Dohm hat über die Psychologie der Klimakrise ein Buch geschrieben. Im Interview verrät sie, wie wir mehr Problembewusstsein schaffen können
Frau Dohm, wie hat es sich angefühlt, als Ihnen die Bedeutung der Klimakrise bewusst wurde?
Seit meiner Krebsdiagnose 2014 kenne ich das Gefühl, wenn das Leben von einem Moment auf den anderen kopfsteht. Genauso ging es mir 2019, als die Klimaproteste größer wurden. Ich fing an, viel zur Erderhitzung zu lesen - und war schockiert, wie schlimm es um die Erde steht.
Wie hat das Ihr Leben verändert?
Beide Male hatte ich das Bedürfnis, alles zu tun, um wieder gesund zu werden beziehungsweise um die Gesundheit vieler Menschen zu schützen. Ich habe schnell gemerkt, dass niemand gegen die Diagnose Klimakrise allein etwas unternehmen kann. Deswegen habe ich die „Psychologists for Future“ gegründet. Auch mit meinem Umfeld habe ich viel über das Thema gesprochen. Zu einigen ist der Kontakt intensiver, zu anderen distanzierter geworden.
Alle erleben die Erderhitzung – jedoch nicht alle als Problem.
Vielleicht ist es ähnlich wie bei Blut- hochdruck: Manche Menschen haben ihn, merken aber keinerlei Auswirkung. Mit schlimmen Symptomen rechnet man wenn, in der fernen Zukunft. Oft braucht es erst eine schmerzhafte Erfahrung, um das eigene Verhalten zu ändern, wie etwa die Flutkatastrophe in Deutschland.
Was hilft uns, zu begreifen, dass die Erderhitzung alle betrifft – ohne selbst eine Naturkatastrophe erlebt zu haben?
Wir brauchen einen persšnlichen Bezug. Wie wirkt sich die Klimakrise auf unseren Lebensalltag aus? Wer nicht emotional berührt ist, kann zumindest darüber nachdenken, was die Folgen für den Versicherungsschutz bedeuten.
Wie entsteht ein solches Problembewusstsein?
Seit Beginn der Corona-Pandemie gibt es eine ständige Berichterstattung und klare politische Maßnahmen mit Auswirkung auf unser tägliches Leben, etwa die Maskenpflicht. Corona war auch in jedem Gespräch Thema. Das haben wir beim Klima noch nicht erreicht.
Es würde also schon helfen, viel übers Klima zu sprechen?
Genau, und zwar am besten behutsam, ohne sich aufzudrängen und ohne so zu tun, als hätten wir schon alle Lösungen parat. Wir sollten gemeinsam Überlegen, wie klimaneutrales Verhalten für alle leichter werden kann.
Wie führt man so ein Gespräch?
Wir sollten verständnisvoll sein, viel zuhören, nicht belehren, wenn jemand mit uns über das Klima sprechen will. Ein gutes Gespräch ergibt sich dann oft von selbst.
Wie spricht man mit jenen, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben?
Auch hier lohnt es, persönliche Bezüge herzustellen. Wenn sich zum Beispiel mein Schwager für Autos interessiert, kann ich über Mobilität mit ihm ins Gespräch kommen, um eine gemeinsame Basis zu schaffen.
Es gibt auch Menschen, denen die Erderhitzung stark zusetzt. Was hilft im Umgang mit Klimaangst?
Klimaangst ist oft ein Gefühl der Ohnmacht - zunächst eine normale Reaktion auf eine tatsächliche Bedrohung. Wir können uns daraus befreien, indem wir handeln. Am besten tun wir uns mit anderen zusammen. Gemeinsam aktiv zu werden ist besonders wirksam. Und es ist wohltuend mit Blick auf die eigenen Gefühle.