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Herr von Hirschhausen, Sie haben Klimaschutz zu Ihrem Herzensprojekt gemacht. Wann haben Sie diese Entscheidung getroffen?

Als ich die berühmte Schimpansen-Forscherin Jane Goodall interviewen durfte. Sie drehte die Rollen um, schaute mich länger an und fragte: „Wie kann es sein, dass die schlaueste Kreatur, die jemals auf diesem Planeten gewandelt ist, ihr eigenes Zuhause zerstört?“ Ich musste dreimal schlucken, wusste keine gute Antwort. Das war der Startschuss für meine Reise.

Was tun Sie seither persönlich für den Klimaschutz?

Ich ernähre mich nach der „Planetary Health Diet“: wenig Fleisch, wenig Zucker, aber ganz viel Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und andere leckere pflanzliche Sachen. Seit Jahren nutze ich Strom aus hundert Prozent erneuerbarer Energie, reise in Deutschland nur noch mit der Bahn. Und ich habe die Stiftung „Gesunde Erde - Gesunde Menschen“ gegründet.

Klimaschutz als Gesundheitsschutz. Warum wird dieser Zusammenhang erst jetzt so stark betont?

Die unmittelbare Gesundheitsrelevanz hat in der öffentlichen Diskussion bisher in der Tat gefehlt. Dabei ist die Klimakrise eben kein theoretisches physikalisches Problem von Eisbären. Deutschland ist zum Beispiel ein Land mit massiven Todesfällen durch Hitze. Darüber wird kaum gesprochen, weil die Leute nicht dramatisch - wie bei der Flutkatastrophe - versterben, sondern über einen längeren Zeitraum zu Hause oder in Pflegeeinrichtungen. Eine stille Katastrophe. Hitze ist nicht nur unangenehm, Hitze tötet.

Doch das sind Veränderungen des Lebensstils. Und die fallen
bekanntlich besonders schwer …

Wir sind Gewohnheitstiere, verändern uns weniger durch Einsicht denn durch neue Routinen und gesellschaftliche Veränderungen. Seit man in Kneipen nicht mehr rauchen darf, wird viel weniger geraucht. Seit es Sicherheitsgurte gibt, sterben weniger Menschen im Straßenverkehr.

Verbote und Vorschriften – das klingt ziemlich spaßbefreit. Vor allem für einen Kabarettisten.

Wir dürfen nicht das Gefühl des Verzichts in den Vordergrund stellen. Es geht um Chancen. Viele Klimaschutz-Maßnahmen tragen zu einem lebenswerten und gesunden Alltag für uns alle bei. Zum Beispiel eine Verkehrswende, die sich an den Bedürfnissen von Menschen und nicht an Autos orientiert, oder nachhaltigere Landwirtschaft und Ernährung.

Wie bleiben Sie optimistisch – angesichts der riesigen Aufgabe Klimaschutz, die immer noch nicht alle ernst nehmen?

Zwei Punkte geben mir Anlass zur Hoffnung. Erstens: Wir können noch etwas ändern, und es lohnt sich, um jede Tonne vermiedener Emissionen und um jedes Zehntel Grad weniger Erderwärmung zu kämpfen.

Und zweitens?

Erleben wir gerade historische Zeiten. Das Bundesverfassungsgericht hat ein sensationelles Urteil gefällt, mit dem klar ist: Alle Parteien müssen handeln, um die Freiheit der nächsten Generationen nicht zu gefährden. Das Klimathema hat die Wahl bestimmt und ist zentral für die nächste Regierung.

Wahlanalysen zeigen aber auch: Klimaschutz spaltet Generationen.

Es gibt engagierte Menschen in jeder Generation. Ich halte nicht viel davon, Gegensätze zu betonen statt Gemeinsamkeiten. So wie „Fridays for Future“ nicht für alle Jugendlichen steht, haben nicht alle „Boomer“ - zu denen ich gehöre - alles falsch gemacht.

Wie ist Ihr Eindruck: Haben die Pandemie und die Flutkatastrophen bei vielen Menschen etwas geändert an der Einstellung zum Klimaschutz?

Ja. Ich denke, es wird zunehmend verstanden, dass die Krisen unserer Zeit sehr viel enger miteinander zusammenhängen. Ohne die Zerstörung von Lebensräumen, das Artensterben und den Wildtierhandel hätten wir kein Corona. Und eine Lunge wiederum, die Dreck einatmen muss, ist sehr viel anfälliger für Infektionen. In unserem Körper kommt alles zusammen und verstärkt sich.

Es gibt aber weiterhin Stimmen, die sagen: Erderwärmung? Alles Quatsch! Wie gehen Sie mit solchen Meinungen um?

Es ist wahnsinnig anstrengend, mit Klimaleugnern zu diskutieren. Meine Facebook-Posts werden manchmal unterirdisch hasserfüllt kommentiert. Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten. Es ist dringend nötig, immer wieder zu betonen: Der Klimawandel ist real und menschengemacht und deshalb müssen wir etwas dagegen tun.

Wie lassen sich Klimaleugner doch überzeugen?

Mit einfachen Fragen: Was ist dir wichtig? Was wünschst du deinen Kindern und Enkeln? In mein Buch habe ich extra „Merkzettel“ mit den besten Argumenten und Fragen eingebaut. Damit wir diese Gespräche wirklich mit allen führen - in den Familien, in den Kirchen, in den Arztpraxen.

Beim Arzt?

Ja, mit den „Klimadocs“ machen wir genau das: darauf hinweisen, wenn es Zusammenhänge zwischen den Beschwerden und der Umwelt gibt. Heißt: Bei Asthma nicht nur ein Spray verordnen, sondern erklären, was die Erkrankung mit Luftverschmutzung, Autos, Kohlestrom zu tun hat. Die Grundlage von Gesundheit sind so essenzielle Dinge wie saubere Luft, genug Wasser oder erträgliche Temperaturen.

Welche konkreten Auswirkungen auf die Gesundheit spüren wir schon heute?

Da gibt es viele Beispiele. Neue Infektionskrankheiten wie das West-Nil-Virus sind in Deutschland heimisch. Ebenso die Überträger anderer Tropenkrankheiten wie die Asiatische Tigermücke. Allergien nehmen stark zu. Zecken übertragen bereits im Januar FSME.

Welche weiteren Folgen fürchten Sie am meisten?

Kriege. Meine Eltern sind geflüchtet im Zweiten Weltkrieg. Ich weiß, was das bedeutet, und bin froh, dass meine Generation in Deutschland nie so etwas erleben musste. Aber wenn es lebensbedrohliche Dürren und Hitzewellen gibt, werden Millionen Menschen eine neue Heimat brauchen. Das wird unsere Sicherheit gefährden, unseren Wohlstand, unsere Demokratie.

Das klingt mehr als ernst. Vergeht Ihnen da nicht das Lachen?

Mir hilft gegen das Gefühl der Ohnmacht, auf jede erdenkliche Art aktiv zu werden. Und eine Prise Humor. Wie auf den „Fridays for Future“-Plakaten: „Klima ist wie Bier: Warm ist scheiße!“