Nach Krankheit wieder zu Kräften kommen
Nicht mehr krank, aber noch nicht fit – so lässt sich dieser Schwebezustand nach einer Grippe, nach fiebrigen Lungenentzündungen oder langwierigen Blaseninfekten zusammenfassen. Während der mehrtägigen Bettruhe bauen sich Muskeln rasch ab, der Appetit bleibt meist auf der Strecke, ein seelisches Tief raubt manchem zudem die Motivation, sich aufzurappeln. Auf dem Weg der Besserung sollten ältere Patienten deshalb ein paar Dinge beachten, um Körper und Seele zu unterstützen.
Mit zunehmendem Alter braucht der Mensch länger, um wieder zu Kräften zu kommen. Das wichtigste Gebot lautet deshalb: Geben Sie sich Zeit. "Viele ältere Patienten denken, nach ein paar Tagen müssten sie wieder fit sein", berichtet Hausarzt Dr. Hans Michael Mühlenfeld aus Bremen und warnt vor falschen Erwartungen. "Alle Organsysteme im Körper haben nun mal ihre Zeit auf dem Buckel. Die Erholung dauert länger – ohne Wenn und Aber!"
Zur Regeneration dem Körper Zeit geben
Ob in Bronchien, Blase oder Darm: Überall im Körper finden nach einer überstandenen Krankheit Reparatur- und Regenerationsvorgänge statt. Aufräumarbeiten wie nach einem Sturm, die Energie kosten. Umso mehr, als der ältere Körper weniger Anpassungsreserven hat. Einschränkungen werden schneller sicht- und spürbar. Der Fuß schafft kaum die Stufe, der Kreislauf schwächelt.
"Um eine Infektion wirklich zu überwinden, können schon mal sechs bis acht Wochen vergehen, mit oder ohne Antibiotika", betont Professor Karl Gaßmann vom Waldkrankenhaus Erlangen. Der Chef des Geriatriezentrums mahnt Ältere deshalb zu mehr Geduld. "Sie fühlen sich sehr schwach? Ihnen ist beim Aufstehen schwindlig? Das ist erst mal ganz normal", tröstet der Geriater und bittet Senioren um gesundes Augenmaß: "Überfordern Sie sich nicht!"
Raus aus dem Bett!
Doch deshalb nur im Bett liegen zu bleiben, wäre grundverkehrt. In den Laken verlieren Kranke schnell Muskulatur. "Strikte Bettruhe ist mit Schwerelosigkeit zu vergleichen", warnt Professor Cornel Sieber, Direktor des Institut für Biomedizin des Altern an der FAU Erlangen-Nürnberg. Untersuchungen zeigen, dass über 75-Jährige in zehn Tagen bis zu 1,5 Kilogramm Muskelmasse abbauen. "Ein extremer Verlust", gibt Sieber zu bedenken, "und oft der Grund, warum eine langwierige Grippe oder Entzündung in dauerhafter Gebrechlichkeit endet."
Bewegung beugt Muskelabbau vor
Also sobald es geht, raus aus dem Bett! Auch wenn es noch so schwerfällt. "Und wenn Sie anfangs nur dreimal täglich zum Esstisch gehen: Das ist besser als gar nichts", versichert Cornel Sieber. Langes Liegen schwächt auch die Atemmuskulatur. Je flacher jedoch der Atem, desto weniger gut füllen sich die Lungen mit sauerstoffreicher Luft. Kommen Sie deshalb so früh wie möglich wieder in die Gänge. "Nicht mit kräftezehrendem Sport, sondern mit sanfter Bewegung", rät Experte Sieber.
Mehr Aussicht auf Erfolg hat der Muskelaufbau, wenn der Genesende zudem das Richtige isst. Fachleute raten, sich über den Tag verteilt ausgewogen zu ernähren, weil sich der Appetit – auch antibiotikabedingt – oft verabschiedet. Vor allem auf eiweißreiche Lebensmittel wie Eier oder Fleisch kommt es jetzt an.
Während der Genesungszeit wird Ihr Hausarzt Sie ohnehin im Auge behalten. "Große Untersuchungen oder Laborkontrollen sind aber meist nicht notwendig", beruhigt Geriater Gaßmann, "außer wenn Sie sich nach sechs Wochen noch immer matt und wenig belastbar fühlen." Er rät allerdings dazu, aufs Körpergewicht zu achten.
Aktiv gegen das emotionale Loch
Lange körperlich erschöpft zu sein bedeutet für viele Senioren aber auch, in einem seelischen Tief zu versinken. "Manche Ältere haben glücklicherweise eine Grundzuversicht, die ihnen hilft, eine solche Krise zu überstehen", so die Erfahrung von Ruth Wagner, Psychologin im Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg. "Andere dagegen fallen in ein tiefes Loch." Kummer, Sorgen, aber auch die Angst, nicht mehr gesund zu werden, halten sie in der Krankheit fest. Die Motivation, wieder aufzustehen, zu essen, am Leben wieder teilzuhaben, geht ihnen verloren. "Schon wenige Schritte können einem aus dem Tief helfen", versichert Wagner (siehe Tipps unten).
Sich geistig zu fordern und soziale Kontakte zu suchen, das alles kann einen wieder aufrichten. "Nehmen Sie sich für den nächsten Tag zum Beispiel vor, zum Bäcker zu gehen", schlägt die Psychologin vor. "Der Spaziergang, die Einkaufsliste im Kopf, das Gespräch im Laden – das ist ein guter Anfang!"