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Dieser eine Satz des Patienten ließ Birgit Terjung aufhorchen: „Ich komme eben aus einer Durchfall-Familie.“ Mit ein paar Tests ging die Chefärztin für Innere Medizin und Gastroenterologie der GFO Kliniken Bonn der Sache auf den Grund. Wie sie vermutete, verarbeitete sein Körper Milch- und Fruchtzucker nur sehr schlecht und reagierte als Folge mit dünnflüssigem Stuhl. Deshalb hortete der Patient auch Anti-Durchfall-Mittel in seiner Jacketttasche.

„Viele denken, solche Unverträglichkeiten treffen nur Jüngere“, berichtet Terjung, „aber das stimmt nicht!“ Auch im Alter schwächeln oft die Enzyme, die Milch- und Fruchtzucker in Lebensmitteln aufspalten und verträglich machen. Magen und Darm können mit den Jahren zunehmend empfindlicher werden. Neben neuen Unverträglichkeiten gehen manche Medikamente auf den Bauch. Entzündungen, Blähungen oder Verstopfung nehmen zu.

Das geht vielen so, auch wenn das Thema häufig unter den Tisch gekehrt wird. „Man sollte die Veränderungen bei sich kritisch begleiten und nicht ignorieren“, betont Professor Jürgen Bauer, Geriater und Direktor des Netzwerks Altersforschung der Uni Heidelberg. „Je früher Sie darüber sprechen, desto leichter lässt sich Problemen entgegenwirken.“

Ballaststoffreiche Nahrung zu sich nehmen

Zugegeben, es kostet etwas Überwindung, mit der Sprache rauszurücken, wenn es um eher unangenehme Themen wie Dauerpupsen, festen Stuhl oder starkes Pressen geht. Auch wenn alles von dreimal pro Tag bis dreimal die Woche beim Stuhlgang als normal gilt – gerade Ältere klagen oft darüber, dass auf der Toilette nichts mehr geht. Geriater Bauer zeigt großes Verständnis: „Verstopfung kann zu Appetitstörung und Gewichtsabnahme führen. Und die Lebensqualität leidet sehr.“

Umso mehr lohnt es sich, sich seinem Arzt oder seiner Ärztin anzuvertrauen. Manchmal schaffen schon einfache Maßnahmen Abhilfe. So pusht jeder Schritt mehr einen trägen Darm. Auch viel Ballaststoffe zusammen mit genügend Flüssigkeit helfen, die Verdauung anzukurbeln. „Der Darm braucht eine gewisse Füllmenge, damit seine Motorik, die Fortbewegung der Nahrung, in Gang kommt“, erläutert Bauer. Die Ballaststoffe sollten aus natürlichen Quellen wie Gemüse kommen. Auch Cerealien bieten sich an, wenn man diese mag und verträgt.

Trinken nicht vergessen!

Wegen Unwohlseins im Bauch suchen viele erst mal Rat in der Apotheke. Magen-Darm-Mittel zählen zu den meistverkauften Arzneimitteln in der Selbstmedikation. Im Beratungsgespräch klärt die Apothekerin wichtige Fakten. Bei leichten, nicht schon länger bestehenden Beschwerden mit klarer Ursache kommen in manchen Fällen auch pflanzliche Präparate infrage.

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Bei Verstopfung empfiehlt Apothekerin Tanja Wulf aus Hagen oft Mittel mit Macrogol oder Lactulose. Zum Frühstück etwa ins Joghurt gerührt, halten diese Stoffe Wasser im Darm zurück und machen so den Stuhl weicher. „Die Mittel kann man durchweg nehmen, es tritt keine Gewöhnung auf.“ Apothekerin Wulf fragt auch nach dem Trinkverhalten. Im Alter lässt das Durstgefühl nach. Trinken wird vergessen, was Probleme mit der Verdauung verschärfen kann. Wulf: „Führen Sie ein Trinktagebuch! So sehen Sie schwarz auf weiß, wie viel Sie wirklich trinken.“

Annette Voigt, 67, gründete nach ihrer Diagnose die Selbsthilfegruppe „mein Darm und ich“.

Annette Voigt, 67, gründete nach ihrer Diagnose die Selbsthilfegruppe „mein Darm und ich“

„Mir ist nicht leichtgefallen, meine Ernährung umzustellen. Mit meinem Zuckerkonsum kämpfe ich heute noch. Aber ich hatte einen ganz wunderbaren Ernährungsberater. Der hat mir richtig Lust gemacht, anders zu essen, als ich es gewohnt war. Ehrlicherweise bin ich nie ein Freund von ballaststoffreicher Ernährung, sprich Gemüse, gewesen. Und jetzt habe ich eine richtige Vorliebe dafür entwickelt. Wenn ich auswärts essen gehe und es gibt weniger Gemüse zur Auswahl, merke ich das gleich. Inzwischen kann ich gut auf meinen Darm hören, darauf, was er braucht, und betrachte ihn als „weisen Ratgeber“ in meinem Alltag, obwohl mir dieses Organ anfangs höchst lästig war. Inzwischen habe ich ein gutes Körpergefühl, auch dank Entspannungsmethoden.“

Den Speiseplan anpassen

Die große Käseplatte, die knackigen rohen Zwiebeln auf dem Brötchen – plötzlich liegen einem Gerichte quer im Magen, die man schon immer gegessen und gut vertragen hat. Das kann vorkommen: Abbaustoffe, die bestimmte Nahrungsanteile verdauen, nehmen mit der Zeit ab. Darauf sollten sich ältere Menschen einstellen, rät Geriater Bauer: „Man sollte sich etwas anpassen, an den eigenen Gesundheitszustand und die Funktionsfähigkeit von Magen und Darm – was mit 65 gut war, muss mit 75 nicht mehr gut sein.“

Bei gesicherten Unverträglichkeiten ist es sinnvoll, anders zu essen. In der Ernährungsberatung lernen Betroffene, welche Lebensmittel für sie unbedenklich sind und wie sie das im Alltag umsetzen. Und wer etwa auf Milchzucker mit Blähungen oder Krämpfen reagiert, findet im Supermarkt inzwischen ein großes Sortiment an lactosefreien Produkten.

Vom Speiseplan streichen, was belastet. Gezielt ausprobieren, was geht. Auch beim Reizdarmsyndrom kann das in enger Absprache mit dem Arzt oder einer Ernährungsberaterin eine gute Strategie sein. Typisch für dieses vor allem Frauen betreffende Leiden sind mehr als drei Monate anhaltende Bauchschmerzen, begleitet von Durchfall, Verstopfung oder von beidem im Wechsel, für das sich keine körperliche Ursache ausmachen lässt.

Christoph Pins, 64, hat eine Fruchtzucker-Unverträglichkeit

Christoph Pins, 64, hat eine Fruchtzucker-Unverträglichkeit

„Vor einigen Jahren hatte ich nach dem Mittagessen häufig Bauchschmerzen, Unwohlsein, Durchfall. Das entwickelte sich schleichend, wurde schmerzhafter und hat sich letztlich über ein Jahr hingezogen. Zum Arzt ging ich nicht. Nach und nach habe ich mit guten Freunden, der Familie darüber gesprochen. Das hat sehr geholfen, denn in diesem Austausch kamen wir dann gemeinsam auf die Idee: Vielleicht ist das eine Unverträglichkeit. So bin ich schließlich doch zum Arzt gegangen, und ein Test ergab: Es ist eine Fruchtzucker-Unverträglichkeit. Nach einer Ernährungsberatung klappt alles inzwischen gut. Nur bei zuckerfreien Halstabletten oder Hustensirup, da könnte es mehr Auswahl geben.“

Bei Symptomen mit dem Hausarzt sprechen

Forschende vermuten, dass bei Reizdarm das Zusammenspiel von Bauchhirn und dem zentralen Nervensystem gestört ist. Auch deshalb kommen nicht nur eine Ernährungsumstellung und Medikamente, sondern auch eine psychologische Therapie infrage.

Bevor die Diagnose Reizdarm steht, müssen alle anderen Auslöser für Schmerzen, Blähungen und Krämpfe abgeklärt sein. Erster Ansprechpartner für Probleme rund um den Bauch ist die Hausarztpraxis, die weitere Untersuchungen wie Magen- und Darmspiegelung oder Tests auf Unverträglichkeiten zum Beispiel auf Gluten veranlassen kann.

Es ist wichtig, genau zu klären, woher die Probleme kommen, weiß Gastroenterologin Birgit Terjung aus ihrem Klinikalltag: „Manchmal muss man nur ein Medikament umsortieren, damit der Durchfall oder die Verstopfung besser wird. Sich einfach damit abfinden: ‚Das ist jetzt das Alter, da kann man nichts machen‘ sollte man nicht. Oft kann man noch viel verbessern.“

Georg Schlegel, 75, Rentner, achtet auch wegen einer Nierenerkrankung auf seine Ernährung.

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Es fing an mit einer Darmspiegelung. Die war mal fällig – da haben mich meine Frau und der Arzt richtig bekniet. Schließlich habe ich mich durchgerungen. Ein Polyp ließ sich nicht entfernen. Also musste operiert werden: Ein Teil des Dickdarmes wurde entfernt, es waren sogar zwei Operationen nötig. Danach hat mein Darm dann erst mal gestreikt. Ich brachte oben nichts mehr rein. Nach einer Woche nahm der Darm seine Arbeit wieder auf – allerdings zu gut, ich bekam Durchfall.“ Inzwischen hat sich die Verdauung eingependelt. Zwar laufe ich jetzt zügiger und häufiger zur Toilette als vor der Operation, aber das ist mir lieber als Verstopfung, das ist sehr schmerzhaft.

Vorsorge-Checks nutzen

Eine Darmspiegelung wird für alle Frauen ab 55 und alle Männer ab 50 Jahren empfohlen. Die Kosten trägt die Krankenkasse. Ist hier alles in Ordnung, steht die nächste Routinekontrolle erst in zehn Jahren an. Eher zufällig entdecken Ärztinnen und Ärzte dabei oft kleine Ausstülpungen an der Darmwand. Sie entstehen, weil auch das Bindegewebe im Darm schwächer wird und die Darmwand zwischen den Muskelsträngen nach außen drückt. Besonders dort, wo ein hoher Druck herrscht: am Darmende. Jeder zweite über 70-Jährige hat Divertikel.

Gegen die Ausstülpungen kann man wenig tun, wenn sie einmal da sind. Eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung hat mutmaßlich einen positiven Effekt. Divertikel machen meist keine Probleme. Einige Menschen leiden jedoch unter immer wiederkehrenden Blähungen und Schmerzen. Manchmal entzünden sich die kleinen Säckchen auch. Je nachdem, wie oft und wie heftig sie das tun, ist eventuell eine Operation nötig.

Ein gutes Gefühl für den Bauch ist also von Vorteil, damit nichts Schwerwiegendes übersehen wird.