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Die Mythen zum Reizdarm im Faktencheck:

Das Reizdarmsyndrom ist weitverbreitet

Richtig: Mindestens drei Millionen Menschen in Deutschland leiden am Reizdarmsyndrom: schmerzhafte Krämpfe, unangenehme Blähungen, Durchfall und Verstopfung — gern auch alles in Kombination. Treten diese Beschwerden länger als ein Vierteljahr auf, und gibt es keine andere erkennbare Ursache, könnte das das Reizdarmsyndrom sein: Ein chronisch überempfindlicher Darm. „Doch erst, wenn die Beschwerden die Lebensqualität negativ beeinflussen, spricht man vom Reizdarm“, sagt Prof. Dr. Peter Layer, Leiter des Ikaneums, einem Fachinstitut für Darmgesundheit und Ernährung am Isrealitischen Krankenhaus in Hamburg.

Das ist doch alles psychisch!

Falsch: Bei Reizdarm gibt es sehr wohl nachweisbare körperliche Veränderungen. Die Darm-Hirn-Achse gilt als gestört. „Oft tritt das Reizdarmsyndrom nach Darminfektionen wie etwa Salmonellen auf“, sagt Experte Layer. Diese schwächen die Darmbarriere, wodurch Darminhalt ungehindert in die Schleimhaut eindringen kann. Resultat: Die Nerven dort werden irritiert und allmählich überempfindlich. „Der Darm ist auch ein sensibles Wahrnehmungsorgan – das vergisst man oft“, so Layer. Trotzdem lässt sich die Psyche beim Reizdarmsyndrom nicht ganz ausschließen. Denn es tritt häufig zusammen mit einer psychischen Erkrankung auf. Die Wahrscheinlichkeit, zusätzlich unter einer Depression oder Angststörung zu leiden, ist etwa doppelt so hoch. „Psychische Leiden begünstigen wahrscheinlich das Reizdarmsyndrom. Sie können dadurch aber auch entstehen“, so Psychotherapeutin Ina Külpmann. „Oft ist das ein Teufelskreis.“ Typischerweise führt Stress zu mehr Problemen mit dem Reizdarm, eine stabile psychische Verfassung hingegen kann die Beschwerden lindern. Helfen kann etwa, besseres Stressmanagement im Rahmen einer Verhaltenstherapie zu erlernen.

Reine Frauensache

Falsch: Frauen sind häufiger betroffen, aber nicht so oft, dass man von einer „Frauenkrankheit“ sprechen könnte. Das Verhältnis von Männern zu Frauen mit Reizdarmsyndrom liegt etwa bei 40 zu 60. In jüngeren Jahren leiden Frauen doppelt so häufig daran – ab etwa 50 Jahren gleichen sich beide Geschlechter an. Warum, ist nicht ganz klar. Eventuell liegt es an den Hormonen. „Frauen leiden im Vergleich zu Männern häufiger unter Angststörungen und Depressionen. Auch das könnte beim Geschlechterunterschied eine Rolle spielen“, sagt Lisa Stöckner, Psychotherapeutin an der Ruhr-Universität Bochum.

Als Nächstes kommt Darmkrebs

Nein: „Es scheint eher andersherum zu sein“, sagt Layer. Eine Studie aus Großbritannien zeige, dass Menschen mit Reizdarm sogar ein deutlich reduziertes Risiko für Darmkrebs haben. Das liege wahrscheinlich an einer gesünderen Lebensweise der Patientinnen und Patienten. Außerdem seien sie wegen ihrer Beschwerden öfter in ärztlicher Behandlung und ließen zum Beispiel häufiger eine Darmspiegelung machen, sagt Layer: „Es ist so wahrscheinlicher, dass man Krebsvorstufen erkennt und diese entfernen kann.“

Eine Nahrungsumstellung kann helfen

Kommt darauf an: Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind bei Menschen mit Reizdarm häufig. Leider sind sie oft schwer zu erkennen. Ein Ernährungstagebuch kann erste Hinweise geben. Eine Ernährungsberatung kann ebenfalls nützlich sein. Zusätzlich kann man auf sogenannte FODMAPS verzichten — vergärbare Zucker und Zuckeralkohole. Sie kommen unter anderem in Obst, Hülsenfrüchten sowie Weizen, Gerste und Roggen vor. Normalerweise sind sie kein Problem. Das Reizdarmsyndrom können sie aber verschlimmern. „Solche speziellen Diäten brauchen professionelle Begleitung“, sagt Layer. Denn oft fallen genau die Lebensmittel weg, die eigentlich gesund sind. Es braucht individuelle Lösungen nach ärztlicher Absprache: Eine veränderte Ernährung oder manche Probiotika, die die Darmflora unterstützen, können Linderung bringen.

Mädchen mit Obst

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Quellen:

  • Layer P et al: Update S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie., Gemeinsame Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM). Gastroenterol: https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 22.12.2023)
  • Fritscher-Ravens A, Pflaum T, Mösinger M et al: Many Patients With Irritable Bowel Syndrome Have Atypical Food Allergies Not Associated With Immunoglobulin E. Gastroenterology : https://www.gastrojournal.org/... (Abgerufen am 22.12.2023)