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Alter schützt vor sportlicher Höchstleistung nicht. Der Inder Fauja Singh beendete 2003 als über 90-Jähriger den Toronto-Marathon in 5:40 Stunden. 2011 lief er als erster Hundertjähriger erfolgreich die Marathonstrecke – immerhin noch in knapp achteinhalb Stunden.

Solche Leistungen von Hochbetagten nehmen die meisten von uns staunend zur Kenntnis. Im Alltag sind sie aber selten. Das ist nur zu natürlich: Im Alter von 20 bis 30 Jahren erreicht der menschliche Körper sein Maximum an Muskelmasse. Danach baut er langsam ab. "Ein Verlust von 30 bis 40 Prozent an Muskelmasse im Laufe des Lebens ist normal", sagt Cornelius Bollheimer, Professor am Institut für Biomedizin des Alterns der Universität Erlangen-Nürnberg und stellvertretender Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Geriatrie am Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg.

Muskeln wichtig für Unabhängigkeit im Alter

Dass die Kraft mit der Zeit nachlässt, ist also normal. Verliert jemand jedoch übermäßig viel Muskelkraft und -masse im Alter, sprechen Ärzte von Sarkopenie. Ein solcher krankhafter Schwund an Körperkraft kann Folgen haben. Denn eine gut arbeitende Muskulatur trägt bei älteren Menschen entscheidend zu einem selbstbestimmten Leben bei. Sei es, um in der eigenen Wohnung die Treppen noch zu bewältigen oder beim Einkauf die Taschen zu tragen. Wer dagegen nicht ausreichend Muskelkraft besitzt, büßt an Mobilität ein, droht ein Pflegefall zu werden. Auch die Anfälligkeit für Stürze steigt.

Vor allem Mangelernährung und zu wenig Bewegung begünstigen Muskelabbau im Alter. Im vorgerückten Alter können auch längere Krankenhausaufenthalte gefährlich werden. Patienten müssen nach einer Operation in der Regel eine längere Bettruhe einlegen, bei der das Risiko besteht, dass sie stark an Muskelmasse verlieren. Zudem lassen unter Umständen Erkrankungen wie Krebs Muskeln und Gewicht schwinden. Ärzte sprechen in diesem Fall allerdings nicht von einer Sarkopenie, sondern von einer Kachexie.

Zu wenig Muskeln? Der Aufsteh-Test liefert Hinweise

Wie lässt sich feststellen, ob die Muskulatur noch ausreicht? Altersforscher Bollheimer kennt einen kleinen Test, den jeder zu Hause ausprobieren kann: Mit verschränkten Armen auf einen Stuhl setzen, aufstehen und wieder hinsetzen. Das Ganze fünfmal wiederholen. "Wer dafür länger als zehn Sekunden benötigt, hat möglicherweise zu wenig Muskelkraft", sagt Bollheimer. In diesem Fall am besten den Hausarzt aufsuchen.

Muskelschwund: So läuft die Diagnose ab

"Viele Ärzte nehmen Sarkopenie nicht als Krankheit wahr", bedauert Bollheimer. Dass Menschen mit zunehmendem Alter gebrechlich werden, empfinden nach wie vor viele als normal. Um genau zu untersuchen, wie es um die Muskulatur eines Patienten bestellt ist, stehen verschiedene Diagnoseverfahren zur Auswahl. Dabei werden Masse, Kraft und Leistungsvermögen der Muskeln gemessen. Eine Sarkopenie liegt vor, wenn die Muskelmasse und zusätzlich eines der anderen beiden Kriterien nicht mehr ausreichend vorhanden sind.

Die Muskelmasse lässt sich mit Hilfe einer Bioimpedanzanalyse untersuchen, die Kraft anhand einer Messung des Handdrucks. "Die Kraft der Hand lässt einen guten Rückschluss auf die des übrigen Körpers zu", sagt Bollheimer. Die Leistung der Muskeln gilt als unzureichend, wenn der Betroffene auf einer Strecke von wenigen Metern nur eine Geschwindigkeit von unter 0,8 Metern pro Sekunde erreicht. Zum Vergleich: Bei der Ampelschaltung gehen Verkehrsplaner von einem Fußgänger aus, der sich in einem Tempo von einem bis 1,5 Metern pro Sekunde fortbewegt.

Krafttraining und Ernährung gegen Sarkopenie

Um die Muskulatur wieder aufzubauen, benötigen Betroffene in der Regel ein individuell auf sie abgestimmtes Krafttraining – je nach körperlichem Fitnesszustand zum Beispiel in der Krankengymnastik oder begleitete Übungen im Fitnessstudio. So lassen sich Muskeln wieder aufbauen. Und zwar in jedem Alter. "Prinzipiell ist das auch mit 90 Jahren noch möglich", sagt Bollheimer. "Wenn auch in geringerem Umfang als bei Jüngeren."

Der zweite Baustein bei der Behandlung einer Sarkopenie ist eine richtige Ernährung. Ausreichend hochwertige Eiweiße im Essen unterstützen den Muskelaufbau. Bollheimer empfiehlt, dreimal täglich etwa 25 bis 30 Gramm Eiweiß zu essen. Also die Menge gleichmäßig über den Tag verteilen und nicht nur in einer einzigen Mahlzeit aufnehmen. Gute Eiweiß-Quellen in der Nahrung sind fettarmes Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Hülsenfrüchte sowie Nüsse.

Muskelschwund vorbeugen

Eine Studie der Charite Berlin aus dem Jahr 2015 ergab, dass Männer ihr Sarkopenie-Risiko im Alter halbieren, wenn sie seit ihrer Jugend aktiv Sport getrieben haben. Damit ein übermäßiger Muskelschwund gar nicht erst aufkommt, lautet also das beste Rezept: immer schön aktiv bleiben. Regelmäßige Spaziergänge sind schon ein guter Anfang. Noch besser ist zusätzlich ein gezieltes Krafttraining. Wer in einem Fitnessstudio schwitzen möchte, lässt sich am besten zu Beginn zeigen, wie er die Geräte richtig handhabt. Einige Studios bieten extra auf ältere Menschen zugeschnittene Programme an. Für alle über 35 Jahren gilt: Bevor sie loslegen, sollten sie sich von einem Arzt auf ihre individuelle Belastbarkeit und mögliche Erkrankungen durchchecken lassen.