Was bewirken Kältekammern?
In der Kryokammer steckt das griechische Wort kryós – kalt. In einer Kryokammer ist es sogar eisig kalt: bis zu minus 170 Grad Celsius. In diese quasi unvorstellbare Temperatur begeben sich Menschen freiwillig und fast nackt. Die einen wollen damit Gelenkbeschwerden bessern, für andere ist es eine Wellness-Flucht aus dem Alltag. Eben wie in die Sauna gehen, nur in die kalte.
Das soll die Kältetherapie bringen
Die Extrem-Kältetherapie soll unglaublich viel bringen, wenn es nach den Herstellerfirmen geht. Unglaublich im wahrsten Sinne des Wortes: Sie wirke gegen Müdigkeit, Erschöpfung, Depression, beginnende Demenz, schwindende Libido und sorge zudem für Gewichtsverlust, ein stärkeres Immunsystems, straffere Haut und eine Leistungssteigerung bei Sportlerinnen und Sportlern „von mehr als 18 Prozent“. Dies ist nur eine kleine Auswahl der angeblichen Wirkungen.
Und wie immer, wenn etwas so umfassend helfen soll, ist Skepsis angebracht. „Das sind alles nur Werbeversprechen, da gibt es nicht die entsprechende Studienlage dazu, die das bestätigt“, sagt Universitätsprofessor Uwe Lange vom Lehrstuhl für internistische Rheumatologie, Osteologie und Physikalische Medizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
In den USA wird das ähnlich beurteilt. Die Kältekammern sind dort von der FDA (Food and Drug Administration, die offizielle Behörde, die Medikamente und auch medizinische Anwendungen prüft) weder zugelassen, noch werden sie empfohlen – da aussagekräftige Studien fehlen. Das bestätigt auch Uwe Lange. Er und sein Team haben nun selbst vorausschauende Studien vorgelegt, die die Wirkung der Extremkälte bei verschiedenen Erkrankungen untersuchen. Bis zu drei Monate besserten sich nach der Behandlung die Schmerzen der Betroffenen von entzündlichem Rheuma, Fibromyalgie, Neurodermitis oder Schuppenflechte.
Kältekammern: nicht ohne Risiko
Aber kann man nicht in eine Kryosauna, wie die Kabinen auch genannt werden, gehen, um einfach mal runterzukühlen? Schaden kann es ja schließlich nicht, oder? Die Antwort von Lange ist eindeutig: „Nein, bitte nicht! Man muss immer vorher abklären, ob es Gegenanzeigen gegen die Kälteanwendung gibt.“
Und die Liste an Vorerkrankungen, mit denen man Kältekammern nicht nutzen sollte, ist durchaus lang: fortgeschrittene Durchblutungsprobleme, wie etwa eine starke Durchblutungsstörung der Beine oder Arme, schlecht eingestellter Bluthochdruck, akute Nieren- und Blasenerkrankungen, verengte Herzkranzgefäße, frisch angelegte Bypässe, gestörtes Kälteempfinden und natürlich Platzangst.
Wobei die neueren Kältekabinen an Litfaßsäulen erinnern. Der Kopf schaut oben heraus, daher ist die Enge nicht ganz so bedrückend. Nicht alle ihre Vorerkrankungen sind Patientinnen oder Patienten bekannt. Daher betont Experte Lange: „Eine Therapie mit der Kältekammer muss genauso wie eine medikamentöse Therapie mit Nutzen und Gegenanzeigen zuvor abgewogen werden.“
Was bringt die Kältetherapie nach dem Sport?
Auch, wem es vor allem um die Erholung nach dem Sport geht, ist mit der Kältekammer nicht unbedingt gut beraten. Eine Übersichtsarbeit von 2020 zeigte: Menschen, die Kältetherapie anwandten, hatten zwar weniger Muskelkater und konnten schneller wieder das Training aufnehmen – gleichzeitig war jedoch das Muskelwachstum geringer oder deutlich verlangsamt. Wer Wert auf zügig wachsende Muskeln legt, sollte daher lieber in der Sauna schwitzen, statt in der Kältekammer frieren. Es kommt also ganz darauf an, mit welchem Ziel eine Person die Kryokammer besucht.
Quellen:
- Robert D. Hyldahl, Jonathan M. Peake: Combining cooling or heating applications with exercise training to enhance performance and muscle adaptations. In: J Appl Physiol 09.07.2020, 129: 353-365
- U.S. Food & Drug Administration: Whole Body Cryotherapy (WBC): A "Cool" Trend that Lacks Evidence, Poses Risks. https://www.fda.gov/... (Abgerufen am 25.05.2022)
- Kerschner B, Ahne V, Meixner J: Kältekammer: Frostschock ohne Wirknachweis. medizintransparent.de: https://www.medizin-transparent.at/... (Abgerufen am 25.05.2022)
- Klemm, P., Hudowenz, O., Asendorf, T. et al.: Evaluation of a special concept of physical therapy in spondyloarthritis: German multimodal rheumatologic complex treatment for spondyloarthritis. . In: Clin Rheumatol 08.01.2020, 39: 1513-1520