Gewicht: Schlank durch Darmbakterien?

Eine Frage der Keime: Bei Übergewicht verschiebt sich Studien zufolge das Verhältnis bestimmter Bakterien: je mehr Pfunde, desto weniger Bacteroides-Stämme und desto mehr Firmicutes. Dies beeinflusst, wie gut wir bestimmte Nahrungsanteile verwerten. Signale an unser Gehirn haben darüber hinaus wohl Einfluss auf unseren Appetit
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Kann man Übergewicht transplantieren? US-Forschern gelang ein überraschendes Experiment: Sie pflanzten keimfrei aufgezogenen Mäusen die Darmflora von Zwillingsschwestern ein – schlank die eine, übergewichtig die andere. Danach durften sich die Nager an fettreicher Kost kugelrund futtern. Doch nur die Mäuse, welche die Mikroben der dicken Schwester in sich trugen, wurden auch selbst übergewichtig.
"Das hat vielen in der Forschungswelt die Augen geöffnet", sagt Professor Christian Sina. Am Institut für Ernährungsmedizin des Uniklinikums Schleswig-Holstein in Lübeck forscht er an individuellen Ernährungstherapien, die das Mikrobiom mit einbeziehen. Dass sich die Darmbesiedelung dicker und dünner Menschen unterscheidet, weiß man schon länger.
Der Zwillingsversuch aber legt nun nahe: Ein verändertes Mikrobiom kann tatsächlich Übergewicht zur Folge haben. "Hinweise gibt es auch aus Fallberichten nach einer Stuhltransplantation", sagt Sina. Dabei trat Gewichtszunahme als Nebenwirkung auf.
Individuelles Mikrobiom
Braucht es also nur den richtigen Mikrobenmix, und die Pfunde purzeln? Experten sehen wenig Aussicht auf eine einfache Lösung. "Der Einfluss hängt stark von der Genetik, der Veranlagung jedes Einzelnen ab", erklärt Dr. Siegfried Ussar, der am Helmholtz-Institut in München die Zusammenhänge des Mikrobioms mit Übergewicht erforscht.

Eine salzreiche Ernährung kann dem Mikrobiom schaden und zu einer Gewichtszunahme führen
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Erfolg verspricht daher nur ein stark personalisierter Ansatz. Anders als im Labor lassen sich bei Menschen viele Umwelteinflüsse kaum kontrollieren. Auch was wir essen, entscheidet mit, welche Mikroben sich wohlfühlen.
Vorstellbar wäre es laut Ussar indes, eine Ernährungsumstellung mit einer Mikrobentherapie zu unterstützen. Wer einseitig isst, verringert damit die Artenvielfalt in seinem Darm. "Wie ausgestorbene Tiere in einem Urwald kehren sie nicht von selbst zurück", sagt Ussar. Mit speziellen Probiotika ließen sie sich vielleicht wieder ansiedeln.